Moers. Das Kinderstück des Schlosstheaters Moers „Die Reise nach Brasilien“ ist vieldeutig. Da verschwimmt das Hier und Dort schon mal.

An der Eingangstüre des katholischen Jugendheims in Meerbeck war es voll. Viele Leute blieben verblüfft stehen, als sie in den Saal blickten. Ein roter Teppich war ausgerollt. Entlang des Teppichs zierten Topfpflanzen den Weg zur Bühne. Nein, hier handelt es sich nicht um die Preisverleihung für die schönste Topfpflanze. Vielmehr diente der rote Teppich als Startbahn in eine fantastische Geschichte.

Charms schrieb Kinderstücke, um der Zensur zu entgehen

Die Reise nach Brasilien scheint etwas komplizierter zu werden.
Die Reise nach Brasilien scheint etwas komplizierter zu werden. © STM | Bettina Engel-Albustin / fotoagentur ruhr moers

Es war ein besonderes Theatererlebnis, zu dem das Schlosstheater Moers (STM) am Sonntag einlud. Das junge Schlosstheaterensemble hat sich das Stück „Die Reise nach Brasilien“ vorgeknöpft. Das Stück stammt aus der Feder des russischen Schriftstellers Daniil Charms. Um der stalinistischen Zensur zu entgehen, schrieb Charms Kinderliteratur. Ein Reiz der Umsetzung lag für das junge STM in Charms Vielfältigkeit begründet: Während seine Geschichten für Kinder ulkig wirken, lässt er für Erwachsene auch die Schreckensseiten der Geschichte durchklingen.

Regisseurin von „Elisa und die Schwäne“

Zum wiederholten Male kam Regisseurin Catharina Fillers ans STM. Im vergangenen Jahr war ihre Inszenierung „Elisa und die Schwäne“ zu sehen. Auch diesmal überzeugte ihre Inszenierung auf ganzer Linie.

Viola Köster schrieb die Dramaturgie, Jan Lammert sorgte für die Musik und Regina Rösing gestaltete ein einzigartiges Bühnenbild.

Als sich der Vorhang hebt, sitzen zwei semmelblonde Herren im Partnerlook vorm Publikum. Sie singen russische Volkslieder, tanzen dazu in der Hocke.

Mit Musik geht alles besser…
Mit Musik geht alles besser… © Schlosstheater | Bettina Engel-Albustin / fotoagentur ruhr moers

Ausgerüstet mit Wanderstiefeln, Uniform und russischer Fellmütze beschließt Kolja (Patrick Dollas): „Ich fahre nach Brasilien.“ Freund Petja (Roman Mucha) will ihm nicht glauben: „Wie soll das gehen?“ Ganz einfach: Die beiden gehen zum Flugplatz.

Das Publikum sitzt den Schauspielern zum Greifen nah – und muss manches mal vor fliegenden Flugzeugen in Deckung gehen: „Ich bin ein sowjetisches Flugzeug“, ruft Petja. Kolja springt von der Bühne und reicht den Kindern rote Flaggen, mit denen sie die Flugzeuge lotsen.

Wo hier ist, und wo dort

Mit zwei Leitern auf der Schulter düsen die tollpatschigen Freunde umher. Prompt machen sie drei Ventilatoren an. Schließlich muss der Antrieb stimmen. „Hier war vorher dort und dort war vorher hier“, stellen die beiden fest, als sie im Land ihrer Träume landen. Petja deutet auf die Zuschauer: „Die wohnen hier. Man muss mit ihnen rückwärts sprechen.“

Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur soviel: Zwischen Vogelgezwitscher, Lametta, fliegenden Kissen und Sehnsuchtsferne staunen die kleinen und großen Theaterbesucher um die Wette. Die großartige Leistung der beiden Schauspieler Dollas und Mucha wurde am Sonntag mit riesigem Applaus belohnt. Fazit: Absolut sehenswert.

Nächster öffentlicher Spieltermin: Sonntag, 8. Dezember, um 15 Uhr im katholischen Jugendheim St. Barbara, Lindenstraße 38 . Danach gibt es bis 5. März 2020 regelmäßige, buchbare Vormittagsvorstellungen für Gruppen. Infos: www.schlosstheater-moers.de