Moers. Mit Beginn der Corona-Pandemie ging beim Hospizdienst nichts mehr. Jetzt ist das Team wieder aktiv – weil der Bürgermeister sich eingesetzt hat.
„Es war ein großes Dilemma“, schildert Tanja Meissner als Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes Bethanien in Moers. Der Lockdown erwischte sie und ihr Team, aber vor allem die sterbenden Menschen und ihre Angehörigen kalt.
„Am 25. März hieß es, wir müssen alles runterfahren und die Ehrenamtlichen aus der Begleitung herausholen“, berichtet sie. Nur per Skype oder Telefon sei Kontakt noch möglich gewesen. „Wir waren kreuzunglücklich mit der Situation. Mit Sterbenden per Telefon zu reden, ist nahezu unmöglich.“ Vom Dachverband, dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband, hätte Tanja Meissner sich schon im März eine Nachricht gewünscht.
Es gilt der gesunde Menschenverstand
„Es gab nirgendwo eine Regelung, wie ich mich verhalten sollte.“ Zur Lösung des Problems trug erst im Juni ein Treffen mit Bürgermeister Christoph Fleischhauer bei. „Er hatte ein Ohr für unser Anliegen und war völlig entsetzt über die Situation“, berichtet die Leiterin weiter. Und Fleischhauer habe sie ermutigt, nach gesundem Menschenverstand zu handeln.
Nun begleite man die Menschen wieder. Augenblicklich seien es zehn Sterbende und ihre Angehörigen. „Natürlich kommen wir mit Mundschutz, halten Mindestabstand und benutzen Desinfektionsmittel. Wir beachten die Hygieneregeln streng.“Große Erleichterung herrsche nun, schildert Tanja Meissner weiter. „Es war ein schreckliches Gefühl zu wissen, dass so viel Leid da ist und nichts tun zu können.“ Inzwischen seien auch einige neue Betreute dazugekommen.
Auch die Angehörigen brauchen ein Lächeln
„Ich mache als Leiterin die ersten Hausbesuche.“ Danach gehe einer der 45 geschulten Ehrenamtlichen zu den Sterbenden und ihren Angehörigen. „Auch sie brauchen Ansprache und ein Lächeln.“ Oft wisse sie nicht, woher die pflegenden Angehörigen die Kraft für eine 24-Stunden-Betreuung nähmen. „Sie denken nie an sich.“Manche Patienten seien lange Jahre krank.
„Wir kommen nicht nur für Gespräche mit den Sterbenden, sondern auch, um die Angehörigen zu entlasten, mit ihnen zu reden oder einfach nur, um ihnen einen Einkauf oder ähnliches zu ermöglichen.“ Zudem versorge man auch Sterbende in Heimen und im Krankenhaus.
In Corona-Montur am Sterbebett gesessen
„Ich habe schon in kompletter Corona-Montur bei einem sterbenden Corona-Patienten am Bett gesessen“, berichtet Tanja Meissner, die nicht nur die ambulante Hospizarbeit koordiniert. Sie ist gleichzeitig auch Trauerbegleiterin, was eng zusammen liegt.
Daher hat sie einen Trauertreff ins Leben gerufen, der sich augenblicklich bei schönem Wetter im Krankenhaus-Park trifft. „Das tut den Menschen gut, es fängt sie auf.“Bei all der Arbeit mit Menschen in Not muss ein Helfer auch an sich denken. „Selbstfürsorge ist wichtig“, weiß die Fachfrau. Dazu gehöre, zu Schicksalen einen Abstand zu halten. „Mitgefühl ja, aber kein Mitleid.“
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Sonst verausgabe sich der Betreuer. Zudem solle der Sterbende auf positive Weise professionell begleitet werden. Gerade laufe wieder ein 100-stündiger Kurs für 15 bis 20 neue Begleiter.
Tanja Meissner: „Er nennt sich ,Befähigungs- und Ermutigungskurs‘. Und das macht wirklich Sinn. Die neuen Helfer werden zur Sterbebegleitung befähigt. Und ich ermutige sie, es zu tun.“