Moers. . Mit den Maßnahmen aus dem Hause Spahn sollen Altenpflege-Mitarbeiter entlastet werden. In Moers sind Verbesserungen jedoch noch nicht erkennbar.
Immer mehr Arbeit für immer weniger Mitarbeiter: Die Arbeitsverdichtung ist eines der großen Themen unserer Arbeitswelt. Das wird auch in der Altenpflege deutlich, wie ein Besuch im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Schwafheim deutlich macht. Die Verbesserungen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht hat, haben den Weg bis nach Moers-Schwafheim offenbar noch nicht gefunden.
Rückblick: Im Frühjahr 2018 war die NRZ schon einmal im größten Awo-Seniorenzentrum am linken Niederrhein zu Gast. „Der Dienstplan bestimmt die Freizeit“ war die Überschrift. Einrichtungsleiter Rolf Gabriel, Hajo Schneider (Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Awo-Seniorendienste am Niederrhein und SPD-Ratsherr) und die beiden Altenpflegerinnen Edeltraud Altenschmidt und Mila Fioretti haben der Redaktion ihre Sicht der Dinge geschildert. Damals wie heute gilt: Es geht hier nicht um das Seniorenzentrum Schwafheim, denn viele Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland kämpfen mit ähnlichen Problemen.
Am 9. November vergangenen Jahres hat der Deutsche Bundestag das Sofortprogramm Pflege beschlossen. Unter anderem sollen 13.000 zusätzliche Stelle die allgemeine Belastung senken und dafür sorgen, dass am Ende mehr Zeit bleibt für die Begleitung von Senioren. Genau das sollte den Beruf der Altenpflege ja ausmachen. „Bei uns hat sich die Personalsituation im Vergleich zum Frühjahr nicht wesentlich verbessert“, sagt Einrichtungsleiter Rolf Gabriel. Der Fachkräftemangel mache sich nachhaltig bemerkbar. Zudem würden jetzt vermehrt Krankenhäuser examinierte Kräfte abwerben, etwa für Dauerbeatmungen. Gabriel: „Wir wollen das eigentlich nicht, aber wir müssen weiterhin auf Personaldienstleister zurückgreifen.“
Provisionen bis in den vierstelligen Bereich
Das allerdings kommt die Einrichtung oft teurer zu stehen, als selbst Mitarbeiter einzustellen. Für die Personalvermittlung würden, so Gabriel, nicht selten hohe Provisionen fällig, bis in den vierstelligen Bereich. Sollte der Mitarbeiter eines Personaldienstleisters später in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden, werde noch einmal eine Ablöse-Summe fällig. Rolf Gabriel: „Der Arbeitsmarkt ist leer.“
Auch nach Meinung von Betriebsrat und Gewerkschaftler Hajo Schneider ist die Belastung der Mitarbeiter seit dem NRZ-Besuch im Frühjahr 2018 noch einmal stark angestiegen. Aus seiner Sicht sind gesetzliche Bemessungsgrenzen für Personal dringend erforderlich. Erst dann würde sich ein angemessener Personalschlüssel entwickeln lassen. Dass diese Bemessungsgrenzen kommen, zeichne sich zurzeit allerdings nicht ab.
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass Gabriel und Schneider den bundesweit 13.000 neuen Stellen mit leicht gebremster Euphorie entgegensehen. Zwei Stellen könnte es zusätzlich geben für das Seniorenheim in Schwafheim – besser als nichts. Im Tagesgeschäft sieht das allerdings nüchterner aus. Zwei bis drei Minuten mehr pro Tag pro Bewohner mache das aus, sagt Schneider. Wann die Bewohner und die Belegschaft die neuen Mitarbeiter begrüßen dürfen, ist nicht klar. Rolf Gabriel: „Ich möchte dringend besetzen, warte aber auf die Ausführungsbestimmungen.“
„Es bleibt wenig Zeit für die Menschen“
Auch für die Altenpflegerin Mila Fioretti hat sich nicht viel geändert, seitdem die NRZ im Frühjahr 2018 zu Besuch war. „Es bleibt wenig Zeit für die Menschen“, sagt sie.
Wo ist die Lösung? Wo ist der Ausweg? Natürlich hoffen viele, dass das Sofortprogramm Pflege schnell greift. Zum Beispiel sollen die Altenpfleger bei den zeitraubenden Dokumentationen entlastet werden. Ob das Programm aber der große Wurf ist: Daran haben viele Zweifel. Rolf Gabriel wünscht sich: „Die Arbeitsbedingungen müssten so verändert werden, dass Mitarbeiter nicht schon nach kurzer Zeit an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit ankommen.“