Kamp-Lintfort. . Westlich der Zeche, wo der Wind nicht den Kohlestaub hinblies, wohnten früher die Besserverdienenden. Bernhard Kames führt durch die Geschichte der Werkssiedlung.

  • Führung durch ein Kapitel Bergbaugeschichte von Kamp-Lintfort
  • Werkssiedlung besticht noch heute mit detailverliebter Architektur
  • Illustre Gäste im Beamten-Casino

Die braune Tür neben dem Eingangsportal der Niederrheinschule sieht völlig unscheinbar aus. Dabei verbirgt sich dahinter ein Stück Stadtgeschichte: „Hier war früher die Polizeiwache. Es gab sogar im Keller eine Gefängniszelle“, sagt Bernhard Kames. Damals hieß die 1928 erbaute Niederrheinschule noch Mittelschule und sollte gut ausgebildeten Nachwuchs für den Bergbau auswerfen. Heute ist der Bergbau Vergangenheit und auch die Niederrheinschule steht seit Ende des Schuljahrs leer. Seit sechs Jahren führt Kames für den Verein Niederrhein Touristen durch seine Heimatstadt und beleuchtet dabei vor allem die jüngere Vergangenheit rund um den Bergbau – zum Beispiel die sogenannte Beamtensiedlung.

„Der Name ,Beamtensiedlung’ führt eigentlich in die Irre“, sagt Kames. Hier, zwischen Berta-, Kruse- , Stephan- und Maria-Theresien-Straße wohnten die angestellten Steiger und die kaufmännischen Angestellten. Die, sagt Kames, titulierten sich gerne als „Bergbau-Beamte“. Dass es hier ganz anders zuging, als hinter der Zeche in der Altsiedlung, lässt sich auch heute noch erahnen. „Die Häuser hatten fließendes Wasser, Wohnungen und Gärten waren um ein Vielfaches größer“, sagt Kames. Bis zu 2500 Quadratmeter groß waren die Grundstücke, auf denen die Häuser ab 1907 errichtet wurden.

Ähnlich wie in der Altsiedlung wurde aber auch hier architektonisch darauf geachtet, zwar im gleichen Stil, nie aber gleichförmig zu bauen. Auch hier unterscheiden sich die Häuser eines Straßenzuges stets im stilvollen Detail – in der Giebel- oder Fensterform ebenso wie im Mauerwerk. „Backsteinexpressionismus“ wird die ornamentale Formensprache mit kantigen Elementen genannt, die mit einer gezielten Setzung des Backsteins die Fassaden mit Mustern verschönerten. Mit der Pflege ihrer großen Grundstücke hatten die „Beamten“ damals meist nicht viel zu tun, „dafür setzte man Zechenarbeiter ein, die aus irgendeinem Grund nicht mehr einfahren konnten“, so Kames. 1969 mit Gründung der Ruhrkohle AG war man an dem Wohneigentum nicht mehr so interessiert, so gingen die Häuser nach und nach in Privatbesitz über.

Wer ausgehen wollte, nutzte das in den 20er Jahren erbaute „Casino im Park“, das allein den Angestellten vorbehalten war. Geschichte schrieb der heutige Hotel- und Restaurantbetrieb vor allem in den 30er und 40er Jahren. Zum ersten Mal, als Edward VII. am 15. Oktober 1937 nach seiner Abdankung bei einem Besuch des Bergwerks mit seiner Geliebten Wallis Simpson vorbeischaute. Und natürlich am 25. März 1945 beim Treffen von Churchill, Eisenhower und Montgomery anlässlich der Rheinüberquerung der Alliierten.

Die Spitze der Bergwerksleitung wohnte in Villen entlang der Friedrich-Heinrich-Allee. In der „Villa A“ war der jeweilige Bergwerksdirektor zu Hause, die „Villa B“ war gedacht für den kaufmännischen Direktor. Die Villa Kellermann, wo heute das Studentenwerk der Hochschule Rhein-Waal Gastdozenten unterbringt, war der Dienstwohnsitz des Werksmarkscheiders. Der erste hieß übrigens – Kellermann!

Heute sind die großzügigen Häuser der ehemaligen Werkssiedlung am Pappelsee begehrt. Eine Gestaltungssatzung soll dafür sorgen, dass der optische Gesamteindruck der Siedlung erhalten bleibt. Ein Teil der Beamtensiedlung wird 2020 zum Landesgartenschaugelände gehören. Das Hinschauen lohnt sich jetzt schon. Führungen wird der Verein Niederrhein ab nächstem Jahr anbieten.