Neukirchen-Vluyn. Neukirchen-Vluyner Pfarrer befassen sich für die NRZ gemeinsam mit der biblischen Bedeutung des Weizenkorns. Es ist das erste Projekt dieser Art.

In diesem Jahr ist das Osterfest ganz anders. Gottesdienste fallen aus. Die Menschen werden gebeten, nach Möglichkeit auf nicht zwingend notwendige Kontakte zu verzichten. Es gibt strenge Auflagen. Um dennoch Gemeinschaft leben zu können, bieten Kirchengemeinden Online-Predigten an und bringen Grüße zu jenen nach Hause, die zum Schutz vor einer Infektion dort bleiben. Wir haben die Pfarrerin und die Pfarrer aus Neukirchen-Vluyn um Gastbeiträge mit Osterbotschaften für Sie, liebe Leserinnen und Leser, gebeten. Sie haben sich gemeinschaftlich mit dem Thema Weizenkorn befasst.

Die Kraft des Weizenkorns ...(Stefan Vogt)

Vor einiger Zeit fanden Archäologen in einem ägyptischen Grab ein Gefäß mit Weizenkörnern. Man hatte es dem Verstorbenen vor etwa 5000 Jahren mit auf seine Reise ins Jenseits gegeben. Nachdem die Archäologen diesen Fund veröffentlicht hatten, interessierten sich einige Biologen für diese Weizenkörner. Sie wollten herausfinden, ob sie immer noch keimfähig waren, also Lebenskraft in sich trugen. Mit Spannung gingen sie ans Werk. Sie steckten die Weizenkörner in fruchtbaren Boden und sorgten für optimale Wachstumsbedingungen. Und tatsächlich – nach einer angemessenen Zeit trieben die Körner aus, und aus der Erde wuchsen kleine Halme, die sich zu ganz normalen Weizenpflanzen entwickelten. In einem Weizenkorn steckt eine Lebenskraft, der auch 5000 Jahren nichts anhaben können. Ein Weizenkorn ist gespeichertes Leben, das gerade im Frühling sichtbar wird.

…Und doch erleben wir den Frühling ...(Juliane Kollmann-Rusch)

Die Natur scheint unbeeindruckt zu sein von der Krise, die unser Leben gerade beherrscht. Überall brechen die Knospen an den Bäumen hervor. In der Dunkelheit des Bodens haben sich Blumenzwiebeln verwandelt. Wasser, Erde und die Wärme der Sonne waren dafür nötig. Dieses Erleben im Frühling hilft mir das Geheimnis von Jesu Tod und Auferstehung zu verstehen. Jesus spricht von sich selbst, wenn er von dem Weizenkorn spricht. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Er selbst ist das Weizenkorn. Auch er ist gestorben, begraben worden, um auferweckt zu werden. Die Frucht seiner Auferstehung können wir Menschen seit über 2000 Jahren als Lebenskraft erfahren.

… Im Weizenkorn steckt Lebenskraft...(Frank Hartmann)

In einem Weizenkorn steckt Lebenskraft. Das Weizenkorn ist deshalb ein schönes Bild für die Urbotschaft von Ostern: Die Auferstehung von Jesus. Und die Hoffnung, dass auch für uns mit dem Tod nicht alles aus ist, dass auch wir auferstehen werden. Dies übertrifft unsere Vorstellungen und bleibt ein Geheimnis. Der Apostel Paulus aber hat das Weizenkornbild einmal gebraucht, um dieses Geheimnis zu erklären. Unser irdisches Leben ist wie das Weizenkorn. Wir werden ausgesät. Wir sterben. Aber aus dem Korn in der Erde wächst neues Leben. Die Auferstehung. Das Weizenkorn zeigt uns: Die Pflanze sieht völlig anders aus als das Samenkorn. Das Leben nach dem Tod wird völlig anders sein als unser Leben hier. Und doch gibt es auch eine Kontinuität zwischen Samenkorn und Pflanze. Jedes Korn und jede Pflanze ist einzigartig. Auch jeder Mensch ist einzigartig. Und Ostern sagt: So bleibt es, auch über den Tod hinaus. Doch in dem Bild vom Weizenkorn steckt noch mehr. Das zeigt die Geschichte vom Weizenkorn, das nicht ausgesät werden wollte.

