Neukirchen-Vluyn. Ingeborg Witt gehört der Golfplatz in Neukirchen-Vluyn. Sie betreibt ihn mit Leidenschaft für den Sport und für die Natur.
„Klee, Butterblumen, Löwenzahn – schrecklich.“ So negativ war Ingeborg Witts erster Eindruck von dem Golfplatz am Bergschenweg vor zehn Jahren. Weil direkt unter dem rund 120 Hektar großen Grundstück das Trinkwasser in Richtung Moers fließt, ist das Spritzen gegen Unkraut hier verboten. Naturschutzgebiet. Was für Ingeborg Witts im Jahr 2006, als sie den Golfplatz Nieper Kuhlen kaufte, wie eine große Herausforderung klang, wurde über die Jahre zum Alleinstellungsmerkmal der Anlage.
Heute ist der 27-Loch Platz nicht nur der einzige in Neukirchen-Vluyn, sondern hat auch das Zertifikat Golf&Natur vom Deutschen Golf Verband. Statt Gift zu spritzen und die Chemiekeule zu schwingen, zupfen und hacken die Mitarbeiter das Unkraut.
Inzwischen sieht Besitzerin Witt in dem Naturkonzept kein gegebenes Übel mehr, sondern genießt es in vollen Zügen: „Das hat Kraft, Geld und Energie gekostet“, erinnert sie sich. „Aber jetzt bereitet mir die Mischung aus Golf und Natur viel Freude.“
Der Natur ganz nah sind die Spieler auf einer 18 und einer 9-Loch Anlage in der Tat: Ein Gruppe heller Kühe käut nebenan wider und beobachtet unbeeindruckt die Golfer, die neben ihrer Weide versuchen, ihre Bälle mit möglichst wenig Schlägen ins Loch zu bekommen. Ab und an kreuzt ein Fasan oder ein Feldhase das Feld. Auch große, schwarze Vögel landen gerne auf dem Millimeter hohen Grün. Eines sucht das Auge vergebens auf dem Areal: Straßen.
Herzliche Atmosphäre
Überaltert, elitär, spießig und teuer – Vorurteile über Golfer und das Golfspielen sind nicht rar gesät. Ein Besuch „Op de Niep“ räumt zumindest mit einigen Stereotypen auf. Inhaberin Witt sagt über sich selbst: „Ich arbeite Golf mit Leidenschaft.“ Sie telefoniert mit Besuchern, organisiert das Team aus acht Greenkeepern („Wir haben eine Frau dabei, auf die bin ich sehr stolz!“) und denkt sich immerzu etwas Neues aus, um ihre mehr als 1000 aktiven Mitglieder bei Laune zu halten.
Jüngst stand das „Rot-Weiß Turnier“ auf dem Programm, passend zur Sommerzeit gab es da Erdbeerkuchen und farblich passende Kleidung der teilnehmenden Damen. Witt hat dies statt einer eigenen Geburtstagsfeier organisiert. Bei aller Professionalität und Geschäftigkeit – ganz besonders freut sie sich an jenem Tag, als ein Herr mit seinen Enkeln kommt: „Wir haben ganz, ganz tolle Kinder hier!“ ruft sie, herzt die beiden und erzählt von den Trainingseinheiten für die Kleinen. Ob im Familienverbund oder bei der Übungsstunde, schon Vierjährige haben hier Spaß.
Ebenfalls große Begeisterung verbr
eitet Karsten Schlothauer. Er ist „Marshal“ das heißt er sorgt für Ordnung auf den Platz. Er achtet auf die Kleiderordnung, aber auch darauf, dass keiner Löcher in den perfekt gepflegten Rasen hackt. „Klar muss ich auch mal schimpfen“, sagt er schmunzelnd, „aber insgesamt ist das ein sehr nettes Miteinander hier.“ Dass Golfspielen elitär ist, hält er für Quatsch.
Nur weil Blue Jeans nicht gern gesehen sind und ein Kragen am Hemd ein Muss ist? Er ist nicht etwa Arzt oder Anwalt. Viele Jahre hat Schlothauer unter Tage gearbeitet. Jetzt hat er Zeit und die verbringt er am liebsten auf dem Platz. „Klar stehen hier auch mal dicke Autos auf dem Parkplatz“, sagt er. Aber: Wenn er den Kleinwagen seiner Tochter daneben stelle, sei das genauso normal. „Wir sind hier nicht abgehoben,“ bestätigt Ingeborg Witt.
Das 19. Loch
Junge Menschen golfen und die sind auch noch bodenständig - bleibt die Frage nach dem lieben Geld. „Wer früh da ist, kann für 25 Euro starten“, erklärt Witt. Wenn man bedenke, was die Pflege des großen Geländes koste, sei das gar nicht so viel. Dabei ist Witt nicht nur die Anlage selbst wichtig, sondern auch Parkplatz und Zufahrt sollen stets in Schuss sein.
Marshal Karsten Schlothauer liebt den Platz über alles. Er schwärmt von den Tieren, der Natur, dem Miteinander auf dem Golfplatz. Dass Golf auch ein „richtiger“ Sport ist kann er beweisen: Seine Armbanduhr ist GPS-fähig und bei einer Partie Golf reißt er locker mehr als 10 Kilometer zu Fuß ab. Dazu komme die hohe Konzentration. „Ich genieße die Natur, bekomme den Kopf frei, bewege mich - was will das Herz mehr?“ fragt er und verweist noch augenzwinkernd auf das 19. Loch der 18er Anlage: „Ein kühles Weizen danach ist einfach herrlich!"