Moers. . Beratungsstellen verzeichnen einen Anstieg der Betroffenenzahlen. Für Familien sind die Schulden aber oft nur Teil eines Gesamtproblems.

  • Beratungsstellen in Moers,Vluyn, Kamp-Lintfort und Rheinberg verzeichnen Anstieg der Betroffenenzahlen
  • Die Gründe sind meist Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eine Scheidung
  • Oft sind Schulden nur Teil eines Gesamtproblems

Oft herrscht die schiere Verzweiflung, wenn Menschen sich an die Schuldnerberatung der Diakonie wenden. „Ich erinnere mich an eine Familie, die hatte rein gar nichts mehr. Sie hat tatsächlich erst die ganze Kühltruhe leergemacht, bis sie sich endlich bei uns Hilfe holte“, schildert Gerhard Duda von der Schuldnerberatung der Diakonie in Moers.

Schuldner – ein schlimmes Wort für Menschen, die unverschuldet in finanzielle Nöte geraten sind. Auch bei der Diakonie mit ihren Beratungsstellen in Moers, Vluyn, Kamp-Lintfort und Rheinberg verzeichnet man einen Anstieg der Betroffenenzahlen. „Allein im letzten Jahr gab es 270 neue Fälle von Ratsuchenden.“ Und: „Die meisten schämen sich wegen der Lage, in der sie sind.“

Etwa 80 Betroffene sind in der Warteschleife

Ähnliches kann Anneke van der Veen berichten, die die Dienststellen Moers und Vluyn leitet. Die Zahl der betroffenen Haushalte nehme deutlich zu. Neben den Neuzugängen gebe es etwa 80 zu betreuenden Altfälle, hinzu kämen geschätzte 80 Betroffene in der Warteschleife. Im Gegensatz zum landläufigen Vorurteil sind die allermeisten Menschen nicht aus eigener Schuld in die Schuldenfalle geraten. „Gründe sind zumeist eine schlimme Krankheit, plötzliche Arbeitslosigkeit oder eine Scheidung.“

Thema Scham: „Wir sind dazu da, den Menschen ein Leben am Existenzminimum zu ermöglichen“, sagt der Fachmann. Das Bild des verängstigten Schuldners, der keinen Brief mehr öffnet und die Tür nicht mehr aufmacht, sei keine Fantasie. „So etwas kommt hier öfters vor“, weiß Duda.

Manche Banken klären zu wenig über Rechte auf

Gerhard Duda und seine Kollegin Sabina Jarofka sind längst zu Fachleuten in Sachen Finanzwesen geworden. „Montags- bis Donnerstagsvormittags haben wir für Ratsuchende geöffnet. Freitags bearbeiten wir die ganzen Akten.“ So manches Mal würden die Schuldner von ihrer Bank nicht aufgeklärt, welche Rechte sie hätten. „Es ist beispielsweise ratsam, schnellstens ein Pfändungsschutzkonto bei einer anderen Bank zu eröffnen“, weiß Duda. Denn manche Geldinstitute holten alles Bare vom Konto des Schuldners. Das Schutzkonto sei bis zu 1130,60 Euro geschützt, damit wenigstens Ausgaben wie Miete, Strom oder Heizung gezahlt werden könnten und niemand obdachlos werde.

Familien mit mehreren Kindern zahlen meist gar nichts

Dass es auch eine gesetzliche Liste gibt, die regelt, wer mit wie viel Einkommen wie viel Schulden abzahlen muss, sei leider wenig bekannt. „Wir setzen uns mit den Banken in Verbindung, die dann naturgemäß nicht begeistert sind.“ Jedoch sei festgelegt, dass beispielsweise eine Familie mit einem Kind und etwa 1800 Euro Einkommen nur mit rund 30 Euro monatlich zur Kasse gebeten werden dürfe.

„Familien mit mehreren Kindern zahlen zumeist gar nichts.“ Allerdings: „Wer hier nicht mitarbeitet, ist bei uns fehl am Platze“, beugt Duda Missverständnissen vor. Jeder Betroffene müsse aktiv werden und seinen Teil zur Lösung des Problems beitragen. Was beispielsweise auch bei privaten Insolvenzverfahren gelte.

© Volker Herold

Dass die Zahl der Schuldner stetig steige, daran hätten auch die Banken ihren Anteil. „Manches Institut macht es den Menschen sehr leicht, durch Dispo und Umschuldung immer höhere Schulden anzuhäufen.“ Denn statistisch gesehen, platzten nur ganz wenige Privatkredite, was eine gute Bilanz für das Institut bedeute.

Hinzu komme: „Oft sind Schulden nur Teil eines ganzen Problemfeldes“, weiß van der Veen aus ihrer Erfahrung im Vluyner Treff55. Daher sei es gut, dass die Diakonie über eine breite Palette an Hilfsangeboten verfüge oder zumindest alles über solche Angebote wisse – von der Sucht- bis zur Eheberatung. „Das macht unsere Sozialberatung in den Dienststellen ja aus.“

Diakonie als Träger muss Geld zuschießen

Der Andrang dort sei groß: „Es gibt zwar eine Soforthilfe für die akuten Maßnahmen, aber danach vergeben wir Termine.“ Was angesichts der steigenden Nachfrage nicht anders zu machen sei. „Nach einer Studie sollte es zwei Vollzeit-Berater auf 50 000 Einwohner geben. Was allein für Moers schon zwei Kräfte bedeuten würde.“

Mit den leidigen Finanzfragen kennt sich Dietrich Mehnert als Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie aus: „Die Kosten allein für die Schuldnerberatung an unseren vier Dienststellen im Kreis betragen jährlich 387 000 Euro.“ Davon zahle das Land 19 Prozent, der Kreis 65 Prozent und die Diakonie selbst 16 Prozent an Eigenmitteln. „Dass wir als Träger jetzt schon Geld zuschießen müssen, kann eigentlich nicht sein“, stellt Dietrich Mehnert mit Blick auf die Politik fest.