Moers/Homberg. . An der Spitze der Sachtleben-Mitarbeiter, die um ihre Firma und ihre Arbeitsplätze kämpfen, steht ein Mann aus Moers: der Betriebsratsvorsitzende Klaus Pilger.

Es ist derzeit der wohl härteste Kampf um Arbeitsplätze am linken Niederrhein. Jeder vierte der fast 1500 Beschäftigten der Firma Huntsman, ehemals Sachtleben, soll gehen. Mitarbeiter und Betriebsräte haben protestiert und verhandelt, einen „Arbeitsplatzfriedhof“ errichtet und wieder verhandelt. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht ein Moerser: Klaus Pilger, 53 Jahre alt, dreifacher Familienvater, ehemals SPD-Vorsitzender von Kapellen – und seit acht Jahren Betriebsratsvorsitzender des Homberger Chemieunternehmens.

Kein Missverständnis: Die Barrikade ist Klaus Pilgers Sache eher nicht. Er setzt sie lieber vorsichtig ein, wenn es nicht mehr anders geht, weil ihm sofort Beispiele von Gewerkschafts- und Betriebsratskollegen anderer Konzerne einfallen, die sich im Protestieren verrannt haben. „Es stimmt, was Herbert Wehner mal gesagt hat“, erklärt Pilger. „’Wer raus geht, muss auch wieder reinkommen.’ Du musst gesprächsfähig bleiben, wenn Du was erreichen willst.“

Pilger weiß zu reden. Man kann ihm im Gespräch gut zuhören, Versatzstücke aus Rhetorikseminaren kommen nicht vor, seine Sätze sind kurz, geradeaus und bestimmt, egal ob er mit einem Kollegen aus dem Werk oder einem Vorstandsmitglied spricht. Man versteht Klaus Pilger, was nicht zuletzt daran liegt, dass er gerne Bilder verwendet. Dem neuen amerikanischen Eigentümer beispielsweise hat der Betriebsrat die deutsche Mitbestimmung so erklärt: „Klar, das Auto gehört euch, ihr sagt, wohin die Fahrt geht. Aber wir sitzen am Steuer. Wir wissen, wie man den Motor so behandelt, dass die Kiste noch lange am Laufen bleibt.“

An der richtigen Stelle ‘Nein’ sagen

Was bedeutet, dass man notfalls auf die Bremse steigt: „Man muss an der richtigen Stelle ‘Nein’ sagen“, erklärt Klaus Pilger. „Die wollen 354 Jobs streichen und die fertigen Azubis wegschicken? Das können wir nicht akzeptieren.“ Als die neuen Eigentümer die Hiobsbotschaft kurz nach der Übernahme Anfang Dezember verkündeten, saß der Schock zunächst tief. Immerhin konnten die Betriebsräte die Auflage eines Programms erreichen, wonach Mitarbeiter freiwillig und mit drei Jahresgehältern ausscheiden können. Als die weiteren Verhandlungen ins Stottern gerieten, machten sich Pilger & Co. die Öffentlichkeitsscheu ihrer Chefs zu Nutze: Vor der Hauptverwaltung legten sie einen fotogenen „Arbeitsplatzfriedfhof“ an, der es in etliche Zeitungen und Fernsehsendungen schaffte – und für Bewegung bei den neuen Bossen sorgte. Inzwischen steht fest, dass die fertig werdenden Auszubildenden für mindestens ein Jahr übernommen werden. Noch ein Erfolg. 2015 folgen viele weitere Verhandlungen. Dass der Betriebsrat am Tag vor Heiligabend noch zum Fackelzug aufgerufen hat, versteht Pilger in erster Linie als Signal an die Kollegen: „Wir wollten den Druck vom Einzelnen nehmen, jedem zeigen, dass er nicht alleine dasteht. Jeder konnte erleben: Mann, das sind wir!“

Was er sich für 2015 wünscht? Klaus Pilger hat wieder ein Bild: „Unser Schiff wird Kratzer bekommen, aber wir müssen die Klippen umschiffen, dürfen keine Schlagseite bekommen und es soll möglichst niemand von Bord gehen.“