Moers. Die Gruppe ist aus den Stadtwerken Moers und Neukirchen-Vluyn entstanden. Grüne Energie ist wichtig. Werbepartner ist ein bekanntes TV-Gesicht.

Den 20. Geburtstag hatte sich der Dienstleister Enni anders vorgestellt. Die Coronakrise wirkt sich auf das Unternehmen aus Moers am Niederrhein aus. Dass es dennoch Grund für Optimismus gibt, berichtet Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender Stefan Krämer im NRZ-Interview mit Thomas Wittenschläger und Matthias Alfringhaus.

Die Enni wird 20. Was ist dabei ihr erster Gedanke?

Stefan Krämer: Enni ist nun groß und erwachsen, dabei weiter neugierig, voller Tatendrang und unternehmungslustig, wie eine junge Zwanzigjährige. Die Marke hat eine tolle Entwicklung gemacht und verkörpert heute mehr als nur das Energiegeschäft der Anfänge. Sie steht auch für ein breites Infrastruktur-, Dienstleistungs- und Freizeitangebot am Niederrhein. Wir sind alle motiviert, die Marke weiter für eine ganze Region zu entwickeln.

Was sind für Sie die Meilensteine in der Entwicklung der ehemaligen Stadtwerke?

Die Fusion zweier Stadtwerke ist bis heute bundesweit nur ganz selten gelungen. Es war ein mutiger Schritt der Lokalpolitik, sich dabei von der starken Marke Stadtwerke zu trennen – ein Meilenstein für die Region. Enni stellt sich seither erfolgreich gegen den seinerzeit für Stadtwerke prognostizierten Schrumpfkurs und nutzt mit einer auf Wachstum zielenden Strategie seit 2003 die Chancen des liberalisierten Energiemarktes. Mit Blick zurück haben die Maßnahmen gefruchtet. Die größten Etappenziele sind die Entwicklung vom reinen Netz- und Vertriebsunternehmen zum Energieproduzenten mit starkem regenerativem Fokus, der Einstieg in den bundesweiten Energievertrieb und die Gründung einer kommunalen Infrastrukturgruppe unter dem Markendach. Mittlerweile ist Enni zudem Telekommunikationsanbieter. Der Entwicklungsschritt zum Regionalversorger gelang durch die Beteiligung der Gelsenwasser AG am Unternehmen und der damit verbundenen Übernahme der Gasnetze in Rheinberg und Uedem.

Im September 2017 konnten Besucherinnen und Besucher den neuen Windpark in Moers besuchen.
Im September 2017 konnten Besucherinnen und Besucher den neuen Windpark in Moers besuchen. © Ulla Michels

Die Enni Energie & Umwelt ist wirtschaftlich äußerst erfolgreich. Woran liegt das?

In der Tat konnten wir in den zwei Jahrzehnten für unsere Region Millionenbeträge erwirtschaften und den Wert des Unternehmens für die Gesellschafter von seinerzeit 60 auf aktuell rund 260 Millionen Euro steigern. Wir haben uns trotz ungünstiger Rahmenbedingungen eines anziehenden Wettbewerbs und einer negativen demografischen Entwicklung zur Jahrtausendwende nicht eingeigelt, sondern unsere, in den ersten Jahren entwickelte Wachstumsstrategie bis heute konsequent umgesetzt. Dabei half über die vielen Jahre hinweg die vertrauensvolle und sehr sachorientierte Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsrat, der Geschäftsführung und den Betriebsräten. Und letztendlich hatten wir das Glück, auf ein sehr veränderungsbereites Team setzen zu können, das an neuen Aufgaben wuchs. Die Kombination aus kommunalen und privaten Gesellschaftern als der aus meiner Sicht überlegenen Unternehmensform für Stadtwerke tat ihr Übriges und schuf die notwendige Balance zwischen Bürgerinteressen einerseits und notwendiger Prozesseffizienz und wirtschaftlichem Denken andererseits.

Wie sehen Sie die Zukunft der Windenergie?

Die Windenergie ist eine wichtige Säule der Energiewende, ihr Anteil am deutschen Stromaufkommen liegt heute bereits bei etwa 15 Prozent. Der Ausbau ist wegen fehlender Flächen und zunehmender Proteste von Anwohnern und Umweltverbänden mit Diskussionen um Mindestabstände aber ins Stocken geraten. Wenn die Windenergie nicht wieder erstarkt, werden wir in Deutschland das Ziel einer regenerativen Erzeugungsquote von 65 Prozent in 2030 aus meiner Sicht verfehlen. Da wir als Enni die Energiewende weiter mit nach vorne treiben wollen, priorisieren wir neben unserer Beteiligung am im Bau befindlichen Offshore-Windpark Borkum derzeit Photovoltaikprojekte. Von denen liegen für uns am Niederrhein mehrere in Reichweite.

