Kamp-Lintfort. . Ehemalige Kumpel führen Flüchtlinge durch den Lehrstollen. Auf den Touren in die Bergbauvergangenheit gibt es für beide Seiten spannende Dinge zu erfahren
Klaus Deuter ist ein Mann, der nicht lange redet, sondern macht. Als im Oktober die ersten Flüchtlinge in die zur Notunterkunft umfunktionierten RAG-Ausbildung einzogen, war für den ehemaligen Bergmann, der sich um den Lehrstollen kümmert, schnell klar: „Das sind unsere neuen Nachbarn.“ Seit November, immer dienstags und donnerstags, führen er und seine Kollegen nun die neuen Nachbarn auf Zeit durch den Lehrstollen. Knapp 200 Flüchtlinge haben seitdem hier einen Blick in Kamp-Lintforts Zechenvergangenheit geworfen.
„Ist doch klar, dass die sich langweilen“, sagt Deuter. Aus sicherungstechnischen Gründen trennt ein Zaun das Gelände des Lehrstollens von der Unterkunft. Heute sind es überwiegend Kinder und Jugendliche aus Syrien, für die der Zaun beiseite geschoben wird und denen erst einmal der obligatorische Helm aufgesetzt wird, bevor es endlich losgeht. Deutsch sprechen die Jungs nicht, auch auf Englisch klappt es heute nicht. Wahrlich kein einfacher Job für die gebürtige Marokkanerin Aischa, die seit 38 Jahren in Kamp-Lintfort lebt, die Bergbau-Fachsprache gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter Nadia ins Arabische zu übersetzen. „Aber ich mache das gerne“, sagt Aischa, für die dieser Tag auch etwas Besonderes hat. „Heute sind es auf den Tag genau 38 Jahre her, dass ich selbst in Kamp-Lintfort ankam.“
Wenn Kinder da sind, setzen Klaus Deuter und Michael Kahlert eher auf ein lockeres Mitmachprogramm als auf trockene Wissensvermittlung. Mohammed (17) darf sich den Lampenriemen umschnallen und dann unter großem Gelächter mit dem Abbauhammer an die Kohle, Krach machen.
Lawand und Sieman bestaunen die alten Grubentelefone, schwingen sich auf das Grubenfahrrad und krabbeln durch den 60 Zentimeter hohen Streb. Die Jungs haben sichtlich Spaß. „Alles gut“, sagt Mohammed. Die anderen heben den Daumen und nicken.
Bei ihren Führungen treffen Deuter und Kahlert immer wieder auf Männer, die in ihrer Heimat selbst im Bergbau gearbeitet haben. „Die staunen dann immer, was wir hier an Technik schon lange ausrangiert hatten“, so Deuter. Es gebe sogar Erwachsene, die schon drei Mal im Lehrstollen waren. „Kein Problem“, sagt Deuter.