Kamp-Lintfort/Kreis Wesel. . Stadt will Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft an den Kreis verkaufen. Doch das ist nicht das Ende der eigenen städtebaulichen Aktivitäten.
- Eigentlich wollte Kamp-Lintfort Mehrheitsgesellschaft des Wohnungsbauunternehmens werden
- Der Kreis torpedierte dies, jetzt ist die Stadt ist stocksauer und will ihre Anteile verkaufen
- Doch dies bedeutet nicht das Ende der eigenen städtebaulichen Ambitionen
Seit mehr als 60 Jahren ist die Stadt Kamp-Lintfort Mit-Eigentümer der Wohnungsbaugesellschaft Grafschaft Moers. In der ehemaligen Bergbaustadt hat das Unternehmen seinen Sitz, hier befindet sich gut die Hälfte seines Wohnungsbestandes. Doch die traditionsreiche Verbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft wird wohl bald enden. Kamp-Lintfort will seine Anteile an der Grafschaft Moers loswerden und eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gründen.
Einziger infrage kommender Kandidat für die Kamp-Lintforter Anteile in Höhe von 32,6% ist der Kreis Wesel, der 30,7% hält. Mit ihm soll die Verwaltung über die Übernahme verhandeln, hat der Rat der Stadt jüngst in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen. Diese Entscheidung führt in die entgegengesetzte Richtung dessen, was die Stadtspitze eigentlich wollte. Denn noch vor ein paar Monaten war Kamp-Lintfort entschlossen, die 24% Anteile, die die Wohnungsbau Stadt Moers hält, zu kaufen. Ihr Ziel: Mehrheitsgesellschafter der „Grafschaft“ werden und das Ruder in dem Unternehmen in die Hand bekommen. Dem Vernehmen nach lag sogar schon ein unterschriftsreifer Vertrag vor.
Dass der Deal nicht zustande kam, liegt aus Kamp-Lintforter Sicht am Kreis Wesel. Er habe die Einigung „torpediert“, heißt es dort – aus nicht näher bezeichneten „politischen Gründen“.
Kamp-Lintfort bot nicht mit
In der Nachbarstadt hört sich das ganz anders an: 2,2 Millionen Euro für die Moerser Anteile seien zu wenig gewesen. Der Aufsichtsrat der Wohnungsbau Stadt Moers habe sich deshalb für ein Bieterverfahren entschieden, an dem sich Kamp-Lintfort aber erst gar nicht beteiligte. Eine interne Verwaltungsvorlage vergleicht das Procedere mit einem „Basar“, der den Preis hoch treiben sollte. Die Angebotsfrist ist soeben abgelaufen, der Kreis war der einzige Bieter und dürfte in Kürze mit über 55% Mehrheitsgesellschafter sein.
Starterzentrum Dieprahm spielt eine Rolle
Die Stadt Kamp-Lintfort hat folgerichtig ihr Interesse an der „Grafschaft Moers“ komplett verloren und will mit dem Kreis über den Kauf ihrer Gesellschaftsanteile verhandeln. Der Wunsch, die eigenen städtebaulichen Aktivitäten zu verstärken, bleibt freilich bestehen. Dazu soll die Verwaltung dem Rat demnächst Vorschläge vorlegen. Eine Variante: die Gründung einer Kamp-Lintforter Wohnungsbaugesellschaft. Denkbar sind aber auch andere Organisationsformen, das Starterzentrum Dieprahm könnte dabei eine Rolle spielen.
>>> STICHWORT GRAFSCHAFT MOERS
Die Grafschaft Moers ist 1954 gegründet worden und hat ihren Sitz an der Wilhelmstraße. Insgesamt hat sie 2000 Wohnungen im Bestand, 1000 in Kamp-Lintfort, etwa 500 davon im Bereich Tor Ost. 2015 betrug ihre Bilanzsumme 60,2 Mio Euro.
Zum Vergleich: Die Wohnungsbau Stadt Moers besitzt 2800 Wohneinheiten, die Bilanzsumme liegt bei 109 Mio Euro.
Anteilseigner sind Kamp-Lintfort (32,6%), der Kreis Wesel (30,7%), die Wohnungsbau Stadt Moers (24,4%), die Städte Rheinberg und Xanten (je 2,7%) sowie die Duisburger Wohnungsbaugesellschaft Gebag (7,1%).
Kommunale Wohnungsunternehmen sind wichtige Steuerungsinstrumente der Stadtentwicklung, sie bündeln Kompetenzen für Wohnungsneubau und -verwaltung. Zudem stehen sie für sozialverträgliche Mieten und langfristiges Engagement.