Moers. . 27. Januar: Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Unser Gast-Autor vertraut auf das Engagement der Menschen für die Demokratie.
Ich habe Auschwitz in mein Navigationssystem eingegeben. Es zeigt mir 904 km Luftlinie an, oder als schnellste Route 1067 km in 10 Stunden und 20 Minuten. Das ist ganz schön weit weg. Und doch beginnt es historisch direkt in unserer Stadt; mit der Entrechtung, Vertreibung und Ermordung unserer Nachbarn; mit dem eigenen Wegducken, Wegschauen oder gar der Beteiligung Vieler.
Wenn wir Jahr für Jahr am 27. Januar an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945 erinnern, dann sind 74 Jahre auch zeitlich ganz schön weit weg. Andererseits kommt es uns häufig viel näher als es uns lieb ist, und dies gerade in Zeiten, in denen vieles, was lange als selbstverständlich erschien, nicht mehr selbstverständlich ist. Hass auf anders Denkende, anders Glaubende, anders Aussehende bricht sich Bahn.
Dies geschieht in der vermeintlichen Anonymität sozialer Medien, aber auch in aller Öffentlichkeit. Die Grundlagen der demokratischen Gesellschaft scheinen ins Wanken zu geraten. Antisemitismus tarnt sich als Israelkritik. Hakenkreuze auch in Moers sollen glauben lassen, dass der nationalistische Ungeist zurück ist und die Herzen der Menschen wieder so vergiften kann, wie es ihm schon einmal gelungen ist.
Dank an viele Engagierte
Ich glaube jedoch nicht daran, auch und gerade nicht für Moers und seine umgebenden Städte. Denn ich vertraue darauf, dass das Engagement der vielen Einzelnen und Initiativen der vergangenen Jahrzehnte ein Fundament gelegt hat, auf das man bauen kann. Ich danke daher allen Schülerinnen und Schülern, die zum Beispiel durch ihre Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von Auschwitzfahrten gelernt haben, was auf dem Spiel steht. Ich danke dem Partnerschaftsverein Moers – Ramla für die Beständigkeit von 30 Jahren der Begegnung. Ich danke allen, die sich im Privaten, in der Schule, in den Medien, im Betrieb, in der Disco, der Bahn, der Kirche, der Moschee, im Sportverein und auf der Straße dem Hass entgegenstellen. Ich danke allen, die durch die Unterstützung der Verlegung von Stolpersteinen auch in Moers dafür sorgen, dass individuelle Schicksale nicht in Vergessenheit geraten, sondern vor Ort in Erinnerung bleiben und weiter recherchiert werden. Ich danke den Lokalredaktionen für ihre beharrliche und kritische Berichterstattung. Ich danke den Gewerkschaften und den demokratischen Parteien. Ich danke dem Bollwerk 107, das mit seinen Angeboten ein wirkliches Bollwerk gegen den Extremismus ist. Ich danke der Polizei für ihren herausfordernden Dienst. Ich danke dem Schlosstheater, dem Grafschafter Museum, dem bunten Tisch, dem Moers Festival, dem Comedy Art Festival und vielen Weiteren.
Wir sind wirklich mehr
Wir sind wirklich mehr. Wir lassen uns unsere freiheitliche Gesellschaft nicht zerstören. Wir bleiben wach. Wir bleiben engagiert. Wir freuen uns über alle, die uns in unserem Engagement unterstützen möchten. Es bleibt viel zu tun. Engagiert euch mit uns. Kommt zu unseren Veranstaltungen. Diskutiert mit.
Wir können euch und eure Ideen gut gebrauchen. Unsere demokratische Gesellschaft ist es wert. Das macht uns der 27. Januar jedes Jahr neu deutlich.
>>> INFO
Der Autor unseres Gastbeitrages ist in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Moers der evangelische Vorsitzende. Wer mehr über die Gesellschaft und ihre Arbeit erfahren möchte: www.gcjz-moers.de.
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist 1987 gegründet worden und engagiert sich für den christlich-jüdischen Dialog. Gabriele Wyrwala, die katholische Vorsitzende: „Zum Selbstverständnis gehört die Verpflichtung, angesichts der verbrecherischen Gräueltaten des nationalsozialistischen Unrechtsstaates am europäischen Judentum, der Opfer zu gedenken, sich aber auch für ein erneuertes Miteinander von Juden und Christen zu engagieren.“
Dieses versucht die Gesellschaft durch Vortrags- und Musikveranstaltungen, Ausstellungen, Stadt- und Friedhofsführungen, Studientagungen und Fahrten zu Gedenkstätten. Da Besuche ehemaliger Moerserinnen und Moerser leider nicht mehr stattfinden, ist eine neue Ausdruckform des Gedenkens neben der Gedenkfeier am Mahnmal am 9. November seit 2013 die Verlegung von Stolpersteinen. Auch in diesem Jahr werden wieder Stolpersteine verlegt.