Moers. . Tim Isfort geht trotz der Querelen in den letzten Monaten mit Zuversicht an seine Arbeit. Er will das Festival den Moersern wieder näher bringen.

  • Aufsichtsrat der Kultur GmbH bestätigt den 49-jährigen Musiker
  • Claus Arndt wird neuer Geschäftsführer der Gesellschaft
  • Im Interview spricht Isfort über seine Ziele und die knappe Zeit bis zum Festival 2017

Das Moers Festival hat einen neuen künstlerischen Leiter: Tim Isfort. Am Montagabend bestätigte die Moers Kultur GmbH mit Mehrheit die Berufung des in Moers aufgewachsenen 49-jährigen Musikers und Komponisten. Isfort wird als Nachfolger von Reiner Michalke am 1. Dezember einen Drei-Jahresvertrag antreten und die Pfingstveranstaltung 2017 verantworten.

Eine weitere wichtige Personalie wurde in der Sitzung am Montag ebenfalls mehrheitlich entschieden: Neuer Geschäftsführer der Moers Kultur GmbH ist – erwartungsgemäß – Claus Arndt. Der 52-jährige bleibt aber Leiter der Stabsstelle E-Government im Rathaus und wird die Geschäftsführung als Nebentätigkeit ausführen. Arndt erhält einen Fünf-Jahresvertrag. Darüber hinaus stimmte der Aufsichtsrat der Aufhebung des Vertrages mit dem bisherigen Geschäftsführer Dirk Hohensträter zum 31. Dezember zu.

Mit Tim Isfort sprachen Karen Kliem und Thomas Wittenschläger über seine Motivation, seine Ziele und darüber, wie er in so kurzer Zeit das Festival stemmen will.

Herr Isfort, wie fühlt es sich an, neuer künstlerischer Leiter des Moers Festivals zu sein?

Tim Isfort: Eigentlich ganz gut, auch wenn es vorher Hindernisse gab. Ich weiß, was gewesen ist, von der zerrütteten Situation. Die Botschaft ist jetzt: Moers geht weiter und bleibt der Ort für die Suche nach Neuem. Es geht ein komplett neues Team an den Start und kann unvoreingenommen neu auf das Ganze gucken.

Ich glaube, dass ich den Geist des Festivals begriffen habe

Was sehen sie da?

Isfort: Ich habe als Moerser den Innenblick und ich glaube, dass ich den Geist des Festivals begriffen habe. Gleichzeitig finde ich es gefährlich, dass das Festival die Moerser nicht mehr so polarisiert. Früher war es geliebt und gehasst. Da wurde mittwochs geguckt, ob die Hippies schon da sind. Aber ich habe den Eindruck, dass jetzt der Bezug verloren gegangen ist, nicht zuletzt durch den Umzug an den Stadtrand. Ich möchte es wieder für die Moerser erlebbar machen. Ich sehe auch beim Händlermarkt noch Luft nach oben.

Tim Isfort stand erst beim diesjährigen Moers-Festival als Musiker auf der Bühne.
Tim Isfort stand erst beim diesjährigen Moers-Festival als Musiker auf der Bühne. © Christoph Karl Banski

War der Umzug ein Fehler?

Isfort: Nein, die Halle hat der Konzentration genutzt, sowohl der Musiker als auch der Zuhörer. Aber die Halle zu nutzen, schließt ja ein Lagerfeuer-Konzert etwa auf der Nepix Kull oder Auftritte der Musiker in Clubs und Kneipen nicht aus. Man kann auch am Abend in der Halle früher aufhören, und das Hauptkonzert in die Stadtkirche verlegen. Die Moerser sollen die Gelegenheit haben, auch ohne Karte die Musik zu erleben, um dann festzustellen: Ist gar nicht so schlimm. Vielleicht muss man auch irgendwas an der Halle machen. Sie ist so perfekt. Das passt nicht zum Geist des Festivals. Ein bisschen mehr Anarchie unter Einhaltung der Versammlungsstättenverordnung wäre nicht schlecht.

Jazz ist ein Begriff, der hier nicht richtig funktioniert

Was ist Ihrer Meinung nach der Geist des Festivals?

