Moers. . Alzheimergesellschaft und Grafschafter Museum starten Projekt. Demenzkranke und Angehörige gehen auf eine gemeinsame Reise in die Vergangenheit.

„Zwei kleine Italiener...“ tönt in der aktuellen Ausstellung „Gelato!“ im Grafschafter Museum die Stimme des 60iger-Jahre Schlagerstars Conny Froeboess aus dem Lautsprecher. Elisabeth Rietz wippt auf ihrem Stuhl, lacht und singt sofort begeistert mit. Die an Demenz erkrankte 94-Jährige ist eine von 17 Teilnehmern eines ungewöhnlichen Pilotprojekts, das die Alzheimergesellschaft jetzt gemeinsam mit dem Grafschafter Museum gestartet hat. Unter dem Titel „Mit Kulturgeschichte in die Gegenwart“ sollen Demenzbetroffene und ihre Angehörigen sich mit Hilfe von Ausstellungsobjekten im Grafschafter Museum gemeinsam erinnern und abseits vom Alltagsstress eine schöne Zeit miteinander verbringen.

Kunstpädagogin Sigrid Nickel-Bronner hatte die Idee zu diesem Projekt und entwickelte das Konzept. „Gefühlserleben spielt bei Demenzerkrankten eine ganz große Rolle“, so Nickel-Bronner, die auch als Kunsttherapeutin arbeitet. Erinnerungen, die über Sinne zu erleben sind, standen daher ebenfalls zum Projektauftakt am Donnerstag im Mittelpunkt.

Der Geruch von Schokoladeneis

Wie riecht noch mal Schokoladeneis, welcher ist mein Lieblingseisbecher und welche Eisdielen gab es früher in Moers? Für Elisabeth Rietz war der Vormittag im Schloss ein spannender Ausflug in ihre Vergangenheit. „Die alten Sachen haben mir gut gefallen, da hat man ja noch einen Teil von mitgekriegt“, sagt die Bewohnerin des Awo-Seniorenheimes Schwafheim. Auch ihre Begleiterinnen, Sonja Wawrosch und Lenka Dsjuba, sind angetan: „Das ist zeitlich angemessen und thematisch eng gefasst“, lobt Wawrosch das Konzept.

Albert Sturtz von der Alzheimergesellschaft Moers-Niederrhein e.V. rannte bei der Vorbereitung des Projektes offene Türen ein. Auch das Interesse der Betroffenen war groß – „allein durchs Hörensagen war es ausgebucht“, so Sturtz. Der Demenzberater sieht mit dem Projekt auch für Angehörige die Chance, „die Mutter oder den Partner einmal wieder ganz anders im Alltag zu erleben“.

Kein normaler Museumsbesuch

Diana Finkele, Leiterin des Grafschafter Museums, hält den gewählten Ansatz für richtig: „Wir erleben in unserem beruflichen Alltag hier immer wieder, dass Objekte Erinnerungen hervorrufen. Hier können wir jetzt über das hinausgehen, was der ,normale’ Museumsbesucher erlebt.“ Dass kulturhistorische Museen wie das Grafschafter Museum solche Projekte anböten, sei immer noch eher selten.

Für die nächsten Treffen plant Sigrid Nickel-Bronner unter anderem Ausflüge in den alten Kaufmannsladen und in die Puppenstube unterm Dach.

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Geplant ist der Projektauftakt mit fünf Treffen im Museum. Zum Abschluss wird es am 12. Dezember im Schloss unter dem Titel „Auf alten Spuren zu neuen Wegen“ eine Fachtagung geben, zu der die Teilnehmer ebenso wie Museumspädagogen und Alltagsbegleiter von Demenzerkrankten eingeladen werden.

Wenn Finanzierung und Rahmenbedingungen weiter gewährleistet seien, wäre es durchaus vorstellbar, das Projekt weiter fortzusetzen, sagen Sigrid Nikkel-Bronner und Albert Sturtz. Zunächst solle aber in dieser ersten Phase getestet werden, ob das Konzept „greifen kann“, so Stortz.