Moers/Düsseldorf. . Nach dem Tod einer Frau durch ein mutmaßliches Autorennen hat die Polizei zwei Verdächtige ermittelt. Sogar eine Mordanklage ist möglich.
Nach dem mutmaßlichen Autorennen mit tödlichem Ausgang in Moers findet NRW-Innenminister Herbert Reul deutliche Worte: „Die Straßen Nordrhein-Westfalens sind keine Rennstrecken und sollten keine Schauplätze für Selbstinszenierung sein. Hier gelten Regeln und Rücksicht“, mahnte der CDU-Politiker gegenüber dieser Redaktion. Wer das nicht respektiere, dem müssten Konsequenzen aufgezeigt werden, so Reul weiter.
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2018 zählte die Polizei landesweit 474 illegale Kfz-Rennen mit 70 Unfällen, von denen drei tödlich endeten. Allein im ersten Quartal 2019 registrierten die Beamten in NRW 106 Rennen mit elf Unfällen. Im Fall der getöteten 43-Jährigen in Moers ermittelt eine Mordkommission. Polizei und Staatsanwaltschaft suchen jetzt nach zwei Verdächtigen, die als Fahrer in Betracht kommen.
Zum Tatort: Die Bismarckstraße ist eine schnurgerade Durchgangsstraße. Sie führt mitten durch die alte Bergarbeitersiedlung im Stadtteil Meerbeck. Beim Einbiegen war hier am Ostermontag gegen 21.50 Uhr eine Frau in ein mutmaßliches Autorennen geraten, ein Mercedes AMG sauste neben einen Range Rover die Straße entlang und rammte den Citroen der 43-Jährigen.
Der Schock bei den Anwohnern sitzt tief
Die Frau hatte mit ihrer Familie seit den 90er Jahren in der Siedlung gewohnt. Nachdem sie am Donnerstag an ihren schweren Verletzungen verstorben war, ist die Betroffenheit groß.
„Ich wünsche den Angehörigen viel Kraft in diesen schweren Tagen. Ich hoffe, dass diese Tat schnell aufgeklärt wird und die Verursacher zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der Moerser Bürgermeister Christoph Fleischhauer der NRZ. Und auch bei den Anwohnern sitzt der Schock tief: Zuerst dieser Krach. Sofort habe sie den Rettungswagen gerufen. Sei rausgerannt zu dem Auto: Die Frau hatte Schmerzen. „Ich bin sehr traurig, nur wegen der Jungen ist diese Frau gestorben“, sagt Esra Aktas.
Eine Mordkommission der Polizei Duisburg arbeitet unter Hochdruck an eben dieser Aufklärung.
DNA-Spuren und Autotechnik werden untersucht
Nach dem verhängnisvollen Zusammenstoß war der unbekannte Fahrer des Mercedes laut Zeugen ausgestiegen und weggehumpelt. Sein Auto soll auf der Gegenfahrbahn unterwegs gewesen sein. Der ebenfalls unbekannte Fahrer des Range Rover fuhr einfach davon.
Mittlerweile steht fest: Die beiden aus Duisburg stammenden Halter von Mercedes und Range Rover saßen nicht am Steuer. Sie waren zunächst festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Es sei inzwischen klar, erklärte Polizeisprecherin Jacqueline Grahl, dass die Halter der Wagen nicht gefahren sind.
Bei der Suche nach denjenigen, die tatsächlich zum Zeitpunkt des Unfalls am Steuer gesessen haben, soll es Hinweise auf zwei Verdächtige geben. „Wir haben Hinweise auf die Identität, aber wir haben sie noch nicht finden können. Wir suchen sie“, sagte Oberstaatsanwalt Neifer. Die Polizei setzt zudem auf Beschreibungen von Zeugen, etwa zu dem humpelnden Mercedes Fahrer. Allerdings konnte ein Mann mit einer Beinverletzung bislang nicht ermittelt werden.
Gleichwohl hoffen die Ermittler auf weitere Aussagen, beispielsweise von der Fahrerin eines Kleinwagens, die unmittelbar vor dem Unglück hinter dem Range Rover gefahren und bei der schwerstverletzten 43-Jährigen Erste Hilfe geleistet haben soll. Sie hat sich noch nicht bei der Polizei gemeldet.
Darüber hinaus wird das Unfallfahrzeug auf DNA-Spuren untersucht. Einen weiteren Hinweis erhoffen sich die Ermittler von der Technik des Unfallautos. Es werde versucht zu rekonstruieren, welches Handy via Bluetooth eingeloggt war, erläutert Polizeisprecherin Grahl. „Es war ja ein neueres Auto. Die haben das in der Regel.“
Polizeigewerkschaft fordert Mittel der Abschreckung
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Tötungsdeliktes. Eine Anklage wegen Mordes komme dann in Betracht, so Oberstaatsanwalt Günter Neifer, wenn man einem Beteiligten nachweisen kann, dass er bei einem illegalen Autorennen den Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen habe.
Auch das Mordmerkmal „Verwendung von gemeingefährlichen Mitteln“ – in diesem Fall das Auto – müsste erfüllt sein. Die juristische Bewertung stehe aber am Ende der Ermittlungen und sei das Ergebnis einer Gesamtschau.
„Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, unterlassene Hilfeleistung bis hin zu Mord: In sollen Fällen greift die ganze Palette des Strafrechts“, sagt Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wichtig sei, dass die Justiz ihre Möglichkeiten nutze: „Hier geht es um Abschreckung“, betonte Mertens gegenüber der NRZ: Bei solchen Rennen habe man es typischerweise mit „testosteronfehlgesteuerten“ Männer jüngeren und mittleren Alters zu tun: „Die definieren ihre Männlichkeit über PS.“
Gewerkschaft: Verkehrsdienstbraucht Personal
Der verhängnisvolle Crash in Moers-Meerbeck und Zahlen aus der Polizeistatistik zeigen einmal mehr, welche Gefahr von solchen Rennen für Unbeteiligte ausgeht. „Um die Szene und ihre Rennen in den Griff zu bekommen benötigt die Polizei Personal und Technik“, erklärt Mertens. Rennen müssten – etwa über Videographie – gerichtsfest dokumentiert werden.
Mertens verweist auf das Beispiel Köln. Dort habe die Polizei nach drei tödlichen Vorfällen im Jahr eine Sondertruppe gebildet – „die Zahlen sind dort runtergegangen.“ Eine solche Sondereinheit lässt sich freilich nicht überall auf die Beine stellen. Terrorgefahr und der Kampf gegen Clan-Kriminalität oder auch gegen Wohnungseinbrecher binden viele Kräfte, die aus verschiedenen Bereichen der Polizei zusammengezogen werden. „Im Verkehrsdienst sind da große personelle Löcher gerissen worden“, klagt Mertens. (mit dpa)