Moers. Eveline Klesz hatte keine Freude mehr am Leben, weil die Schmerzen so stark waren. Das Schmerzzentrum St. Josef konnte helfen – auch mit Cannabis.

Eveline Klesz wusste vor Schmerzen nicht mehr ein noch aus. Sie leidet seit langem an einer schlimmen Verkrümmung der Wirbelsäule, auch Skoliose genannt. „Keiner konnte mir mehr helfen.“ Was noch hinzukam: „Wenn man über viele Jahre so starke Schmerzen hat, hat man keine Freude mehr am Leben.“ Seit sie 2011 zum Schmerz- und Palliativzentrum St. Josef kam, ist das anders geworden. Die Lebensfreude kehrte zurück. Dies dank neuster Schmerztherapien. Dazu gehört neben der Behandlung mit Opioiden auch die Gabe von Cannabis.

Seit 2017 gibt es das Gesetz, dass Cannabis in der Medizin verschrieben werden darf. Der Chefarzt des Schmerz- und Palliativzentrums St. Josef Moers, Norbert Schürmann, auch Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und laut Fokus einer der Top-Schmerzmediziner in Deutschland, schrieb schon kurze Zeit später zusammen mit Dr. Johannes Horlemann aus Kevelaer hierzu die Leitlinien für die Mediziner in Deutschland. „Sie sollen den Ärzten eine Richtschnur für den Einsatz von Cannabis geben. Noch bis 2022 dauert eine Studie dazu an“, berichtet Norbert Schürmann.

Fachmann: Der medizinische Einsatz von Cannabis wirkt positiv

Was der Laie über Cannabis weiß, trifft auf den medizinischen Einsatz der Pflanze allerdings nicht zu: „Wenn man Cannabis als Gras raucht, wirkt es 140-mal stärker als als Tablette oder als Öl. Es kommt beim Rauchen zu einer Wirkungsspitze, die wir hier nicht haben wollen“, stellt der Mediziner richtig. So bekomme Eveline Klesz denn auch eine lang anhaltende Tablette täglich. „Diese Gabe wirkt sich im Zusammenhang mit den anderen Schmerzmitteln sehr positiv aus“, erklärt Schürmann.

Wer so starke Schmerzen habe wie Frau Klesz, brauche vor allem auch Medikamente aus dem Bereich der Opioide. „Sie werden eingesetzt, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind“, unterstreicht Schürmann. Und: „Sie sind inzwischen viel besser als ihr Ruf.“

Auch hier setze man auf einen umsichtigen Einsatz sowie auf eine lang anhaltende Wirkung. „Eine Tablette wirkt etwa 24 Stunden.“ Der Patient leide dabei nicht unter Schwindel oder Benommenheit. „Er erfährt Schmerzlinderung und bekommt Lebensqualität zurück. Viele Schmerzpatienten leben ja isoliert.“

In den USA gibt es Probleme mit falsch angewendeten Opiaten

Zudem könne der Kranke auch innerhalb von 14 Tagen wieder vom Wirkstoff zurückgeführt werden. „Medikamente auf Opiumbasis schädigen weder Nieren, Leber, Herz noch Kreislauf und bewirken auch keine Magen- oder Darmgeschwüre“, erläutert der Fachmann. Dies ganz im Gegensatz zu den frei verkäuflichen Mitteln wie beispielsweise Ibuprofen oder Diclophenac. „Schlimme Nebenwirkungen sind die Krux an diesen Medikamenten.“

In den USA habe man tatsächlich ein Problem mit falsch angewendeten Opiaten. „Weil die wenigsten Menschen krankenversichert sind, schickt man die Patienten nach einer OP ins Hotel und gibt ihnen Oxycodon mit, ein Mittel auf Opiumbasis. Nach einer Woche seien die meisten Patienten angefixt und wollen mehr. Etliche griffen später zu Heroin. Das ist in Amerika zu einem landesweiten Suchtproblem geworden.“ Hierzulande gebe es Oxycodon höchstens ein bis zwei Tage unter stationärer Aufsicht und das auch nur nach schweren Eingriffen wie nach dem Einsetzen von Kniegelenkprothesen.

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Viele Patienten mit starken Schmerzen litten auch an Appetitlosigkeit und Untergewicht und zudem an Depressionen, weiß der Fachmann. „Depression und Schmerz liegen im Hirn eng beieinander.“

Dank des umsichtigen Einsatzes von Schmerzmitteln und Cannabis unter stetiger ärztlicher Kontrolle kann Eveline Klesz inzwischen ihren Alltag wieder bewältigen. Sie erinnert sich: „Ich konnte damals meinen krummen Rücken im Spiegel nicht mehr sehen. Ich hatte zu all den Schmerzen auch Depressionen“, erinnert sie sich. „Heute geht es mit gut. Ich habe sogar wieder Appetit“, freut sie sich.