Kamp-Lintfort/Iran. . Seit einem halben Jahr ist Tobias Bausch mit seinem Fahrrad auf einer Weltreise. Was er bisher erlebt hat, erzählt er im großen NRZ-Interview.
- Tobias Bausch aus Kamp-Lintfort ist im Juni losgeradelt und hat damit die Weltreise begonnen
- Die NRZ hat ihn kurz vor Weihnachten per E-Mail im Iran erreicht
- Der junge Mann erzählt begeistert von der Gastfreundschaft, die er in kennengelernt hat
Seit über einem halben Jahr ist der Kamp-Lintforter Tobias Bausch mit seinem Fahrrad unterwegs auf einer ganz besonderen Weltreise. Die NRZ hat seitdem in unregelmäßigen Abständen über seine Route und seine Erlebnisse berichtet, viele Kamp-Lintforter folgen dem Blog des Weltreisenden auch auf Facebook. Kurz vor dem Weihnachtsfest haben wir mit Tobias per E-Mail Kontakt aufgenommen, mit ihm gemeinsam auf das letzte halbe Jahr zurückgeschaut und einen Blick in die Zukunft geworfen.
Hallo Tobias, wo treffen wir dich gerade an?
Zurzeit bin ich im Iran, habe kürzlich erst mein Visum verlängert und kann jetzt bis Mitte Januar hier bleiben. Genug Zeit, um noch mehr vom Land zu erkunden.
Wie gefällt es Dir aktuell dort und wie verbringst Du die Feiertage?
Der Iran ist ein wundervolles Land mit unglaublich netten Menschen. Das Wetter ist im Norden des Landes relativ kalt, daher macht Radfahren dort nicht mehr so viel Spaß. Die Feiertage verbringe ich hier, ich denke, ich werde mal gut essen gehen. Hier gibt es muslimische Feiertage und Festlichkeiten, die ich mir mal anschauen werde.
Du bist jetzt seit über einem halben Jahr unterwegs. Bist Du noch derselbe Tobias, der im Juni in Kamp-Lintfort aufgebrochen ist?
Das können Leute, die mich kennen, am besten beschreiben. Ich denke, es hat sich ein bisschen was geändert. Zum einen bin ich ruhiger geworden. Die anfängliche Aufregung ist verflogen und fast 6000 Kilometer sind schon erreicht.
Geändert hat sich zum Beispiel meine Erwartungshaltung. Mir ist es nicht mehr wichtig, unbedingt schnell vorwärts zu kommen oder alles komplett auf dem Fahrrad zu erleben. Einmal ist der Iran viel zu groß, um in der kurzen Visumslaufzeit möglichst viel zu sehen und gleichzeitig zu radeln. Andererseits ist es für mich auch wichtig, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und von ihrer Kultur zu lernen.
Weniger reisen, mehr erleben ist derzeit meine Devise. In den letzten Wochen im Iran habe ich wunderbare Menschen kennen gelernt, ob offen oder total konservativ. Lange Diskussionen konnte ich so führen. Dies wäre auf dem Rad nicht möglich gewesen.
Hast Du manchmal Heimweh?
Jetzt, wo von Zuhause ein bisschen Weihnachtsstimmung rübergeschwappt ist und sich das Jahr dem Ende nähert, bekomme ich schon ein bisschen Heimweh. Ansonsten bin ich immer noch neugierig, Neues zu entdecken.
Was hast Du bislang von deiner Reise mitgenommen?
Zum einen wundervolle Augenblicke und Erinnerungen, die jetzt schon so viele sind, dass ich mich gar nicht an alles erinnern kann. In der kurzen Zeit habe ich so viel erlebt, da werde ich lange von erzählen können. Während ich in Europa quasi durchgerauscht bin und die wundervolle Natur genossen habe, fing ich ab Istanbul an, mehr mit Menschen in Kontakt zu kommen. Wie ich in Istanbul von einer Gastfamilie umsorgt wurde, beeindruckt mich bis heute.
Jetzt im Iran erlebe ich eine neue Art von Gastfreundschaft und Freundlichkeit. Dass ich während der Fahrt von Autofahrern Obst, Wasser oder Süßigkeiten geschenkt bekomme und dies für die Leute selbstverständlich zu sein scheint, ist in Deutschland irgendwie unvorstellbar. So sind es bereits die kleinen Dinge, die glücklich machen. In jeder Stadt, die ich im Iran erreiche, kommt mindestens ein Mopedfahrer an und ruft mir freudig zu: Hallo Mister, welcome to Iran, welcome to my city. Das macht glücklich!
