Kreis Wesel. 100.000 Wintergänse werden am Niederrhein erwartet. Ein faszinierendes Naturschauspiel, das viele Menschen beobachten wollen: Termine und Infos.

Herbst im Kreis Wesel – das bedeutet, die arktischen und nordischen Wildgänse erreichen den Niederrhein, ein Schauspiel, das Jahr für Jahr aufs neue fasziniert. Das war nicht immer so. Die Biologische Station im Kreis Wesel, die jährlich die Tiere zählt, verweist darauf, dass erst seit Mitte/Ende der 1960er Jahre arktische Wildgänse zahlreich bei uns überwintern. In ihrer eiskalten Heimat, Sibirien beispielsweise, finden die Vögel jetzt zu wenig Nahrung. Sie machen sich auf den Weg, fliegen mit dem Nordostwind nach Mitteleuropa und auch an den Niederrhein, legen dabei 4000 bis 6000 Kilometer zurück. Rund 180.000 von ihnen überwintern laut Nabu zwischen Duisburg und Nimwegen, gut 100.000 von ihnen lassen sich auf den Weiden und Feldern des Kreises Wesel nieder, zählt die Biologische Station im Kreis Wesel Jahr für Jahr. Anfangs noch scheu, lernen die großen Vögel relativ schnell, dass vom Menschen kaum eine Gefahr ausgeht, sagt Thomas Traill von der Biologischen Station. Das bietet die Chance, die Tiere zu beobachten, die Station bietet Exkursionen an (Termine siehe Box).

Zwischen November und Februar ist die Gänseschar mehr oder weniger komplett, „das kann von Jahr zu Jahr unterschiedlich liegen“, erläutert Traill. Demnach sind die Monate Oktober und der März Zugzeit – viele noch oder schon wieder unterwegs. „Seit dem Winter 2003/2004 hat die Gesamtzahl der bei uns gezählten Gänse sich nur unwesentlich verändert“, im Mittel sind es die genannten 100.000. Allerdings verzeichnet die Biologische Station teils enorme jährliche Schwankungen: Mehr als 120.000 Gänse kamen in den Wintern 2005/06 und 2022/23, in anderen Jahren waren es nur 80.000 und weniger.

Blessgans hat die Saatgans überholt – und die Nonnengans holt auf am Niederrhein

Mit Abstand die häufigste hiesige Wintergans ist die Blessgans mit im Schnitt 90.000 Vögeln, sie hat die Saatgans bereits vor Jahrzehnten überholt. Warum die Zahl von bis zu 10.000 Saatgänsen 2005/06 auf im letzten Wintern bis zu 5000 Exemplaren gesunken ist, ist unklar. Die jährlichen Zählungen zeigen immer wieder Veränderungen. So hat es die ehemals seltenste der vier häufigsten Wintergänse auf heute mehr als 14.000 Exemplare geschafft: die Weißwangengans, auch Nonnengans genannt.

Auf der Bislicher Insel starten hier überwiegend Weißwangengänse (auch Nonnengänse genannt) zu einem Rundflug.
Auf der Bislicher Insel starten hier überwiegend Weißwangengänse (auch Nonnengänse genannt) zu einem Rundflug. © NRZ | Johannes Kruck

Warum die Gänse tun, was sie tun, ist mitunter schwer zu erklären. Beispielsweise im Oktober: Mal kommen nur wenige Tiere hier an, mal bereits 90.000 Blessgänse, wie es im Oktober 2020 der Fall war, erläutert Traill. Klar ist aber ihr Ziel: fressen, um Gewicht zuzulegen, das sie dringend benötigen, um im Frühjahr zurück zu kehren und zu brüten.

An diesem Punkt machen sich die weit gereisten Gäste unbeliebt: Landwirte schätzen es nicht, dass die durch das Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein/Natura 2000 geschützten Tiere zu tausenden ihr Grünland kahlfuttern. Wer die Gänse nicht stört, beispielsweise vertreibt, hat aber ein Recht auf Entschädigung: Bauern können die Schäden bei der Landwirtschaftskammer melden. Im vergangenen Jahr haben das im Kreis Wesel 317 Landwirte getan und Schäden auf 10.245 Hektar angemeldet. Die Kammer zahlte gut drei Millionen Euro Entschädigung aus, teilt sie auf Anfrage mit. In diesem Punkt sind demnach die Kreise Wesel und Kleve Spitzenreiter in NRW. In diesem Zusammenhang ist der Anstieg der Weißwangengans übrigens weniger erfreulich: Das Umweltministerium Niedersachsen, auch dort überwintern die Gänse gerne, hat eine Langzeitstudie zu den nordischen Gänsen und ihren Folgen für die Landwirtschaft geleitet. Demnach sind Weißwangengänse deutlich gefräßiger als beispielsweise die Blessgänse.

Hier können die Gänse beobachtet werden: Exkursionen der Biologischen Station

Die Biologische Station im Kreis Wesel bietet Interessierten, die Gänse beobachten möchten, Exkursionen an. Per Bus geht es an fünf Terminen in die Gänsegebiete. Details zur Anmeldung auf der Homepage http://www.bskw.de/termine.html.

Termine der Führung: „Wildgänse am Niederrhein“ sind Samstag 25. November 2023 sowie 20. und 27. Januar, 24. Februar und 2. März 2024

Los geht’s jeweils um 10 Uhr an der Biologischen Station, Freybergweg 9, in Wesel, der Ausflug dauert knapp vier Stunden, Thomas Traill leitet ihn.

Mitmachen kostet zwölf Euro pro Person, Kinder bis 14 Jahre zahlen sechs Euro. Anmeldungen nimmt die Biologische Station unter der Rufnummer 02 81 / 9 62 52 – 0 entgegen, Email: info@bskw.de

Wer auf eigene Faust „Gänse gucken“ geht, sollte darauf achten, die Tiere nicht aufzuscheuchen und sie aus der Distanz mit einem Fernglas betrachten.