Das Programm machte am Wochenende nicht nur dem künstlerischen Leiter Holger Ehrlich "total viel Spaß".

KARL DANIELMOERS. Das Comedy Arts Festival hat in diesem, seinem 32. Jahr, bewiesen, dass das Konzept, das von Werner Schrick begonnen wurde, in den Tagen des heutigen künstlerischen leiters Holger Ehrich erfolgreich fortgeführt wird. Ein an allen Tagen begeistertes Publikum wird das bestätigen, und auch die Zahlen sprechen für sich: 1500 Zuschauer am ersten, 1700 am zweiten Tag (das bedeutet ausverkauft), der Sonntagabend allerdings schwächelte nach dem schlechten Tageswetter etwas.Auch NachwuchsgefeiertDer Erfolg könnte auch bedeuten, dass man sich mit populär-anspruchslosen Acts dem breiten TV-Geschmack angepasst hat, doch das war nicht der Fall. Holger Ehrich suchte die richtige Mischung und fand sie. In Moers kommt auch Ansruchsvolles, Unkonventionelles gut an, Beispiel die mit dem NRZ-Förderpreis ausgezeichnete Annamateur, wird jüngster Nachwuchs gefeiert (die Krefelder Hiphopper Q.L.G.), und auch der schiere Blödsinn bekommt seine Nische. Wenn dann dazwischen einige eher mäßige Auftritte zu notieren sind, macht das im Rahmen eines drei Tage dauernden Festivals keinen großen Schaden. Andi Steil holte sich die ersten Jubelstürme am Samstagabend. Der Mann hat gagreiche musikalischen Slapstick voll drauf und strahlt zudem noch natürlichen Witz aus. Um 18.30 Uhr war er das alljährliche Opfer des Kirchengeläuts, und man muss sagen, er wurde perfekt damit fertig. Ganz große Klasse das australische Artistenduo „Pop Eyed”, der Höhepunkt des Abends „Annamateur”, mit ihren beiden heißgeliebten Gitarristen eine Klasse für sich. Joe Sature & ses Joyeux Osselets” litten als letzte Künstler des Samstags unter einsetzendem Regen, Mangel an Französischkenntnissen beim Publikum und der eher auf intimere Räume ausgerichteten Machart ihres Programms. „Ich bin sehr zufrieden,” meinte am Sonntag Holger Ehrich, der sein Programm im vergangenen Jahr wegen einer plötzlichen Erkrankung gar nicht miterleben konnte. Diesmal habe er „total viel Spaß” gehabt. „Meine Idee ist es , der Tradition treu zu bleiben, aber nicht nostalgisch zu werden. In der boomenden Comedy-Szene wollen wir unser besonderes Profil stärken.” Der Sonntagabend wurde dominiert von der wirbeligen Nessie Tausendschön und dem Schweizer Superduo Ursus & Nadeschkin. Nessie Tausendschön hätte alleine einem solchen Abend die Krone aufsetzen können. Die Comedy-Power aus der Alpenrepublik, das perfekt eingespielte Paar Ursus & Nadeschkin allerdings überrollte mit dem besten, was es in vielen Jahren auf die Bühne gebracht hatte, die Arena auf dem Kastellplatz. Ein Feuerwerk, das Lust macht auf's nächste Jahr. Siehe auch die Fotostrecke „Festivalissimo!” auf dieser Seite.

KLARTEXT

Was waren das für Zeiten, als im Schlosshof die Fools und Folk-Barden auf der kleinen Bühne standen, die Jongleure auf und vor der Bühne hantierten, das Publikum drei Reihen zum Sitzen oder Liegen zur Verfügung bekam, ansonsten 600 Comedy-Fans sich die Füße in den Leib standen, um dabei sein zu können? Ja, da hießen die Komödianten noch Fools, was im Deutschen mit „Narren” einen falschen Beigeschmack bekommt, und das Publikum war eine eingeschworene Gemeinschaft... Fool sein bedeutete Anarchie in den Mittsiebzigern, und die oberste Autorität auf diesem Sektor, Jango Edwards pflegte sich nackt auszuziehen, um sich dann einen Knallkörper in den Allerwertesten zu stecken und zu zünden. Das sollte provozieren, aber das Harcore-Publikum fand's zum jubeln. Der letzte der Titanen, Leo Bassi, jetzt zum sechsten Mal in Moers gewesen, läßt es sich immer noch nicht nehmen, beinharte Anarchie vorzuleben. Mitte der Achtziger hatte er das Publikum geschockt, als er mit einem motorisierten Go-Cart in der Eissporthalle Jagd auf alles und jeden machte, als er mit heulender Kettensäge in die Menge sprang... Klar, der zog sich am Freitag auf der Bühne auch wieder aus und ließ sich mit Farbe beschmieren. Als am gleichen Abend die schwedischen Cowgirls von „Big Ass Barbeque” spontan eine Bassi-Hommage einlegten, gab es Buhrufe. Eine deutsche Bratwurst im Schwedenpo, mit der Peitsche weggeschnippt – das schien dann doch ein heftiger Tabubruch zu sein. Warum nur? War es, weil der durchschnittliche Comedy-Festival-Besucher spießiger geworden ist, als die Fans der 70-er und 80-er Jahre, oder weil immer noch ein Unterschied besteht, ob ein Mannsbild oder ein Schwedenmädel so etwas macht? Humor ist, wenn man trotzdem lacht! (da)