Wolfgang Puschnig war schon häufig zu Gast beim Moers Festival. Er spricht darüber, wie es sich anfühlt ohne Publikum. Und über Elefantenbabys.
Moers. Der Österreicher Wolfgang Puschnig gehört zu den „Recken“ des Moers Festivals. Er hat schon im Zelt gespielt, hat Burkhard Hennen noch als künstlerischen Leiter kennengelernt und unter anderem mit dem Vienna Art Orchestra für legendäre Auftritte gesorgt. Jetzt spielt er an zwei Tagen in der leeren Festivalhalle. Mit Redakteurin Karen Kliem spricht er über die Bedeutung des besonderen Moers-Wegs und wie es sich anfühlt, ohne Publikum zu spielen. Und er verrät, wie in Österreich der richtige Abstand in Corona-Zeiten griffig erklärt wird.
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Herr Puschnig, Sie haben am Freitag ja schon als Trio „Nine for Three“ mit Herbert Pirker und ihrem musikalischen Weggefährten Wolfgang Mitterer einen Parforceritt durch neun Beethoven-Symphonien für drei Instrumente hingelegt. Wie hat es sich angefühlt, so ohne Publikum?
Das ist eine komplexe Mischung an Gefühlen. Eines der Hauptelemente der Musik ist die nonverbale Kommunikation mit dem Publikum. Ich habe für mich eher eine Studiosituation empfunden. Das war für mich kein Riesenproblem. Es ist halt eine andere Art der Konzentration. Mit Publikum ist Musik machen um ein paar Dimensionen reicher. Aber ich bin ja schon alt genug, dass das nicht für meine innere Ausgeglichenheit notwendig ist (schmunzelt). Und ich finde es toll, dass Moers das durchgezogen hat, Hut ab! Besser so als gar nicht.
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Sie kennen ja noch das Zelt im Schlosspark. Wie finden sie den Umzug in die Halle?
Zuerst dachte ich, dann ist ja die ganze Romantik weg. Aber wenn man jetzt unter normalen Umständen spielt, ist man genauso mittendrin. Und der Umzug war ja aus logistischen und organisatorischen Gründen notwendig.
Von wie vielen Terminen auf wie viele ist ihr persönlicher Terminkalender wegen Corona zusammengeschnurrt?
Ich habe da keinen Überblick, aber bis Herbst ist erstmal alles abgesagt, womöglich noch bis in den Winter hinein. Aber ich habe das Glück, an der Musikuni in Wien zu unterrichten. Das hilft mir über finanzielle Not hinweg. Auch wenn Instrumentalunterricht per Internet nicht wirklich Sinn macht. Wenn es glücklich läuft, habe ich im August vielleicht noch einen Termin in Österreich. Was aber die Krise gezeigt hat, ist, dass diese Art von Musik neben dem Mainstream in den Köpfen der Verantwortlichen nicht vorhanden ist. Gewusst haben wir es, aber die Krise hat es deutlicher gemacht. Dabei haben wir es nicht umsonst geschafft, immer zu überleben. Weil diese Musik von Menschen mit Liebe gemacht wird. Und es braucht diesen Humus, auf dem Weiteres wachsen kann.
Musste Tim Isfort sie sehr überreden, trotz Corona nach Moers zu reisen?
Ich bin da nicht angstbesetzt. Und ich habe keine Sorge, sondern eher den Eindruck, dass die Vorschriften hier strenger eingehalten werden als in Österreich. Da umschreibt den nötigen Abstand zum Beispiel mit der
Größe eines Elefantenbabys. Ich fand es gewagt, das Festival durchzuziehen, aber wer wagt, gewinnt. Ich habe gestern mit einem Freund in Philadelphia telefoniert, der den Stream geschaut hat und an alle seine Freunde weitergeschickt hat. Es ist ein Zeichen, dass eben doch was geht in der Musik.
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Wie finden Sie Moers 2020 im Vergleich zu früher?
Da gibt es keinen Vergleich. Das hier ist eine völlig neue Erfahrung. Sonst war ja hier vor der Halle die Hölle los, das pralle Leben. Das verlagert sich jetzt mehr nach innen. Insgesamt sind die Dinge, die ich in Moers als erstes gespielt habe, immer sehr gut gelaufen. Sogar der Kontakt zu den koreanischen Trommlern, mit denen ich in Moers zusammengetroffen bin, ist über dreißig Jahre bis heute geblieben. Und wenn ich jetzt mit Mitterer in Moers spiele, hat das auch ein sentimentales Element.