Du hast in dieser Zeit viele Menschen kennengelernt, bist mit vielen einen Teil deines Weges zusammengegangen. Reist Du lieber alleine oder in der Gruppe?
Ich reise lieber mit anderen zusammen. Man fühlt sich sicherer und hat auch jemanden zum unterhalten. Abends ist die Zeltplatzsuche nicht so schwer und man kann zusammen kochen. Eine lustige Anekdote: Ende Oktober habe ich in Batumi (Georgien) ein paar Radreisende getroffen. Einen von ihnen habe ich gerade jetzt vor ein paar Tagen durch Zufall in Shiraz, zwei Monate später und über 1000 Kilometer weiter wieder getroffen.
Deine Angst vor streunenden Hunden hat sich zwischenzeitlich mal zu einer Phobie entwickelt. Hast Du ein Rezept gefunden, damit umzugehen?
Das leidige Hundethema! Leider habe ich kein Rezept gefunden. Hier im Iran gibt es zum Glück nicht so viele wilde Hunde wie noch in Georgien oder Armenien. Ich bin gespannt wie es weitergeht.
Was war Dein schrecklichstes und was das schönste Erlebnis bislang?
Das schrecklichste Erlebnis war wohl tatsächlich der Tag in Georgien, an dem ich diese vielen Hundeattacken hatte. Ich wollte von Gori nach Tiflis fahren, aber quasi an jeder Ecke warteten wilde Hunde, mal alleine oder mal im Rudel auf mich, die mich jagten und versuchten, meine Taschen zu beißen. Zum Glück ist nichts passiert, aber nach 60 bis 90 Minuten und mehr als 20 Hundeattacken, war es zu viel für mich. Ich bin dann mit dem Zug die letzten Kilometer nach Tiflis gefahren.
Zum Glück gab es nur wenige schlechte Momente. Nie habe ich mich zum Beispiel wirklich unwohl oder bedroht gefühlt.
Ein zentrales schönstes Erlebnis gibt es eigentlich nicht, dafür aber Unmengen toller Momente. Da gibt es eine Reihe von wirklich für mich sehr schönen Erlebnissen. Zum einen die Passauffahrt über der Bucht von Kotor in Montenegro in der Nacht. In völliger Dunkelheit sind wir zu dritt nachts diesen Pass gefahren.
Über 20 Serpentinen, immer mit Sicht ins beleuchtete Tal, in Ruhe radeln mit Musik aus einem Lautsprecher. Es war unglaublich beeindruckend. Zum anderen eine Wanderung auf den Toschal Berg im Norden von Teheran mit zwei wunderbaren Freunden, die ich in der Stadt kennen gelernt habe. In der Natur entflieht man im Iran quasi den Regeln und Einschränkungen. Man läuft und denkt nicht an Vorschriften oder sowas. Frauen trauen sich sogar, ohne das Kopftuch herumzulaufen. So nah in dieser Stadt, aber doch eine andere Welt, sobald man in die Ruhe eintaucht.
Du bist auch aufgebrochen, um Neues zu lernen – über Dich genauso wie über andere. Ist Dir das ein Stück weit gelungen?
Ich denke schon, ich habe Gastfreundschaft in ganz neuen Dimensionen kennengelernt – nicht nur in muslimischen Ländern. Schon in Wien hat ein Gastgeber seine Wohnung für Reisende zur Verfügung gestellt. Er hat ebenfalls mit dem Rad die Welt erkundet und möchte so viel wie möglich an andere zurück geben. Das habe ich mir auch vorgenommen. In meiner Wohnung wird, sobald ich nach Hause komme, eine Schlafmöglichkeit für Reisende eingerichtet.
Wie ich bereits sagte, es sind ganz kleine Dinge, die glücklich machen und es ist nicht schwer, Gutes zu tun. Mir ist es nicht mehr wichtig, Australien mit dem Rad zu erreichen. Ich lasse mich treiben und schaue wo es mich hin verschlägt. Wie geht Deine Reise weiter? Momentan bin ich auf dem Weg zum Persischen Golf, um die Fähre nach Dubai zu nehmen. Dort werde ich einen Abstecher in den Oman machen, bevor ich im März/April wieder in den Iran zurückkehren werde. Neue Freunde, die ich hier kennen gelernt habe, möchte ich wieder besuchen und fahre dann eventuell weiter Richtung Zentralasien. Aber das wird dann ein ganz anderes Abenteuer. Vielleicht mache ich auch etwas ganz anderes. Da bin ich sehr spontan. Wir werden sehen.