Moers. „Die Mutter aller Fragen oder 25 Rollen, die eine Frau niemals spielen sollte“ feiert Uraufführung in Moers – und punktet mit frechen Ideen.

Ausgerechnet Schauspieler Matthias Heße (gespielt von Matthias Heße!) versemmelt bei den Proben immer wieder seinen Auftaktmonolog. Ein gefundenes Fressen für die beiden Regisseurinnen (Lena Entezami und Elisa Reining): „Der hat sich nicht im Griff. Wenn Du mich fragst, ist wieder irgendetwas mit seinen Kindern ...“. Das ist nur eine von vielen ins Gegenteil verkehrten Rollen, mit denen Regisseurin und Autorin Susanne Zaun in ihrem Stück „Die Mutter aller Fragen oder 25 Rollen, die eine Frau niemals spielen sollte“ das Geschlechterverhältnis in der Theaterwelt in Frage – und damit zur Diskussion – stellt. Am Mittwoch wurde das Stück im Moerser Schlosstheater uraufgeführt.

Was fangen Theatermacher von heute mit der klassischen Theaterliteratur an, in dem Frauen zumeist auf die Rolle der Geliebten oder Vertrauten, der Mutter oder der Tochter reduziert werden und in der Regel am Ende sterben oder wahnsinnig werden? Zur ersten amüsanten Bestandsaufnahme lässt Zaun Hamlets Mutter Gertrude den Bechdel-Test anwenden.

Der besteht aus genau drei Fragen: 1. Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? 2. Sprechen sie miteinander? 3. Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann? Schon bei der zweiten Frage ist Schluss: „Wenn wir überhaupt reden, reden wir über Hamlet oder Polonius“, beklagt sich Gertrude bei Ophelia. Dabei würde sie auf der Bühne so gerne auch mal mit Ophelia selbst reden. Aber: „Wir geben nur Stichworte ...“ . Ihr Fazit: „Wir haben nie gelernt, zu sprechen.“ Goethes Faust besteht den Test so gerade eben, weil sich Gretchen mit ihrer Nachbarin über Schmuck unterhält.

Schauspielerin Elisa Reining hat einen Wunsch

Die Krux: Diese Frauenrollen lassen sich trotz aller Aufklärung offenbar nicht gänzlich entzaubern. Im Gegenteil: Elisa Reining erntet Szenenapplaus, als sie ihren Wunsch offenbart, einmal in Moers die Lady Macbeth zu geben und eine zunächst komisch angelegte, und dann hinreißend leidenschaftliche Bewerbung abliefert: „Wenn es Ihnen gefallen hat, schreiben Sie eine Mail an den Intendanten...“.

Mit ständigen Rollen- und Perspektivwechseln dreht Susanne Zaun in ihrem als Collage angelegten Stück temporeich nicht nur das Bühnenkarussell immer wieder vor und zurück, sondern wirft außerdem einen Blick auf Machtverhältnisse im Theaterapparat. Dabei wird auch vor der eigenen Haustüre gekehrt, wenn sie Heße zur berühmt-berüchtigten Inszenierung der „Bacchantinnen“ von Holk Freytag 1979 kommentieren lässt: „Die Bacchantinnen als Peep-Show – das fanden nicht alle Kolleginnen toll.“

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Lena Entezami, Matthias Heße und Elisa Reining hüpfen in der Inszenierung von Rolle zu Rolle, baden genüsslich in Rollenklischees, loten Untiefen aus und spielen mit viel Selbstironie und rohen Zwiebeln für die Tränen „Schauspieler“.

Was also tun mit diesen 25 Rollen, die eine Frau niemals spielen sollte? Weg damit? „Ich würde nicht gerne noch einmal von vorne anfangen, sondern neu,“ sagt Lena Entezami gegen Ende des Stückes. Aber wie?

Die nächsten Aufführungen: 2., 15. und 17. November, 20., 21. und 31. Dezember (jeweils 19.30 Uhr) im Schloss. Karten: www.schlosstheater-moers.de