Moers. Um das Thema zu entkrampfen, hat Sexualtherapeut Carsten Müller aus Moers ein Aufklärungsbuch für die ganze Familie geschrieben.

Unser Umgang mit Sexualität ist ziemlich ambivalent. Einerseits ist sie allgegenwärtig – sei es auf Werbeplakaten in den Innenstädten, im Fernsehen oder im Internet. Doch so einfach der Zugang dazu auch sein mag, so verkrampft gehen viele Menschen noch immer mit Sex um. Vor allem im Gespräch mit Kindern. Dabei müsse man mit Kindern und Jugendlichen offen darüber sprechen, sagt Carsten Müller. Der Moerser Sexualtherapeut mit eigener Praxis in Duisburg hat einen Familienratgeber geschrieben, der den Kloß im Hals der Eltern ein wenig lösen soll, sobald es um Sexualität geht.

„Sex ist wie Brokkoli – nur anders“, heißt das Aufklärungsbuch für die ganze Familie, das am 7. April im Handel erscheint. Das grüne Gemüse im Titel dient als Metapher für die Normalität, mit der das Thema behandelt werden sollte – eigentlich.

„Wo, wenn nicht in der Familie, sollte denn sonst über Sexualität gesprochen werden?“

„So, wie wir über das Essen sprechen, sollten wir auch über Sexualität sprechen können“, sagt Müller. Zumal Kinder einen viel sachlicheren Zugang zu Sexualität hätten als Erwachsene, ohne direkt emotionale Bilder in ihren Vorstellungen zu bilden. „Kinder möchten erstmal einfach informiert werden“, sagt Carsten Müller.

Allerdings bestehe bei allen heutigen medialen Einflüssen, die den Zugang auch zu expliziten Inhalten vereinfachen, die Gefahr, dass sich das Bild in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen verfälsche, so der Therapeut weiter. „Pornografie ist zum Beispiel sehr weit von einem gelungenen Bild von Sexualität entfernt und pflanzt eher falsche Vorstellungen in die Köpfe.“ Deshalb sei die Aufklärung auch so wichtig. Und: „Wo, wenn nicht in der Familie, sollte denn sonst über Sexualität gesprochen werden?“

Carsten Müller betreibt mit Milka Loff Fernandes den Podcast „Liebe, Sex und Co.“

Wichtig sei, dass Kinder eine klare eigene Vorstellung von Sexualität bekämen, vor allem, um ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Grundsätzlich gehe es darum, „ein mystisches Thema zu entmystifizieren“, so Müller. Den Zeitpunkt wähle das Kind dabei selbst, indem es Fragen stelle, so Müller, der gleichzeitig mit dem Mythos aufräumt, dass ein aufgeklärtes Kind auch gleichzeitig frühreifer ist und womöglich früher seine Unschuld verliert. Aber: „Wenn ich von meinen Eltern nicht informiert werde, hole ich meine Informationen woanders“, sagt der Therapeut und liefert dazu auch ein plastisches Beispiel: „Wenn ich nie Süßigkeiten bekomme, wird der Reiz, diese Süßigkeiten zu essen, automatisch größer.“

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Auch deshalb sei es wichtig, über Sexualität zu sprechen, unverkrampft und offen. Das sei auch während der Corona-Krise wichtig. Diese Extremsituation habe schließlich Auswirkungen auf das Sexual- und Liebesleben, vor allem gehe es da aber jetzt um Nähe und Rückzugsräume, so Carsten Müller, der diese Themen auch im regelmäßigen Podcast „Liebe, Sex und Co.“ mit TV-Moderatorin Milka Loff Fernandes bespricht, die mit ihrer Familie in Amsterdam lebt.

„Ist lustig: Milka sitzt in Amsterdam, unser Produzent in Köln und ich in Duisburg“, sagt Carsten Müller und lacht.