Moers. . Schlosstheater-Schauspieler Patrick Dollas hatte zum „Hörsturz“ geladen. Mit einem Abend rund um Rudi Dutschke zwischen Religion und Revolution.

Revolution mit Rotwein und Baguette am Kneipen-Tresen – das hat schon vor 50 Jahren bestens funktioniert. Am Mittwochabend servierte Patrick Dollas beim „Hörsturz“ in der Röhre aber weitaus mehr: „Rudi Dutschke – Erlöser“ hatte der Schauspieler des Schlosstheaters 50 Jahre nach dem Attentat auf den Studentenführer einen spannenden Abend über Revolution und Religion überschrieben.

An der Wand hängt ein Bild von Rosa Luxemburg, die „Internationale“ tönt aus dem Lautsprecher und Gottvater Karl Marx kündigt die Auferstehung seines Sohnes Rudi an. „Sind Arbeiter da?“ fragt Patrick Dollas ins Publikum. Kein Finger hebt sich. „Das war klar“, frotzelt Dollas.

Von Anfang an inszeniert der Schauspieler seine szenische Lesungscollage mit Anleihen aus der Passionsgeschichte als symbolträchtiges Wechselspiel: Da sind die Palmzweige für die Kneipengäste, ein mit Heiligenschein auf ein Kreuz montiertes Dutschke-Foto oder die Suche nach Judas und den 30 Silberlingen. Die Fährte kommt nicht von ungefähr: Nicht nur, dass Dutschke bekennender Christ war, er selbst wurde für viele Zeitgenossen nach dem Attentat zum Mythos, zu einem „Messias“.

Meinhof zu Dutschke: Verlass das Gretchen!

Dabei setzt Dollas genauso treffsicher Seitenhiebe auf das Erbe der 68er. Zum Beispiel wenn Dutschkes Frau Gretchen (Lena Entezami) ihn auffordert: „So, Rudi, und jetzt sagen wir mal was zur Lage der Frau. Was ist unsere Rolle bei eurer Weltrevolution?“ Gehört zur Geschichte, dass Rudi darauf keine Antwort kennt. Noch einmal an diesem Abend lässt Dollas eine Frau den Weg von Dutschke kreuzen: „Verlass das Gretchen und geh mit mir“, fordert Ulrike Meinhof (Lena Entezami) mit gezücktem Revolver ...

Was einen 39-Jährigen dazu bringt, sich mit Rudi Dutschke und dem folgenreichen Attentat auseinanderzusetzen? Für den wie Dutschke ebenfalls in Ostdeutschland geborenen Patrick Dollas begann die Auseinandersetzung mit dem Erbe der 68er, als Gerhard Schröder Kanzler und Joschka Fischer Außenminister waren. Heute empfindet Dollas den Umgang mit der „Ikone“ Dutschke als scheinheilig: „Man hat ihn zu einem ,Poster-Boy’ gemacht.“ So endet der Abend mit einem symbolischen Akt: „Holen wir Rudi vom Kreuz, das hätte er nie gewollt.“