Kamp-Lintfort. . Knapp 20 Jahre wohnen Altsiedler mit überdachten Terrassen. Jetzt hat die Stadt Kamp-Lintfort Luftbilder ausgewertet und ahndet nicht nur diese Bauverstöße.

Für Hans Hoffmann und seine Nachbarn sind die überdachten Terrassen ihrer verklinkerten Zechenhäuschen in der Altsiedlung wie ein zweites Wohnzimmer. Hier kann man bei gutem wie bei schlechtem Wetter entspannt zusammensitzen, ein Schwätzchen halten oder ohne Wettersorgen den Grill anschmeißen. Vor knapp 20 Jahren hatten sich jeweils drei Nachbarn gemeinsam zu dieser über Grundstücksgrenzen hinweg gebauten Variante entschieden. Jetzt droht dem nachbarschaftlichen Gartenidyll plötzlich das Aus – weil diese Terrassenüberdachungen laut Stadtverwaltung gegen die geltende Bauordnung verstoßen.

Die Bewohner haben es sich gemütlich gemacht.
Die Bewohner haben es sich gemütlich gemacht.

Vor drei Wochen bekamen Hoffmann und fünf seiner Nachbarn an der Walterstraße Post von der Stadt – mit dem Betreff „Unzulässige Errichtung einer Terrassenüberdachung“. Der Knackpunkt: Die im Bebauungsplan festgeschriebene Baugrenze war damals mit der an das Haus anschließenden Überdachung überschritten worden. „14 Meter wären erlaubt – bei mir sind es 17 Meter“, sagt Hoffmann. Was seinen Nachbarn Horst König auf die Palme bringt: „Wir haben damals beim Bauamt nachgefragt. Da hat man uns gesagt: ,Geht – aber keinen Wintergarten draus machen.“ Schriftlich hat er die Aussage nicht.

Das Gespräch im Rathaus, für das sich die Nachbarn Unterstützung von einem Rechtsanwalt geholt hatten, hat keine Lösung gebracht. Die Frist läuft: Bis November müssen die Bedachungen weg. „Dabei stören sie hier hinten im Garten doch niemanden“, ärgert sich Marcel Fieberg. „Wenn wir die Bedachung abbauen und eine Markise anbringen, müssen wir auch einen Teil der Terrasse neu machen – Geld, das wir eigentlich in unsere Badsanierung stecken wollten.“ Was die Nachbarn zudem nicht verstehen: Wenn sich 20 Jahre lang niemand für ihre Terrassendächer interessiert hat, warum dann jetzt?

Die Auswertung der Bilder geht weiter

Dafür hat Dezernent Martin Notthoff eine Erklärung. Die Stadt hat von der Bezirksregierung Köln zur Verfügung gestellte aktuelle Luftbilder aus 2017 ausgewertet. Auf denen fiel die Baugrenzüberschreitung auf der Walterstraße Mitarbeitern ins Auge. Offenbar nicht nur die: „In der Altsiedlung haben wir derzeit etwa 12, 13 Fälle“, so Notthoff. Und: „Die Auswertung der Bilder geht weiter, es wird niemand verschont.“ Ein solch regelmäßiges Kontrollieren der Bauordnung sei in Kamp-Lintfort erst jetzt möglich. „Vor 20 Jahren gab es solche Luftbilder noch nicht, dann hatten wir eine Zeit lang personelle Schwierigkeiten.“

Dass die Terrassenüberdachungen niemanden störten, sei kein Argument, sagt der Dezernent. Die Nachbarn von der Walterstraße sehen das anders.