Kamp-Lintfort. . Vorsitzender der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition im Interview über das Zentrum für Bergbautradition und das Ende des Steinkohlebergbaus.
Das Innere des denkmalgeschützten Pumpenhauses an der Friedrich-Heinrich-Allee sieht noch nach jeder Menge Arbeit aus. Wenn alles glatt geht, soll hier zeitgleich zur Landesgartenschau 2020 der Startschuss für das Infozentrum des neuen Zentrums für Bergbautradition fallen. Den Betrieb wird dann federführend die Fördergemeinschaft für Bergmannstradition stemmen – ehrenamtlich. Norbert Ballhaus, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Moers und davor selbst lange Jahre als Markscheider auf dem Bergwerk West tätig, ist seit Anfang des Jahres Vorsitzender der Fördergemeinschaft. Wir haben ihn nach den neuen Herausforderungen seines Vereins gefragt.
Ein multimedial gestaltetes Infozentrum im Pumpenhaus, Führungen im Lehrstollen, im Haus des Bergmanns und auf den Zechenturm. Und die Fördergemeinschaft soll – mit Hilfe der Stadt Kamp-Lintfort – ehrenamtlich dafür sorgen, dass das Angebot läuft. Wie kann das funktionieren?
Ballhaus: Von der Mitgliederstärke sind wir eigentlich ganz gut dabei – 620 Mitglieder aktuell. Nun muss man wissen, dass in so einem Verein immer eine gewisse Zahl der Menschen aktiv dabei ist, andere tragen das Ganze als eher passive Mitglieder. Mit unseren beiden Aufgaben, die bergmännische Tradition zu bewahren und eben auch zu dokumentieren, haben wir schon eine Menge geleistet. Das, was 2020 auf uns zukommt, ist natürlich nicht der Normalzustand. Das Normale ist, das Haus des Bergmanns mit etwa 700 Besuchern jährlich und den Lehrstollen mit etwa 3000 Besuchern jährlich zu betreiben. Das kriegen wir aus eigener Kraft hin.
2020 sieht das anders aus. Bis dahin werden wir uns personell verstärken müssen. Wir werden benachbarte Vereine bitten, uns zu unterstützen. Aber das alleine wird wohl auch nicht reichen – deshalb an dieser Stelle ein kleiner Werbeblock (siehe angehängter Kasten, Anm. d. R.ed.) Unser Mindestjahresbeitrag beträgt 13 Euro. Aber auch, wer nicht direkt Vereinsmitglied werden möchte, kann während der Laga helfen. Alle Helfer sind herzlich willkommen.
Mit wieviel Personal für die Landesgartenschau kalkulieren Sie denn im Moment?
Unser Kernteam besteht aktuell aus 30 Helfern. Wenn man diese Zahl verdoppeln könnte, wären wir sicher in der Lage, einen täglichen Einsatz hier zu garantieren.
Viele Mitglieder der Fördergemeinschaft sind nicht mehr die Jüngsten. Wie wird die Aufgabe in späteren Jahren gemeistert werden können? Gibt es genügend Nachwuchs?
Ballhaus: Die Fördergemeinschaft hat genau die gleichen Probleme wie zum Beispiel die Knappenchöre – der Nachwuchs fehlt, das muss man leider sagen. Wir hatten jetzt das Glück, dass wir ein 16- und ein 13-jähriges neues Mitglied haben. Das ist aber eher die Ausnahme. Ich denke, dass wir mit dem neuen Zentrum und der Laga aber auch eine Chance haben, aktiv neue Mitglieder zu werben.
Was für eine Rolle könnte das neue Zentrum für Bergbautradition hier am Niederrhein und im Ruhrgebiet spielen?
Ballhaus: Das wird hier sicher eine Dauer-Anlaufstelle für den Tourismus in der Stadt und in der Region. Grundlage dafür, und das finde ich sehr schön, sind natürlich die Investitionen, die hier reinfließen. Wir sehen das Ganze aber auch als Chance für unseren Verein.
Was bedeutet das für Städte wie Kamp-Lintfort und die Nachbarstädte, noch einmal einen Ort zu haben, an dem man sich mit der Bergbauvergangenheit auseinandersetzen kann?
Ballhaus: Wir sind ja hier nicht isoliert. Wenn ich in die Region schaue, dann sind da zum Beispiel die Bergbausammlung in Rheinhausen. Oder Schacht 4 in Moers, hinter dem der Grafschafter Museums- und Geschichtsverein steht. Die Aufgabe für die Zukunft wird sein, sich thematisch zu konzentrieren, sich gegenseitig zu helfen. Aber in Kamp-Lintfort wird das Zentrum für Bergbautradition der Zukunft am Niederrhein entstehen. Für die Zeit nach der Laga haben mit dem Zentrum ein starkes Fundament.
In diesem Jahr schließt das letzte Kohle-Bergwerk in Deutschland - was wird bleiben?
Ballhaus: Bleiben wird der Kumpel, oder sagen wir das, was man mit diesem Begriff verbindet. Dieses Gefühl. dass man auch unter sehr widrigen Umständen – in Staub, Lärm und Schmutz oder was auch immer – Dinge gemeinsam umsetzen kann. Die Laga wird zeigen, dass das gelingen kann.
Bleiben wird auch das Wissen, dass sich die gesamte Region aus einem kleinen Stückchen Kohle entwickelt hat, das Franz Haniel als Bergbaupionier 1854 aus der Erde geholt hat. Ich möchte, dass auch in 10 oder 15 Jahren die Kinder wissen, was ist eine Kaue, eine Seilfahrt. Also, dass das erlebbar gemacht wird, was Bergbau bedeutet. Und genau das kann hier passieren.
Sie haben selbst viele Jahre als Markscheider hier auf dem Bergwerk West gearbeitet. Sehen Sie das Ende des Bergbaus mit einem weinenden oder einem lachenden Auge?
Ballhaus: Wenn ich jetzt manchmal an den Werksanlagen vorbeifahre – und das passiert derzeit sehr häufig – dann ist schon mal das weinende Auge da. Hier war in Hochzeiten der Arbeitsplatz für 4500 Menschen, ein Arbeitgeber den man in dieser Größenordnung heute gar nicht mehr hat. Auf der anderen Seite entsteht auf dem Gelände gerade viel Neues. Und das ist eine sehr gute Sache.
Wieviele Stunden ehrenamtliche Arbeit werden bis zur Eröffnung des Zentrums zur Landesgartenschau geleistet worden sein?
Ballhaus (lacht): Wir sind gerade dabei, zu zählen. Aber ich will keinen erschrecken. Es wird hart werden, aber das sind Bergleute gewohnt. Außerdem bekommen wir ja auch Hilfe. Allerdings wird es trotzdem heftig – denn mit den avisierten Zahlen von über einer halben Million Besuchern oder vielleicht sogar mehr, damit haben wir natürlich auch keine Erfahrung.
Das wird eine gute Planungsarbeit erfordern. Wir werden hier vor Ort eine Art Schichtmeisterei einrichten. Deshalb ist es auch wichtig, dass unsere Vereinsräume im Schirrhof schnell fertig werden, damit wir rechtzeitig umziehen können.
>>INFO:
„Tradition ist nicht die Asche, die wir bewahren, sondern das Feuer, das wir zum Glühen bringen“ steht auf der Homepage der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition Linker Niederrhein.
Gegründet wurde die Fördergemeinschaft 1987 mit neun Mitgliedern, heute sind es deutlich über 600 Mitglieder. Ihr erklärtes Ziel: Sorge dafür zu tragen, den Bergbau und seine Tradition nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.