Neukirchen-Vluyn. .
In der Küche des Rathauses stehen Nussecken für die Mitarbeiter bereit. Die habe eine Kollegin zum Einstand mitgebracht, sagt Stephan Baur, und stellt fest: „Ich glaube, den muss ich auch noch geben.“ Seit einem halben Jahr ist der 28-Jährige Klimaschutzmanager der Stadt – eine Stelle, die es so vorher nicht gab. Sein erstes großes Projekt war das Stadtradeln. Danach – und nach erfolgter Probezeit – ging es für ihn eine Woche in den Urlaub. Wieder zurückgekehrt zieht er im Gespräch mit Volontärin Ann-Christin Fürbach eine erste Bilanz.
Ihr erster Urlaub als Klimaschutzmanager – da interessiert mich vor allem: Wie sind Sie gereist?
Stephan Baur: (schmunzelt) Mit dem Auto. Aber wir sind zu zweit gefahren, und haben das Auto vor Ort nur einmal zum Einkaufen bewegt. Ansonsten gab es Natur pur.
Ich frage wegen dem Ökologischen Fußabdruck. Schon mal getestet?
Ja, ich liege unter dem deutschen Durchschnitt, aber ich verbrauche im Jahr immer noch 4,5 Erden. So wird das am Ende ausgegeben – der Durchschnitt liegt bei sieben.
Wie sind Sie mobil?
Ich habe kein Auto – wenn ich eins brauche, dann nutze ich Carsharing – fahre Fahrrad oder nutze die öffentlichen Verkehrsmittel. Ich will mir auch kein Auto zulegen, denn nicht zuletzt in meiner Funktion sollte ich den aktiven Klimaschutz schon irgendwie vorleben.
Wie kam es, dass Sie sich beruflich mit dem Klimaschutz beschäftigen wollten?
Aus dem Weltverbesserungsgedanken heraus habe ich Raumplanung studiert – das Thema Klimaschutz hat mich aber schon immer interessiert und im Studium wird man viel damit konfrontiert. Zuletzt war ich drei Jahre am Wuppertaler Institut, wo ich zum kommunalen Klimaschutz gekommen bin. Ich fand es aber schade, dass man zu theoretisch bleibt und habe mich nach dem Master in diesem Bereich beworben.
Und so sind in Neukirchen-Vluyn gelandet. Wie war das eine Stelle zu beginnen, die es so vorher noch nicht gab?
Es ist eine spannende Aufgabe und der Neuanfang bietet viele Möglichkeiten, seine Arbeit selbst aufzubauen und zu strukturieren. Früher gab es den Agenda- oder Umwelt-Beauftragten, und heute machen wir Klimaschutz, das ist ja noch ein bisschen umfassender und beinhaltet auch Umwelt und Agenda-Themen.
Was sind denn konkret Ihre Aufgaben als Klimaschutzmanager?
Das ist weit gefächert. Ich bin zum Beispiel in der Stadtentwicklung mit tätig. Da versuchen wir Neubauprojekte so auszurichten, dass sie von Beginn an auch den Klimaschutzgedanken berücksichtigen. Dazu gehört auch der Grünflächenbereich – denn die Bäume fangen ja CO2 ein, und das einzusparen ist ja letztlich meine Aufgabe. Ich unterstütze auch unser Gebäudemanagement dabei, unsere eigenen Liegenschaften energetisch zu sanieren.
Und die Mobilität.
Da haben wir im letzten Stadt- und Entwicklungsausschuss das Okay für ein klimafreundliches Mobilitätskonzept bekommen, also den Nahverkehr auszubauen, rad- und fußgängerfreundlicher zu werden.
Die bestehenden Busverbindungen machen es Vielen nicht so einfach, auf das Auto zu verzichten.
Das Auto gehört natürlich zum Menschen dazu. Aber bei kurzen Wegen sollte man sehen, was kann ich mit dem Rad erledigen? Wie ist der ÖPNV vernetzt? Da ist noch Potenzial, das längst nicht ausgeschöpft ist. Das wird auch durch das klimafreundliche Mobilitätskonzept vorgeschlagen, zu intensivieren – vielleicht mit Park and Ride, vielleicht mit einer besseren Bustaktung.
Sie nutzen die öffentlichen Verkehrsmöglichkeiten auch, um zur Arbeit zu kommen.
Ich komme mit dem Bus aus dem Ruhrgebiet, einmal die Stunde fährt der und abends muss ich den letzten Bus um 19 Uhr nehmen, um nicht zwei Stunden nach Hause zu brauchen. Da ein besseres Angebot zu schaffen ist wichtig, auch um die Autobahnen zu entlasten.
Gibt es beim Thema Klimaschutz denn Vorreiterkommunen am Niederrhein?
Mit Rheinberg haben wir eine Kommune hier im Kreis Wesel, die sehr aktiv ist und die viel Erfahrung in interkommunalen Projekten hat. Die Kollegen dort achten darauf, auch die anderen Kommunen mit zu integrieren.
Wie wichtig ist die Vernetzung?
Es ist schon sehr wichtig. Mit dem Klimabündnis der Kommunen haben wir ein aktives Netzwerk. Das setzt dann auch ein Signal nach außen: Der Kreis bewegt sich, die Städte im Kreis arbeiten bei dem Thema Klimaschutz zusammen. Wir hatten ja auch das Lokalderby beim Stadtradeln, das hat nochmal einen Anreiz geschaffen.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Stadtradeln?
Es ist ein Projekt, das Aufmerksamkeit auf sich zieht. Letztlich bin ich sehr zufrieden mit der Leistung. Wir hatten knapp 500 Teilnehmer, sind fast 75000 Kilometer gefahren – mehr als Moers, die mit drei Mal so viel Einwohnern 52000 Kilometer hatten. Auf dieser Grundlage kann man im nächsten Jahr aufbauen und das Projekt fortsetzen.
Wie fahrradfreundlich ist Neukirchen-Vluyn denn?
Für die Voraussetzungen, die der Niederrhein bietet, ist es ausbaufähig. Man sieht zwar viele Schüler morgens mit dem Fahrrad zur Schule fahren, aber die kurzen Wege werden doch viel mit dem Auto gefahren. Im Vergleich: Wesel hat über 20 Prozent Radverkehr, wir liegen bei 16 Prozent.
Welche Projekte wollen Sie als nächstes in Angriff nehmen?
Es gilt Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. In Zukunft will ich ein Unternehmernetzwerk gründen, das sich auch mit diesem Thema auseinandersetzt. Wir wollen im nächsten Jahr mit anderen Kommunen das Thema Energiesparen an Schulen angehen. Außerdem soll es in Zukunft eine Energieberatung geben, bei der sich die Bürger aus Neukirchen-Vluyn vor Ort zum Thema beraten lassen können.
Wo hakt es noch beim Thema
Klimaschutz?
Ich glaube, viele sind doch skeptisch, weil sie denken: ‘Jetzt muss ich mein Haus sanieren und das kostet viel Geld’. Aber nein, man muss auch zeigen, dass Klimaschutz vielfältig ist und es schöne Projekte gibt. Allein im Alltag können viele kleine Schrauben gedreht werden, die CO2 sparen. Das Bewusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil gilt es zu fördern. Und dann ist es meine Aufgabe, auch solche Projekte hervorzuheben.