Moers/Neukirchen-Vluyn/Kamp-Lintfort. . Am Tag nach der NRW-Wahl heißt es: Wunden lecken. Die Kandidaten und ihre Teams analysieren das Ergebnis und blicken schon auf die nächste Wahl.
- René Schneider, Kandidat im Wahlkreis 57, rät seiner Landespartei, die Abwahl zu akzeptieren
- Für Silvia Rosendahl ist die Innere Sicherheit eines der entscheidenden Themen gewesen
- Die Bundestagskandidatin Elke Buttkereit will weiter den persönlichen Kontakt zu den Wählern suchen
Die Euphorie um den Kanzlerkandidaten Martin Schulz hat davon zwischenzeitlich abgelenkt, dass es zwischen SPD und CDU in Nordrhein-Westfalen knapp war. Jetzt sei man „auf dem Boden der Tatsachen“. So kommentiert Silvia Rosendahl, die Vorsitzende der Rheinkamper SPD, die Wahlniederlage ihrer Partei vom Sonntag.
Nach Überzeugung von Silvia Rosendahl, der Vorsitzenden der Rheinkamper SPD, hat das Thema „Innere Sicherheit“ die entscheidende Rolle im NRW-Wahlkampf gespielt: „Die CDU hat Innenminister Ralf Jäger erfolgreich demontiert“, sagt sie. „Das war eine wirksame Strategie.“ Die Sicherheit beschäftige die Menschen sehr stark.
Man sei in NRW auf einem guten Weg gewesen, habe die Polizei aufgestockt, sagt Elke Buttkereit. Letztlich könne man aber nicht „von jetzt auf gleich“ ausbilden. Für die Vorsitzende der Neukirchen-Vluyner SPD und Bundestagskandidatin hat sich auch das große Thema Bildung auf das Wahlverhalten ausgewirkt. So hätte man „konsequenter vertreten müssen, dass G8 nicht nur ein SPD-Thema“, sondern Teil des Schulkonsens’ zwischen SPD, CDU und Grünen war, heißt es. An den Ständen habe man gemerkt, dass das Thema nicht nur Eltern und Kinder bewegt.
Rosendahl blickt mit Sorge auf das AfD-Ergebnis
Trotz des Gesamtergebnisses für NRW kann sich Buttkereit aber freuen, dass die zwei Direktkandidaten ihre Wahlkreise geholt haben. Bei René Schneider sei es nicht selbstverständlich gewesen, dass er den Wahlkreis holt.
Silvia Rosendahl blickt mit Sorge auf das Ergebnis der AfD, die im Wahlkreis Moers/Neukirchen 8,7 Prozent der Zweitstimmen erreichte. In fünf Wahllokalen in Meerbeck und Repelen landeten die Rechtspopulisten mit Ergebnissen zwischen 14 und 17,4 Prozent vor der CDU.
„Das sind Bereiche, in denen sich die sozialen Probleme ballen“, erklärt Silvia Rosendahl. Dort lag auch die Wahlbeteiligung mit rund 40 Prozent meist deutlich niedriger als im Durchschnitt (66,6 Prozent).
Und auch in Neukirchen-Vluyn erreichten die Rechtspopulisten in einzelnen Wahllokalen zweistellige Werte bei den Zweitstimmen. Die CDU ist zwar hier nicht überflügelt worden. Gleichwohl ist der Stadtverbandsvorsitzende Heiko Haaz angesichts einzelner AfD-Ergebnisse durchaus „teilweise geschockt“.
Heiko Haaz will Ergebnis professionell analysieren
Man müsse schauen, woran das liegt, sagte Haaz. Er wolle dem Vorstand des Stadtverbandes vorschlagen, das Ergebnis der Landtagswahl „professionell analysieren“ zu lassen.
„Ich bin mit unserem Ergebnis zufrieden, was mich nur stört, ist die AfD“, sagte der Neukirchen-Vluyner CDU-Chef. Dass die Bundestagskandidatin der CDU, Kerstin Radomski, das Ergebnis ihrer Landespartei ebenso begrüßt wie Haaz, wundert wenig. Der Landtagskandidat Ingo Brohl habe ein gutes Ergebnis erzielt. Radomski: „Es gibt schwierige Wahlkreise für die CDU, und Moers gehört dazu.“
Elke Buttkereit möchte sich die Wahlbezirke zunächst genau angucken. Beim bevorstehenden Wahlkampf müsse man im persönlichen Kontakt sehr kleinteilig vorgehen. Bürgermeister Harald Lenßen sagt, er werde den direkten Kontakt zum Ministerpräsidenten suchen.
