Moers. . Die Kultkneipe Röhre wird 50 – da werden Erinnerungen wach. Die NRZ hat zum runden Geburtstag mit Besuchern der ersten Stunde gesprochen.

Mit einer Reihe von Veranstaltungen feierte die Röhre, Moers jazzige Kultkneipe, vergangene Woche ihren 50. Geburtstag. Während am Donnerstag, dem eigentlichen Geburtstag, alte Freunde und Freundinnen ein Wiedersehen feierten, konnten am Freitag ältere Semester unter den Stammgästen ihre musikalischen Erinnerungen auffrischen.

Von 22 bis 3 Uhr legten Jabbel & Hahnel die Platten aus den 70ern auf, die damals rauf und runter liefen. Kurz zur Historie: Um mit Gleichgesinnten einen Raum für politische Diskussionen und angesagte Musik zu haben, mieteten Burkhard Hennen, Reiner Lindemann und Poncho Schuhmacher im Frühjahr 1968 für 800 DM pro Jahr die leer stehende Lagerhalle einer ehemaligen Hutfabrik an der Weygoldstraße. Am 11. Oktober 1968 machten sie dort mit einem Kredit eine Musik- und Kulturkneipe auf.

Der schlauchartige Grundriss war namensgebend

Sie nannten das Lokal wegen seines schlauchartigen Grundrisses „Die Röhre“. Diese wurde schnell beliebter Treffpunkt der Moerser Gymnasiasten und anderer Jugendlicher, denen die Moerser Kneipenszene zu spießig war.

Gastwirt Claudius Albustin vor der Gaststätte Röhre
Gastwirt Claudius Albustin vor der Gaststätte Röhre © Erwin Pottgiesser

Nicht nur, weil man dort frei und ungezwungen diskutieren konnte, sondern vor allem, weil statt der üblichen Schlager moderne Musik, vorzugsweise Jazz, gespielt wurde. In der schummrigen Röhre und im Keller darunter fanden bis zu 300 Veranstaltungen aller Art im Jahr statt.

An bekannten Künstlern traten unter anderem Kraftwerk, Hanns Dieter Hüsch, Franz Josef Degenhardt, Dieter Süverkrüp und Max von der Grün auf: „Ich habe da zum ersten Mal The Doors gehört, zwar nur von der Schallplatte, aber immerhin“, schwärmt Maria Skora-Gewinner noch heute. Den konservativen Moerser Bürgern war die unkonventionelle Kneipe jedoch von Beginn an ein Dorn im Auge. Insbesondere Bürgermeister Albin Neuse, Nachbar von gegenüber, fühlte sich offenbar in seiner Nachtruhe gestört und soll alles versucht haben, um den Laden zu schließen.

„Wir waren damals so etwas wie die APO in Moers“

Zum Glück vergeblich: „Es war schon eine wilde Zeit. Wir waren damals so etwas wie die APO in Moers“, erinnert sich ein Gast, der die Anfänge noch aus eigener Erfahrung kennt. „Man konnte ohne Bedenken alleine hingehen. Zwar hatte man oft Stress mit den Eltern, aber die Jungens waren nett und die Musik war Spitze“, denkt auch Trixi Hausmann liebevoll an eine Zeit „ohne jede Vorurteile“ zurück.

„Hier haben wir einen Großteil unserer Jugend verbracht. Für mich war die Röhre wie ein öffentliches Zuhause“, bestätigt Volker Kulle, der heute in Düsseldorf lebt. Nach unvergessenen Pächterinnen und Wirten wie – um nur zwei zu nennen: Doris Stangier und Markus Brinkmann – übernahm 2007 Claudius Albustin die Röhre und damit die Aufgabe, Kultur und Kneipe zu verbinden. Unter seiner Leitung ist sie heute so lebendig wie eh und je, eine große Palette von Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Theaterevents sorgt dafür. Zusammen mit der Röhre sind auch die früheren Stammgäste inzwischen gereift und ruhiger geworden.