Kamp-Lintfort. Theologe Dr. Peter Hahnen leitet in Kamp-Lintfort Trauerseminare. Er wünscht sich, dass es auch in Deutschland möglich wäre, Asche zu verstreuen.
Der Leiter des Geistlichen und Kulturellen Zentrums Kloster Kamp, Dr. Peter Hahnen, bietet dort gemeinsam mit Trauerbegleiterin Anni Klein regelmäßig Seminare für Trauernde an. Im Interview sprechen wir mit ihm über den Friedhof als Ort der Trauer und Wege, Trauer zu bewältigen.
Im Herbst stehen die Totengedenktage an. Für viele ein Anlass, den Friedhof aufzusuchen. Wie wichtig ist der Friedhof als ein Ort der Trauer?
Hahnen: Das ist ganz unterschiedlich. Meine Patentante ist gerade gestorben. Wir waren erstaunt, als ihr Sohn uns mitteilte, sie wolle eine Seebestattung. Ein Friedhof kann als Ort des Gedenkens enorm wichtig sein. Das kann allerdings auch ein anderer Ort sein, eben die Nordsee. Dann stellt man sich an die Küste.
Oft ist es hilfreich, einen Ort zu haben, wo man mit seiner Trauer hingehört. Ein Effekt kann nämlich sein: Wenn ich diesen Ort wieder verlasse, ist es auch erst mal wieder „gut“ mit der Trauer. Trauer, das erlebe ich häufig in unseren Seminaren, kann Menschen verfolgen wie ein wilder Hund.
Sie haben es gerade angeschnitten – unsere Bestattungskultur ist im Wandel. Oft werden die Gräber nicht mehr selbst gepflegt, immer mehr Menschen lassen sich anonym bestatten. Was sagt das über unsere Trauerkultur?
Es sagt zunächst etwas über unsere Gesellschaft. Gemeinschaften werden kleiner, Bindungen werden loser. Damit schwinden die Verbindlichkeit und das Ausmaß an Engagement für eine Grabstätte. Die Liebe aber schwindet nicht.
Wichtig ist also, dass wir auf dem Friedhof für neue Bestattungsformen wie etwa die anonyme Beisetzung oder auch für den Wunsch, mit der Schöpfung zu verschmelzen, gute Formen finden. Wenn wir es nicht tun, tut es der Markt. Besser ist, Kirchen und Kommunen überlegen, wie man diesen Wünschen eine gute Form gibt. Wie zum Beispiel das neue Urnenfeld auf dem Kamper Friedhof. Das ist baulich schön, es passt zum alten Friedhof und ist künstlerisch ansprechend. Auch das Kolumbarium in Kamp-Lintforts früherer Barbarakirche wäre hier zu nennen. Der Kirchenraum bekommt eine sinnvolle Nutzung.
Von solchen Lösungen wünschen Sie sich mehr?
Ja. Ich würde mir auch wünschen, dass es in Deutschland die Möglichkeit geben könnte, an klar definierten Orten in der Natur Asche zu verstreuen. Auf Texel gibt es das zum Beispiel auf einem herrlichen Heideareal an den Dünen. Ich sehe keine guten Grund, das zu ideologisieren, solange es eine geschmackvolle Form bekommt.
Wird Trauer heute verdrängt?
Nein, das ist zu kurz gesprungen. Viele sind allein und möchten nicht, dass andere belastet werden. Gerade Beisetzungen sind ein Business. Und dann zu sagen ich sorge vor, ich möchte, dass der Aufwand nachher möglichst gering ist, das ist verständlich. Jeder trauert anders. Es gibt kein Schema, auch keine Vorschriften, ob man den Friedhof regelmäßig aufsucht. Das ist auch bisweilen Teil der Last, mit der Leute zu uns kommen. Weil sie glauben, man erwarte gewisse Dinge von ihnen. Ich halte es da mit Lessing: „Kein Mensch muss müssen“ steht in „Nathan der Weise“.
Man kann heute auch im Internet trauern ...
Auf dem Abiturtreffen erfuhren wir, dass ein Schulfreund in England verstorben war. Keiner weiß, wo er beerdigt ist. Zu ihm gibt es nur im Internet eine kleine Seite. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dann gehe ich eben dahin und zünde das virtuelle Kerzchen an.
Wie helfen Sie Menschen, mit ihrer Trauer klar zu kommen?
Auf verschiedene Weise. Zunächst einmal, indem wir ihnen einen geschützten Raum bieten, wo sie erzählen können. Meist entsteht in den Gruppen schnell ein vertraulicher Umgang miteinander. Indem man von anderen hört, wie es ihnen ergangen ist, und erlebt, dass es nicht nur mir allein schwerfällt, die Trauer zu bewältigen, kann man sich öffnen und erfährt Solidarität. Das ist oft ein erster Schlüssel.
Im Laufe der Sitzungen geben wir dann aber auch Theorie-Inputs, zum Beispiel über Trauerphasen. Wir stellen hilfreiche Bilder vor, um das Erleben einzuordnen. Sachliche Informationen und ästhetischen Zugänge helfen, Gefühle, die jemanden oft überwältigen oder sogar bedrohen, zu bearbeiten.
Passiert das auch schon mal, dass Sie nicht helfen können?
Ja, wir sind keine Therapeuten und keine Zauberer. Zur Anmeldung gehört ein Kontaktgespräch. Wenn wir da den Eindruck gewinnen, dass jemand professionelle Hilfe benötigt, machen wir dafür konkrete Vorschläge.
Das aktuelle Trauerseminar ist ausgebucht, das nächste wird voraussichtlich im März 2020 starten.