Trotz Mandats-Gewinn: SPD wurde abgestraft
Am Ende eines langen Wahlabends feierten die Genossen im Kamp-Lintforter kaLiber am Sonntag doch noch. Immerhin hatte es für René Schneider zum Wiedereinzug in den Landtag gereicht, auch wenn die SPD vom Wähler deutlich abgestraft wurde.
Das Ergebnis beinhalte für ihn eine klare Botschaft, sagt Schneider am Montag: „Wir dürfen keinem auf dem Leim gehen und eine wie auch immer geartete Koalition eingehen. Wir sind abgewählt worden und fertig.“ Als Nachfolger für Hannelore Kraft wünscht sich der Kamp-Lintforter SPD-Mann „jemanden, der es nicht aus Verlegenheit macht, weil er gerade kein Ministeramt hat“.
Nur in einem einzigen Kamp-Lintforter Wahlbezirk, im ländlichen Saalhoff, hat Schneider weniger Stimmen erreicht, als sein Kontrahent Rainer Groß. Weitaus mehr beschäftigte Schneider aber das Wählerverhalten: „Mir haben mehrere Wahlkampfhelfer geschildert, dass es Wähler gab, die mich mit der Erststimme gewählt haben, aber mit ihrer Zweitstimme die AfD. Da fragt man sich natürlich schon – wie passt das zusammen? Die Menschen, die so gewählt haben, denken vielleicht – den Schneider, den kenne ich, der versteht mich. Aber von diesen Parteien da oben versteht mich keine“, versucht Schneider eine Erklärung.
Jürgen Preuß will seine Kampagne genau prüfen
Jürgen Preuß, der im Herbst für die SPD in den Bundestag will, übt sich derweil in Optimismus: „Es ist einigermaßen beruhigend, dass ich den Wahlkreis gewonnen hätte, wenn die Leute wieder so wählen würden.“
Der Wahlkreis ist bei der Bundestagswahl anders zugeschnitten. „Wir sind stark in Kamp-Lintfort, in Wesel, sowie in Voerde, Hünxe und Rheinberg“, setzt Preuß auf SPD-Stammwähler. Seine Aufgabe sei es nun, sich seine Wahlkampagne sehr genau anzuschauen, ob es mit dem, was geplant ist, gelingt, „die Menschen abzuholen“. In NRW sei es nicht gelungen, die „Nestbeschmutzerkampagne der CDU zu kontern“, analysiert der Kandidat. „Es kann doch nicht sein, dass ich mir bundesweit Leute heranrufe, um zu erzählen wie mies und schlecht NRW ist.“
Dass mehr als 1200 Kamp-Lintforter ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht haben „kann ich nicht begreifen“. Ab kommenden Monat jedenfalls will Preuß die Ärmel hochkrempeln und in den Wahlkampf starten. Und zwar mit dem Thema: Soziale Gerechtigkeit. „Das habe ich übrigens schon lange vor Martin Schulz in den Mittelpunkt gerückt“, betont der Sozialdemokrat.
Für die Verwaltung geht es „unproblematisch“ weiter
Bürgermeister Christoph Landscheidt bezeichnet den Wahlausgang in NRW als „Desaster“. Gleichwohl geht er davon aus, dass auch mit einer neuen Landesregierung die Investitionen rund um die Landesgartenschau „unproblematisch“ weiter gehen können. Einfluss auf die Verwaltungsarbeit hat der Regierungswechsel laut Landscheidt nur in zwei Bereichen: Wäre die SPD weiter in der Regierung geblieben, hätte Landscheidt auf landesweite Kita-Gebührenbefreiung gehofft, und damit auf Fördermittel vom Land. So muss die Stadt es weiter allein stemmen. Ebenfalls schwierig könnte es bei den Schlüsselzuweisungen zur Förderung des ländlichen Raumes werden. „Das war schon mit der Regierung Rüttgers schwierig.“ (km/gag/wit/sovo)