Moers. . Sahil Sadiqi wollte nicht für den IS kämpfen und floh im Sommer 2015 aus seiner Heimat. Seinen Asylantrag hat er gestellt, einen Berufswunsch hat er auch schon.
Sahil Sadiqi ist jetzt 34 Jahre alt. Eigentlich wäre er jetzt gern bei seiner Familie in Afghanistan, aber das geht nicht. Der so genannte Islamische Staat (IS) rekrutiert dort, im Süden des Landes, Kämpfer, doch Sahil möchte nicht kämpfen. Deshalb ist er geflohen. Jetzt lebt Sahil Sadiqi in Moers, in der Unterkunft für Flüchtlinge an der Rathausallee.
Bestmöglicher Schutz
Dass er nach Deutschland möchte, wenn er schon fliehen muss aus seiner Heimat, hat er immer gewusst: „Hier gibt es den bestmöglichen Schutz.“ So hat er sich im vergangenen Sommer aufgemacht, in einer Gruppe. In sechs Wochen haben sie die weite Strecke über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich bewältigt, zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Bus oder auch, übereinander gestapelt, auf der Ladefläche eines Lasters. Irgendwie hat Sahil Sadiqi es geschafft.
Was aus der Gruppe, die in Afghanistan aufbrach, geworden ist, kann er nicht mehr sagen. Das Schicksal hat sie auseinander dividiert. Auf einer Flucht ist man nur für sich selbst verantwortlich. Wenn er zurückdenkt an die unerträgliche Sommerhitze im Iran, an die halsbrecherischen Wege durch die Berge, an den Durst und den Hunger, dann kommt ihm schnell der Gedanke: „Ich hatte oft Todesangst.“ 10 000 Euro musste er unterwegs bezahlen, jetzt hat er Schulden bei den Verwandten in Afghanistan.
Freundlich und hilfsbereit
Nach Deutschland ist er mit dem Zug gefahren. Von München ging es unter anderem nach Bielefeld. Seit September wohnt er in der Flüchtlingsunterkunft an der Rathausallee. Zu Viert sind sie im Zimmer: Afghanen, Syrer, Iraker. „Man arrangiert sich“, sagt Sahil Sadiqi und es klingt nicht abwertend.
Das Bild, das Sahil Sadiqi sich vor seiner Flucht von Deutschland gemacht hat, stimmt nicht ganz: „Dass die Menschen hier so freundlich und hilfsbereit sind, damit hatte ich nicht gerechnet.“ Und respektvoll. Als er einmal abends ohne Licht Fahrrad gefahren ist, hat ihn ein Polizist angehalten: „Es war nur ein höflicher Hinweis, dass ich nicht ohne Licht fahren kann, mehr nicht.“
In Afghanistan hat Sahil Sadiqi einen Schulabschluss gemacht, der dem Abitur vergleichbar ist. Sein Englisch ist gut. Deutsch lernt er gerade und er begreift schnell. Er möchte, dass die Menschen deutsch mit ihm reden, damit er noch besser in die Sprache findet. Geträumt hat er in Afghanistan von einem Medizinstudium. Daraus wurde nichts, weil er schnell Geld verdienen musste. Viele Jahre hat er bei einem Großhändler gearbeitet. Für die junge Familie hat es gereicht.
Blick in die Zukunft
Bei seiner Einreise im vergangenen Sommer hat Sahil Sadiqi einen Antrag auf Asyl gestellt. Die Aussichten sind gut, dass er bleiben kann. Dass Afghanistan als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, ist trotz der anhaltenden Debatte in Deutschland unwahrscheinlich. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern werden oft wieder zurückgeschickt.
Aber er hat noch nichts gehört von der Behörde, und so denkt Sahil Sadiqi jetzt oft an seine Familie, die er doch so gern nach Deutschland holen möchte, und an einen Beruf. Krankenpfleger, ja, das könnte er sich gut vorstellen. Mit 34 Jahren hat man seine Zukunft ja noch vor sich.