Der Solarpark in Moers-Vinn wude im Herbst 2019 eröffnet.
Der Solarpark in Moers-Vinn wude im Herbst 2019 eröffnet. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Seit einiger Zeit gibt es für die einzelnen Enni-Unternehmensteile einen steuerlichen Querverbund. Was bringt das für die Enni und für die Gesellschafter?

Wie der Name schon andeutet, ist dies ein reines Steuermodell. Über den sogenannten steuerlichen Querverbund verzeichnet die Enni Stadt & Service seit 2015 eine jährliche Steuerersparnis von 1,8 Millionen Euro. Das führt zu einer höheren Ergebnisausschüttung und einer Entlastung des Moerser Haushaltes. Die Finanzbehörde hat dabei genehmigt, dass die Gewinne der Energietochter mit Verlusten der Bäderbereiche ertragsteuerlich verrechnet werden. Auch hier hat es sich für die Stadt gelohnt, Bereiche unter das Markendach der Enni auszugliedern.

Wie entwickeln sich die Gebühren in den nächsten Jahren?

Neben unseren zahlreichen auf die Unternehmensergebnisse einzahlenden Wachstumsthemen, agieren wir in allen Enni-Unternehmen kostenbewusst und unterziehen uns hier einer dauerhaften Konsolidierung. Dennoch dürfte die Energiewende mit den beschlossenen Atom- und Kohleausstiegen Strom und Gas dauerhaft verteuern. In der Abfallentsorgung sieht es für Moerser besser aus. Hier wird es ab 2021 deutlich günstiger und Gebühren bleiben dann in den nachfolgenden Jahren voraussichtlich stabil. Im Bereich von Schmutz- und Regenwasser belastet uns die 2015 durch uns marode übernommene Moerser Infrastruktur, die wir zukunftsfähig aufstellen müssen. Kapitalkosten werden so wegen erheblicher, jedoch dringend notwendiger Investitionen tendenziell steigen. Hier ist es unser Ziel, den Anstieg durch interne Verbesserungsmaßnahmen zumindest anteilig zu kompensieren. Letztlich bleiben Gebühren für die Straßenreinigung mit Ausnahme eines eventuellen Inflationsausgleichs voraussichtlich stabil. Strenge Winter könnten auf die Kosten des Winterdienstes wirken.

TV-Größe Detlef „Deffi“ Steves aus Moers wirbt für die Enni.  
TV-Größe Detlef „Deffi“ Steves aus Moers wirbt für die Enni.   © foto:jpm.de

Enni Energie & Umwelt steht für „grüne“ Energie, für Millionen, mit denen Bäder und Eishalle bezahlt werden, für Millionen für die Gesellschafter, also für gute Nachrichten. Enni Stadt & Service ist zum erheblichen Teil „Schwarzbrot“, Baustellen, überquellende Mülleimer in der Fußgängerzone, teure Friedhofsgebühren, Müllgebühren – beide sind Enni. Wie gehen Sie damit als Chef von allen Unternehmensteilen um?

Die Unternehmensgruppe ist eine Chance für die Region, auf deren Konstrukt mit der Bündelung hoheitlicher und im Markt befindlicher Aufgaben wir von vielen Kommunen angesprochen werden. Denn eine derartige Infrastrukturgruppe mit der Möglichkeit zur Steuerung der kommunalen Infrastruktur aus einer Hand unter einem Markendach bietet den Bürgern und der Kommune viele Vorteile. Mit dem Bau einer neuen Unternehmenszentrale wollen wir die sich bietende Chance nutzen, alle Bereiche an einem Standort zusammenzuziehen, an dem heute noch kulturell unterschiedliche Einheiten mit rund 600 Mitarbeitern zusammenwachsen sollen. Das ist eine wichtige Aufgabe im dritten Markenjahrzehnt. Dabei wollen wir die Marke noch einmal relaunchen und dann als umfassende Infrastrukturgruppe mit einheitlichem Auftritt mit allen Angeboten in die Region wachsen.

Deffi Steves gewinnt im persönlichen Umgang, aber öffentlich polarisiert er auch. War die Entscheidung, ihn als „Enni-Gesicht“ zu verpflichten, richtig, falls ja, woran können Sie das festmachen?

Deffi ist als bekennender Moerser ein guter Typ, mit dem wir einen authentischen Werbepartner mit bundesweiter Strahlkraft haben. Die Zusammenarbeit ist positiv und wir stehen dazu. Klar polarisieren Menschen wie Deffi. Er spricht aber viele Zielgruppen positiv an, nicht nur junge. Wichtig bei engen Budgets: Unsere Marktforschung zeigt, dass unsere Kampagnen seit Deffi besser wahrgenommen werden.