… Das Korn, das nicht wollte ... (Martin Simon)

Ein Weizenkorn wollte auf gar keinen Fall ausgesät werden. Allein die Vorstellung, dass es in den dunklen schweren Ackerboden gesteckt würde, war ihm ein Graus. Darum versteckte es sich in der Scheune. Es wollte sich nicht opfern und sterben. Es wollte prall und goldgelb bleiben. So gefiel es sich. Es war mit sich selbst zufrieden. Der Plan schien aufzugehen. Das Versteck war gut gewählt und die Zeit verging, ohne dass etwas geschah. Das Weizenkorn wurde nie zu Brot. Es kam nie auf den Tisch, wurde nie gebrochen, gesegnet, ausgeteilt und empfangen. Es schenkte nie Leben, Kraft, Freude und Sättigung. Eines Tages aber räumte der Bauer seine Scheune auf. Mit einem Besen fegte er das Weizenkorn einfach fort. Im Staub und Wind, ohne Erde und Wasser war es verloren, todeinsam und sinnlos bis zum Verfall.

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… Was passiert mit dem Korn?… (Andreas Fink)

Aus dem Korn wird eine Pflanze! Kinder verstehen dieses Gleichnis Jesu auf den ersten Blick. Bei der Nachfrage aber, was denn mit dem Korn genau passiert, stutzen Kinder ein wenig. Es ist doch klar. Es wird zur Pflanze. Jesus ist da etwas genauer – in seiner Sprache: Das Weizenkorn muss sterben – tot gehen! Das ist für ihn der springende Punkt in seinem Gleichnis. Uns ist dieser Gedanke unheimlich. Wir sind geprägt vom Versprechen der Wissenschaft, dass wir allein es sind, die diese Welt und alles Leben in ihr gestalten und lenken können. Jesu Gedanke besagt: Wachstum kann auch bedeuten, sich zu verabschieden von dem, wie es bisher war. Es braucht mitunter die Bereitschaft zu schmerzhaften Schnitten. Das Weizenkorn muss erst sterben. Das Coronavirus in seiner tödlichen Wirkung gibt neben aller menschlichen Aktivitäten, es in den Griff zu bekommen, auch zu bedenken: Braucht es nicht auch eine Abkehr von dem, wie wir bisher gelebt und unsere Welt gestaltet haben? Können wir weitermachen wie bisher? Jesu Gleichniswort regt an, diesen Fragen ernsthaft nachzugehen, um wirklich Neues wachsen zu lassen.

… Das Korn bringt Neues (Frank Rusch)

Das Weizenkorn bringt Neues hervor: Dass wir mehr auf die Schwächeren achten. Dass die pflegenden Berufe eine größere Wertschätzung erfahren. Dass Menschen entdecken, wie sie kreativ ihre Gaben für andere und für uns als Gesellschaft einsetzen können. Alles Früchte, die neu gewachsen sind und hoffentlich bleiben werden. Aber wir würden dem Osterfest nicht gerecht, wenn wir es nur im Licht der derzeitigen Krise betrachten würden. Ostern geht weit über mich und meine momentane Situation hinaus. Es hat Menschen zu allen Zeiten Kraft und neue Hoffnung gegeben und sie befanden es für wert, dies an die nächste Generation weiterzugeben. Zu Ostern kommt Gott auf uns zu. Er schenkt es uns, weil er seine Menschen nicht ohne Hoffnung lassen will. Der Schöpfer des Lebens will das Leben! Darum erhält er es auch – sogar über den Tod hinaus.