Neukirchen-Vluyn. . Seit 26 Jahren fährt Heribert Hölz nach Bosnien. Früher hat er Lebensmittel und ganze Operationssäle hingebracht. Heute gibt es andere Aktionen.
Heribert Hölz ist das Gesicht der Bosnienhilfe. Seit Jahrzehnten engagiert sich der Neukirchen-Vluyner für die Menschen in Bosnien. Unterstützt wird er von seiner Frau Ursula. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann sprach mit ihm über seinen Einsatz und die Frage, was für ihn wichtig ist.
Herr Hölz, Sie fahren jetzt seit über zwanzig Jahren regelmäßig nach Bosnien …
.. seit 26 Jahren…
… und Sie sind jetzt mittlerweile 76 Jahre alt. Ist nun nicht mal auch irgendwann Schluss damit für Sie?
Schluss wird sein, wenn ich nicht mehr kann. Aber so lange ich das kann, mache ich das. Das kann morgen zu Ende sein. Wenn – was Gott verhüten möge – ich morgen einen Schlaganfall bekomme, dann ist das zu Ende. Das kann aber auch noch drei, vier, fünf Jahre dauern.
Was treibt Sie an?
Erstens, mir geht es gut, ich habe alles, was ich brauche. Um das mal so zu sagen, ich habe mein Leben gelebt, bin 76 Jahre alt. Und ich werde immer wieder konfrontiert mit Menschen, in Bosnien, auf dem Balkan, die das zum Leben Notwendige nicht haben, und die keine Aussicht haben, dass sich das in absehbarer Zeit ändert. Dann sage ich: Gib ab. Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass ich christlich orientiert bin. Und wenn man als Christ glaubwürdig sein will, dann muss man Menschen helfen, die Hilfe brauchen. Das sehe ich immer wieder, und das ist etwas, was mich antreibt.
Was hat sich im Laufe der letzten 26 Jahre geändert an Ihrer Hilfe?
Eine einschneidende Situation war, als ich Ende 2013 im Josef Krankenhaus lag und eine schwierige Operation über mich ergehen lassen musste. Was dann zur Folge hatte, dass wir keine Lkw mit Sachspenden, insbesondere Lebensmitteln, mehr laden konnten. Wir mussten uns von Sachspenden, was ja wirklich fast 20 Jahre ganz oben anstand, verabschieden. Wir haben ja nicht nur Lebensmittel geladen. Wir haben auch ganze Operationssäle, Fahrräder, Möbel, Bekleidung, alles, was man sich so denken kann, geladen. Das ging dann nicht mehr. Jetzt geht es „nur noch“ um Geld. Da habe ich schon gedacht, ob das jetzt wohl geht. Ich bin aber sehr überrascht, dass das funktioniert. Ich mache sehr viel Öffentlichkeitsarbeit. Die Leute wissen: Der Herr Hölz, der fährt da immer hin. Das geht nicht irgendwie auf ein dubioses Konto. Das kommt an. Das ist ganz wichtig.
Was immer noch läuft, ist das Schafprojekt.
Das Projekt habe ich schon sehr lange. Aber sehr intensiviert, als wir keine Sachspenden mehr nach Bosnien bringen konnten. Ich hatte sehr viele Kontakte, auch zu Kindern, zu Kindergärten und zu Schulen. Was man Kindern gut vermitteln kann, bei Lebensmitteln: Wenn Leute arm sind und sich das Essen nicht selbst besorgen können, muss man denen das besorgen. Bei Schafen ist es schwierig, Kindergartenkindern beizubringen, dass das auch eine Hilfe ist. Ich bin sehr überrascht, wie gut das nach wie vor läuft, wie viele Leute sich davon ansprechen lassen und vor allem wie viele Kinder sich davon ansprechen lassen. Ich habe ihnen aber auch ein Bonbon mit überreicht, indem ich sage: „Wenn Ihr es schafft, ein Schaf zusammenzusparen, dann habt Ihr auch die Möglichkeit, Eurem gespendeten Schaf einen Namen zu geben.“
Erinnern Sie sich, wie das erste Schaf hieß?
