Moers. Drei ehemalige und der aktuelle Residenz-Improviser traten über Pfingsten auf. Das Festival öffnet Zuhörern neue Fenster, sagt Emilio Gordoa.
Bis vor wenigen Monaten hatten die Männer aus der Kafana im Belgrader Stadtviertel Dorcol noch nie vom Moers Festival gehört. Für seine „Gypsy-Musiker“, wie der ehemalige Moerser Improviser Hayden Chisholm die Mitglieder seiner Band DK Heroes nennt, sei das hier „eine völlig andere Welt.“ Aber wenn es einen Ort gebe, wo genau diese Band bestehen könne, dann sei es Moers, sagt der Weltreisende in Sachen Musik, denn: „Hier gibt es offene, ehrliche und liebevolle Zuschauer, die das zu schätzen wissen.“
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Chisholm hat Recht behalten. Dem Publikum gefallen die DK Heroes mit ihrer mit Jazz-Schnipseln angereicherten Weltmusik. Dass wenig später Vince Mendoza mit der WDR-Big Band, der Musikfabrik NRW und Saxofonist Joshua Redman ein fast klinisches Musterstück des improvisierten Jazz abliefert, gefällt vielen Zuschauern in der Halle gemessen am Applaus noch besser, anderen nicht. Die fühlen sich erst wieder in Moers, als direkt im Anschluss das japanische Duo Akaten mit Reißverschluss, Rettich, Schere und Eierschneider musiziert.
Solokonzert im Bürgermeisterbüro
In Chisholms Kafana, einem weißen Zelt am Rande des Händlermarkts, schaut am Sonntagmittag auch der Moerser Bürgermeister Christoph Fleischhauer vorbei und trinkt mit dem ehemaligen Improviser einen Schnaps auf das gelungene Konzert in der Halle. Am Tag zuvor hat der neuseeländische Saxofonist unter anderem ein Solokonzert in Fleischhauers Büro im Rathaus gespielt. „Das war auch fantastisch“, sagt Chisholm. Überhaupt scheint Chisholm auf diesem Festival omnipräsent zu sein: Beim Konzert im Friseurladen, auf der Dorfplatz-Bühne mit „The Balkan Realbook“ oder aber mit Saxofon auf dem Piano-Mobil durch die Stadt rollend.
„So politisch, wie’s geht“
Angelika Niescier war die erste der mittlerweile elf Improviser, die für ein Jahr in Moers leben und arbeiten und den Moersern improvisierte Musik nahe bringen. Sie steht am Sonntag nach den Japanern vom Duo Akaten mit ihrem New York Trio und den Trondheim Voices auf der Hallen-Bühne. Der Panzer auf der Bühne, der während des Auftritts von Redman und der WDR Big Band mit schwarzem Tuch abgedeckt war, erstrahlt wieder in ganzer Größe.
Wie politisch das Moers Festival sein kann, sein soll? „So politisch wie’s geht“, sagt die Musikerin, die zwischen Köln „und der Welt“ pendelt: „Die Zeit des Elfenbeinturms ist für uns Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker vorbei. Jetzt müssen wir mitmachen, manchmal mit Sound, mit einer Ansage oder einem Programm.“
Nicht der Elite verpflichtet
Nicht nur Chisholm und Niescier, auch Ex-Improviser Josephine Bode und ihr Nachfolger Emilio Gordoa performen auf der großen Bühne. Bode mit Peter Evans, Atsushi Tsuyama und Tatsuya Yoshida, Gordoa mit seinem Move-Quintet. Im letzten Jahr habe er noch nicht richtig verstanden, was „Moers“ ist, sagt Gordoa. Für ihn sei Moers ein „Stadtfestival“, ein Festival, das nicht der Elite verpflichtet sei. Es öffne ein Fenster für Leute, die nicht wissen, was improvisierte Musik ist: „Es ist eine wunderbare Situation, hier zu spielen.“ Und das nicht nur auf der großen Bühne.