Kamp-Lintfort. . Angelika Golitz war die Leiterin der Hauptschule am Niersenberg – bis heute. Die Schule wird geschlossen. Ihr Konzept war sehr erfolgreich.

  • Die Hauptschule am Niersenberg in Kamp-Lintfort wird heute für immer geschlossen
  • Die letzten 60 Schüler haben ihren Abschluss in der Tasche
  • Schulleiterin Angelika Golitz räumt noch auf und nimmt die Blumen mit – das war’s

So kann es gehen: Als die Vertreter der Stadt und anderer Schulen Angelika Golitz Blumen mitbrachten, war keine Vase mehr da. Aussortiert, weggeworfen, wie so vieles. Denn Angelika Golitz ist Schulleiterin der Hauptschule am Niersenberg. Die ist mit Sommerferienbeginn Geschichte.

Genauso wie die Realschule; die Diesterweg-Hauptschule hat vor zwei Jahren dicht gemacht. Die letzten Schüler machten nun im Niersenbruch den Abschluss. Das alles war so gewollt. Stattdessen gibt es jetzt die Sekundarschule.

Die „kleine Schule im Grünen“

„Ich habe ja selbst an dem Konzept für die Sekundarschule mitgearbeitet“, sagt die Pädagogin, die 15 Jahre an der Wiesenbruchstraße unterrichtet hat. Aber: „Unsere Schüler konnten das kleine System gut gebrauchen, wo jeder jeden kennt. Wo die Tür der Schulleiterin immer offen stand. Das große System wäre für sie nicht so gut gewesen“, ist sie sicher

Die Arbeit der Lehrer machte „die kleine Schule im Grünen“ zuweilen auch leichter: „Unsere Konferenzen dauerten selten lange. Das meiste haben wir direkt im Lehrerzimmer geklärt.“

Das letzte Jahr war recht einsam

Es war absehbar, das letzte Jahr recht einsam, und doch: Schmerzlich seien die letzten Tage schon gewesen, sagt Golitz. Wo noch zwei Wochen zuvor die letzten 60 Schüler in drei Klassen Gebäude und Schulhof Leben einhauchten, herrscht jetzt gespenstische Stille. Leere Regale. Das Lehrerzimmer verwaist bis auf eine einsame Tube Handcreme. Das Schlüsselbrett leer. Homepage – gekündigt. Stühle hochgestellt – für immer.

Stühle hoch – für immer.
Stühle hoch – für immer.

Einige Schüler haben in den vergangenen Tagen sogar noch selbst mitangefasst beim Aufräumen und Aussortieren.

Ein bisschen Wehmut

„Vor allem, als mir unsere Konzepte in die Hände fielen, war es schwer, die wegzuwerfen. Nichtsitzenbleiber-Konzept, Migranten-, Integrations-, sozialpädagogisches Konzept. Da steckte Arbeit von Wochen und Monaten drin“, blickt die Schulleiterin wehmütig zurück.

Offensichtlich war die Arbeit von Erfolg gekrönt. Denn obwohl seit sechs Jahren klar war, dass die Schule auslaufen wird, gab es stets genügend Anmeldungen. Zum Tag der offenen Tür habe sie immer alle Grundschulen auf einmal eingeladen. Anfangs, weil sie fürchtete, sonst komme ja keiner.

Mehr Deutsch und Mathe unterrichtet als vorgesehen

Und ja, die Vorurteile über das System Hauptschule habe ihre Einrichtung nicht nur einmal über den Haufen geworfen: „Hier ist ja gar keine Schlägerei“, wunderten sich Eltern. Die Grundschüler staunten: „Hier wird ja ganz normaler Unterricht gemacht.“

Und zwar mit einem Schwerpunkt: „Wir haben mehr Deutsch und Mathe unterrichtet als vorgesehen und bei anderen Fächern gekürzt. Wir wollten, dass unsere Kinder gut vorbereitet in die Arbeitswelt gehen können.“

Vorbereitung auf die Arbeitswelt

Obwohl die heutzutage auch bei Hauptschülern immer seltener direkt anschließt. Die meisten machen an einem Berufskolleg weiter. „Nicht, weil die Ausbildungs-Stellen fehlen, sondern ich glaube, die jungen Leute fürchten die Entscheidung über ihre Zukunft.

Das System Schule kennen sie“, vermutet die Pädagogin mit den Fächern Mathe und Bio. Ihre schönste Erinnerung an die Zeit in Kamp-Lintfort: „Die letzte Klassenfahrt ins Allgäu. Da hatten wir ein ganzes Haus für uns, Schnee und knatschblauen Himmel.“

Das war’s.
Das war’s. © Markus Joosten

Wenn Angelika Golitz am letzten Schultag die Türen abschließt, wird sie auch diese Entscheidung getroffen haben: „Hier stehen noch vier Aktenordner mit allen möglichen Passwörtern. Was mach ich nur damit?“, grübelte sie noch Tage vorher. Und die Blumen nimmt sie mit nach Hause.