Moers. In Politik und Verwaltung wird derzeit über ein Gutachten über die Feuerwehr diskutiert. Im NRZ-Interview spricht der Dezernent über die Pläne.

In den Ratsfraktionen und der Verwaltung wird seit kurzem ein Gutachten über die Feuerwehr diskutiert, das bei seiner Vorlage für Furore gesorgt hat. Das von der Stadt in Auftrag gegebene, gut 180 Seiten starke Papier, das die Firma Luelf & Linke im Auftrag der Stadt Moers erstellt, kommt zu dem Schluss, dass die Grafenstadt neben der Feuerwehr-Wache am Jostenhof eine zusätzliche Hauptwache benötigt. NRZ-Redakteur Tom Wittenschläger sprach darüber mit dem Technischen Beigeordneten der Stadt, Thorsten Kamp. Er ist zugleich Feuerwehrdezernent.

NRZ: Herr Kamp, für die Feuerwehr gilt, dass sie spätestens in acht Minuten nach der Alarmierung jeden Einsatzort in Moers erreichen kann. Nun ist in dem Gutachten, das die Verwaltung jetzt vorgestellt hat, davon die Rede, dass diese so genannte „Eintreffzeit“ nicht mehr ständig für alle Teile der Stadt – konkret Scherpenberg und Kapellen - gewährleistet werden kann. Warum nicht?

Thorsten Kamp: Eine der wesentlichen Grundlagen des Gutachtens ist die Auswertung des Einsatzgeschehens über einen Zeitraum von zwei Jahren. Dabei zeigte sich, dass in den genannten Stadtteilen das Schutzziel häufiger nicht erreicht wurde. Dies ist allerdings für uns keine Neuigkeit, denn zu diesem Ergebnis kam bereits der Rettungsdienstbedarfsplan des Kreises Wesel im vergangenen Jahr und schon bei der Brandschutzbedarfsplanung von 2012 zeichnete sich diese Entwicklung ab. Allerdings hat sich die Situation seit damals verschärft. Insbesondere durch die allgemeine Zunahme des Verkehrsaufkommens bei gleichzeitiger Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit vor allem im Hauptstraßennetz haben sich die Anfahrtswege zwischen Wache und Einsatzort zeitlich verlängert. Diese Entwicklung macht übrigens auch den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr zu schaffen. Sie werden parallel zur Hauptwache alarmiert und müssen erst von Zuhause oder von der Arbeit zu ihrem Gerätehaus fahren, wobei auch hier zunehmend kostbare Zeit verloren geht.

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Das würde sich bessern, wenn es eine zweite Hauptwache an der alten B60 gäbe?

Ja, da wir mit einer dezentralen Struktur das langgestreckte Stadtgebiet deutlich besser abdecken könnten. Von einer südlichen Wache aus würde die hauptamtliche Feuerwehr Einsatzorte in Asberg, Scherpenberg und Kapellen viel schneller erreichen.

Von diesem Standort aus hat es die Feuerwehr aber weiter bis Repelen.

Die Feuer- und Rettungswache in Hülsdonk bleibt aber als erster „Abmarsch“ für den Stadtteil Repelen erhalten. Insofern ändert sich für das Einsatzgeschehen in Repelen nichts.

Kann man das Problem der Eintreffzeiten nicht mit einer zentralen Wache an einem anderen Standort lösen?

Die Rheinberger Straße wird diskutiert. Diese Alternative wurde intensiv geprüft, allerdings stehen an der Rheinberger Straße für den Bau einer zentralen Feuer- und Rettungswache keine geeigneten Flächen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die bereits schon hohe Verkehrsbelastung eine weitere Ansiedlung nicht zulässt.

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Der Gutachter schlägt auch vor, den Löschzug Asberg der Freiwilligen Feuerwehr in eine neue Hauptwache zu integrieren. Warum das? Die Wache an der Essenberger Straße ist doch noch gar nicht so alt.

Der Standort an der Essenberger Straße beherbergt zwei Löschzüge: Stadtmitte und Asberg. Die meisten Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr des Löschzugs Asberg leben aber deutlich entfernt von diesem Gerätehaus, mit allen Problemen für die Fahrzeiten der ehrenamtlichen Kräfte. Deshalb wäre die ortsnahe Integration des Löschzuges Asberg in eine zweite Hauptwache im Süden ein sinnvoller Schritt. Die derzeitigen Räume der Einheit Asberg an der Essenberger Straße müssen natürlich sinnvoll und kostendeckend weiterverwendet werden, zum Beispiel als Standort der Jugendfeuerwehr, für Sonderfahrzeuge und als Tagesalarmstandort.

Angenommen, der Rat der Stadt entscheidet sich noch in diesem Jahr für die neue „Zwei-Standorte-Strategie“. Über welchen Zeitraum sprechen wir dann bis zur Realisierung? Und über welche Beträge? 40 Millionen Euro, die für die Sanierung der Hauptfeuerwache veranschlagt sind, werden kaum reichen, oder?

Nachdem im vergangenen Jahr die Vorschläge der Brandschutzbedarfsplanung gemeinsam mit Gutachter, Verwaltung und freiwilliger Feuerwehr intern erarbeitet wurden, liegen sie nun im Entwurf vor, um in den nächsten Monaten politisch und fachlich beraten und bewertet werden zu können. Eine Vielzahl von neuen Fragen werden im weiteren Prozess entstehen und müssen abgearbeitet werden – insbesondere Fragen der Finanzierung, des Bauvolumens, des Planungsrechtes und welche Grundstücke tatsächlich in Frage kommen. Bis die Entscheidungsfindung und Planung endgültig abgeschlossen ist und mit dem Bau begonnen werden kann, werden sicherlich drei bis vier Jahre vergehen. Belastbare Zahlen zu den Kosten liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. Diese hängen natürlich auch von Einzelfallentscheidungen und möglichen Varianten ab.

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Die Stadt müsste für eine zweite Wache ein Grundstück kaufen. Da fällt uns sofort das Edeka-Gelände an der Chemnitzer Straße ein. Das wird bald frei.

Dieses Grundstück haben wir unter anderem im Fokus. Aber auch hier müssen wir Rahmenbedingungen prüfen, wie die Grundstücksgröße, die Erschließung, der Zeitpunkt der Verfügbarkeit und vor allem die Kosten. Dazu zählen unter anderem die Abbruchkosten für die bestehenden Gebäude.

Abschließend: Sie sagen, bis zur Fertigstellung einer zweiten Hauptwache vergehen mindestens 3 Jahre. Muss ich mir in der Zwischenzeit Sorgen machen, wenn ich in Scherpenberg oder Kapellen lebe?

Natürlich nicht! Über 90 Prozent aller Einsätze der Moerser Feuerwehr entfallen auf den Rettungsdienst, der bereits mit einem temporären Außenstandort den Moerser Osten und Süden besser abdeckt als in der Vergangenheit. Der Rettungswagen, der aktuell am Standort Essenberger Straße steht, soll später im Moerser Südosten dauerhaft untergebracht werden – zum Beispiel in einer zweiten Hauptwache. Auch im Brandschutz sind wir noch gut aufgestellt, aber eine Verbesserung der Eintreffzeiten ist notwendig. Die nachhaltige Anpassung der Feuerwehrstruktur an die fortschreitenden Herausforderungen, wie die Tagesverfügbarkeit der Freiwilligen Feuerwehr und zunehmende Verkehrsbelastung, ist notwendig, um für die nächsten Jahrzehnte die Sicherheit und Gesundheit der Moerser Bevölkerung zu gewährleisten.