Nein, das weiß ich jetzt auswendig nicht. Ich weiß nur, dass es sehr ausgefallene Namen gab, Lilli, Anastasia oder auch ganz einfach Pascha. Aber es lassen sich auch viele Leute davon anrühren, wenn es zum Beispiel Großeltern sind, geben die dem Schaf den Namen ihres Enkelkindes. Das kommt sehr häufig vor.
Warum Schafe und keine Hühner?
Schafe sind eine etwas intensivere Hilfe zur Selbsthilfe. Es sind ja in der Regel Kleinbauern, die ich damit beglücke, die sind damit aufgewachsen. Wenn ich Schafe habe, dann habe ich immer Milch. Dann habe ich immer Brotaufstrich. Dann habe ich immer Käse. Selbstverständlich habe ich dann auch immer Wolle. Da denkt man vielleicht beim Schaf zuerst dran. Aber es geht ja zuerst darum, überleben zu können. Ich weiß, dass es mit den Schafen nicht die absolute Hilfe ist, die man unabhängig von weiterer Hilfe gibt. Aber es ist eine sehr intensive anfängliche Hilfe zur Selbsthilfe.
Wie viele Schafe haben Sie schon kaufen können?
Ich habe leider am Anfang nicht so genau Buch geführt. Ich schätze, dass ich bisher in Bosnien etwa 250 Schafe gekauft habe.
Eine kleine Herde.
Ein Schaf kostet 130 Euro, ein Schafbock kostet 150 Euro. Wenn man das hochrechnet, ist das eine nicht zu unterschätzende Hilfe. Aber das ist nicht die alleinige Hilfe, die wir in Bosnien leisten. Wir haben noch andere Hilfsmaßnahmen. Auf der anderen Seite muss ich sagen, die Situation ist in Bosnien davon gekennzeichnet, dass es stagniert. Das heißt, realistisch gesehen wird sich das in absehbarer Zeit nicht ändern. Da sind wir ein Rettungsanker. Wir sind sicherlich nicht die einzigen. Aber man kann sich denken, das sind nur noch ganz wenige.
Wann fahren Sie das nächste Mal?
Ende März, spätestens Anfang April. Auf jeden Fall vor Ostern. Um die Dinge weiterzuführen. Ich habe eine Reihe Aktionen und Projekte, die ich unterstütze. 30.000 Euro für eine Suppenküche in Senica zum Beispiel. Eine Stadt von immerhin 130.000 Einwohnern und einer Arbeitslosigkeit um die 70 Prozent, das kann man ja gar nicht verstehen. Wenn das bei uns so wäre am Niederrhein, wäre das Tag und Nacht ein Thema. Da unten spricht keiner drüber. Von dem Geld bezahlen wir zwei Köchinnen und einen Fahrer, der das Essen rund bringt. Mit dem Geld finanzieren wir zurzeit 121 Essen pro Tag. Das klingt wie Peanuts, aber dafür braucht man so viel Geld. Da ich in Bosnien gut vernetzt bin, bekomme ich viele E-Mails mit Bitten um Hilfen, die kann ich gar nicht alle erfüllen. Meine Möglichkeiten sind natürlich begrenzt.
Was ist Ihnen denn besonders wichtig?
Besonders wichtig ist mir die Jugend, dafür setze ich mich sehr ein. Die Schüler und jene, die eine Ausbildung machen, möglicherweise noch ein Studium anhängen. Aber ich muss sagen, wenn sie die Schule verlassen haben und dann versuchen zu studieren – die, die eben können, verlassen das Land. Kinder brauchen eine gute Ausbildung. Wer weiß, wie das Leben bei ihnen läuft. Die haben das ganze Leben ja noch vor sich. Zurzeit ist das schwierig. In Sarajevo kenne ich eine ganze Reihe Leute, die ein Studium haben, aber keine Stelle. Die sind froh, wenn sie irgendwo in einer Kneipe in Sarajevo kellnern können. Das ist hoffnungslos fast. Das ist ganz, ganz schwer.