Im Sommer 2017 öffnete das Enni-Freibad Solimare.
Im Sommer 2017 öffnete das Enni-Freibad Solimare. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Sie haben einmal als Ziel ausgegeben, dass Enni die Hälfte ihres verkauften Stroms selbst produzieren soll. Ist das Ziel erreicht? Wie groß ist der Anteil regenerativer Energien an der selbst produzierten Menge? Wie geht es hier weiter? Warum ist ein so hoher Anteil wichtig für den Unternehmenserfolg?

Der Einstieg in die Stromproduktion mit dem Fokus auf regenerative Projekte gehört untrennbar zur Erfolgsgeschichte der Enni. Hier erwirtschaften wir attraktive Renditen und gelten zumindest am Niederrhein mittlerweile als ein Treiber der Energiewende. So beinhaltet unser Erzeugungsportfolio die gesamte Palette regenerativer Stromproduktion über Solar, Wind oder Biomasse. Auch weil die Menschen am Niederrhein unsere Projekte stets unterstützt haben, liegt unser grün erzeugter Stromanteil mit über 60 Prozent des in Moers und Neukirchen-Vluyn benötigten Stroms schon weit über unserem Ursprungsziel. Bürger erwarten, dass wir hier weiter vorangehen. Es gibt bereits einige konkrete Projekte, mit denen wir unsere führende Marktposition in der ökologischen Stromproduktion wirtschaftlich und mit positiven Effekten für den Klimaschutz weiter ausbauen.

Enni E & U verkauft außerhalb seines Stammgebietes mehr Strom als innerhalb. Haben Sie sich hier ein Ziel gesetzt?

Auch ohne Billiganbieter zu sein, wollen wir bundesweit monatlich rund 1000 Kunden, also jährlich über 10.000 Privatkunden neu gewinnen. Hier liegen wir 2020 bislang auf Kurs. Kunden müssen für uns aber immer wirtschaftlich sein – mit uns wird es keine Dumpingangebote unter Einstandspreisen geben.

Baustellen, wie hier am Jostenhof, gehören auch zum Enni-Geschäft. 2015 hat das Unternehmen das teils marode Kanalnetz der Stadt übernommen.
Baustellen, wie hier am Jostenhof, gehören auch zum Enni-Geschäft. 2015 hat das Unternehmen das teils marode Kanalnetz der Stadt übernommen. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

Wird Enni weitere Windräder bauen?

Wenn es die Chance gibt, werden wir zuschlagen. Wir suchen immer nach geeigneten Flächen. In der Region sehen wir außer einer Beteiligung an einem bestehenden Windpark aktuell aber keine Möglichkeit. Bundesweit wollen wir uns in Kürze an einer neuen Gesellschaft des Trianel-Stadtwerkeverbundes beteiligen, die bundesweit regenerative Projekte umsetzt und hier bereits Optionen auf Flächen für Windprojekte hat.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Enni?

Die Situation ist für viele Bereiche des täglichen Lebens eine Katastrophe. Die Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeiter ist natürlich das höchste Gut. Deswegen haben wir in diesen schweren Tagen den persönlichen Kundenkontakt vernünftigerweise weitgehend eingestellt, Kundenzentren, Bäder oder auch den Kreislaufwirtschaftshof geschlossen. Serviceangebote gibt es aber weiter über den Postweg, das Telefon oder das Internet. In unserem Kundenportal verzeichnen wir derzeit großen Zulauf, da Kunden hier viele Themen von zuhause regeln können. Wirtschaftlich trifft es Branchen wie die Gastronomie, den Tourismus, das produzierende Gewerbe und auch viele Einzelhändler in unseren Städten härter als uns. Da kommen wir derzeit noch glimpflich weg, unsere Existenz ist nicht gefährdet. Spurlos geht das Virus aber auch an uns nicht vorbei. Wir haben großen organisatorischen Aufwand, müssen viele Aufgaben doppelt besetzen, um unsere Kunden und die Bürger weiter sicher und zuverlässig zu bedienen. Auch bei uns fallen zudem Einnahmen weg, etwa in Sport- und Freizeiteinrichtungen oder am Kreislaufwirtschaftshof, und es drohen uns möglicherweise Forderungsausfälle. Nicht zuletzt könnten langfristig für Bürger ausfallende Dienstleistungen auch an unserem Image rütteln. Wir gehen daher beispielsweise derzeit an und über unsere Grenzen, um die Versorgung unserer Kunden mit Strom, Gas und Wasser und kommunale Services wie die Abfallentsorgung oder Bestattungen auf unseren Friedhöfen unter allen Umständen aufrecht zu halten.