Isfort: Schon von den ersten Jahren an war klar: Wir machen was anderes. Jazz-Festivals gab es viele, aber kein Free Jazz. Da wurde nach neuen Strömungen gesucht, wurden andere Musikkulturen eingeladen, die Avantgarde war zu hören, das Unerhörte hörbar gemacht. Jazz ist ein Begriff, hier nicht richtig funktioniert. Auch in diesem Sinne geht also Moers weiter.

Und das soll so bleiben?

Isfort: Das Neue muss nicht Jazz sein, es kann auch genauso Elektro, Klassik, Weltmusik oder gar Pop sein. Es geht um die Suche nach einer Haltung, um die Auflösung musikalischer Grenzen. Frank Zappa hat mal gesagt: „Der Jazz ist nicht tot, aber er riecht sehr streng“.

Ich trete da ein schweres Erbe an, denn Michalke hat das gut gemacht

2009, als das Festival noch im Zelt stattfand, gastierte Tim Isfort in Moers mit einer zehnköpfigen Formation.
2009, als das Festival noch im Zelt stattfand, gastierte Tim Isfort in Moers mit einer zehnköpfigen Formation. © Olaf Fuhrmann

Die Zeit bis Pfingsten ist denkbar knapp. Können Sie sich auf Vorarbeit von Reiner Michalke, ihrem Vorgänger, stützen?

Isfort: Ich hätte nicht gedacht, dass die Verhandlungen so lange dauern. Ich trete da ein schweres Erbe an, denn Michalke hat das gut gemacht. Wir haben schon telefoniert. Wir verstehen uns gut und ich habe da keine falsche Eitelkeit. Ich bin dankbar für jede Hilfe. Er hat ein tolles großes Projekt eingestielt. Das will ich natürlich haben. Aber vielleicht gibt es an anderer Stelle etwas, wo ich sage, das ist nicht meins. Mein Team stimmt und ich komme nicht, um ein B-Programm abzuliefern. Wenn wir nicht auf dem Niveau weitermachen, sind schnell alle Geldgeber weg. Ich glaube, meine deutschlandweiten und europaweiten Kontakte sind gut genug. Und nicht zuletzt: Ich bin studierter Jazzer. Ich kann improvisieren.

Was hat Sie bewogen, dieses schwere Erbe anzutreten?

Isfort: Ich bin dankbar, dass ich mit diesem Festival groß werden konnte, denn es hat meine Offenheit für Musik, egal wo sie herkommt, geprägt. Ohne dieses Festival hätte ich meinen musikalischen Weg so nicht gemacht. Dieses Geschenk aufzugeben, wäre töricht. Viele haben mir gesagt, lass die Finger davon. Aber es gab auch viele, die mir Mut gemacht haben. Ich fühle mich jetzt auch reif dafür. Ich habe durch meine Zeit als künstlerischer Leiter des Traumzeit-Festival viele – nicht immer angenehme – Erfahrungen gemacht. Und gesehen, was es heißt, wenn ein Festival total umgebogen wird, Jazz und Weltmusik als tragende Säulen abgeschafft werden. Das Traumzeit ist jetzt ein zweites Haldern, aber 15 Jahre zu spät. Gleichzeitig habe ich dann mit dem Platzhirsch-Festival den Gegenentwurf gemacht. Was ich mir nicht ganz leicht vorstelle, ist der Spagat zwischen dem internationalen Renommee und dem Vorhaben, mehr für die Moerser zu tun.

2008 spielte Tim Isfort mit Angelika Niescier, der ersten Improviserin in Residence.                                       Foto: Thiele
2008 spielte Tim Isfort mit Angelika Niescier, der ersten Improviserin in Residence. Foto: Thiele © NRZ

Die Schulprojekte müssen wieder her

Pläne für die Zukunft?

Isfort: Der Improviser ist mir sehr wichtig. Und die Schulprojekte müssen wieder her, sonst gibt es ein Problem. Wenn ich die Jugend nicht einbinde, dann gibt es irgendwann keine nachrückende Generation mehr für das Moers Festival.

Ihr Wunsch für die nächsten Wochen?

Isfort: Was wir jetzt alle brauchen, ist Ruhe, um unsere Arbeit zügig zu machen, wir brauchen Unterstützung und Offenheit