Kreis Wesel. Viele Menschen sind verunsichert: Weg von Gas und Öl – auch im Kreis Wesel gibt es Fernwärmenetze. Wie stehen die Chancen auf einen Ausbau?

Wärmepumpe? Fernwärme aus erneuerbaren Energien? Das geplante Heizungsgesetz wirft für viele Immobilienbesitzer Fragen auf. Und das damit verbundene Wärmegesetz wird die Kommunen vor Herausforderungen stellen. Wie sind die Perspektiven im Kreis Wesel?

Es gibt Fernwärmenetze, und das schon seit vielen Jahren. So versorgt die Fernwärme Niederrhein nach eigenen Angaben rund 400.000 Einwohner in Dinslaken, Moers, Voerde, Bruckhausen und Neukirchen-Vluyn. Federführend sind die Stadtwerke Dinslaken mit 70 Prozent Anteilen, je weitere 15 halten die Enni und die Stadtwerke Duisburg. Hier klingeln ständig die Telefone, „die Menschen sind verunsichert“, sagt Britta Bethe von den Stadtwerken Dinslaken. „Soll ich auf eine Wärmepumpe setzen, oder kommt demnächst die Fernwärme?“ Das Problem ist, dass das so genau heute noch niemand sagen kann. Nach dem kommunalen Wärmegesetz sollen Kommunen nun konkrete Pläne für eine klimaneutrale Heizinfrastruktur erarbeiten – kleinere Städte haben dafür bis 2028 Zeit. Funktioniert das, gäbe es erst dann verlässliche Aussagen darüber, wer wann mit einem Fernwärmeanschluss rechnen kann.

Beim Netzausbau stellt sich beispielsweise die Frage: Woher kommt die Wärme?“, sagt Bethe. Derzeit ist es ein Mix aus Holzkraftwerk, Biomasse und Abwärme der Industrie. „Wenn wir ausbauen, dann in den Bereichen, in denen wir bereits aktiv sind: Moers, Dinslaken, Voerde, Friedrichsfeld. Wesel ist für uns sehr unwahrscheinlich.“ Ohnehin blickt sie skeptisch auf Ausbaupläne, vor denen erst die kommunale Wärmeplanung stehen müsste. „Wir haben mangelnde Kapazitäten im Rohrnetzbau, es gibt Fachkräftemangel, im der Planung, im Vertrieb, der Genehmigung….“

Das Verlegen der Rohre ist sehr kostspielig

So einfach wie es klingt, ist das mit der Fernwärme nicht. „Schon jetzt dauert ein Anschluss 12 bis 15 Monate Wartezeit und zwar dort, wo schon Fernwärmeleitungen liegen.“ Es ist sehr teuer, neue Rohrleitungen zu verlegen: Sie sind dicker und zudem sind zwei Leitungen notwendig, eine für den Vorlauf und eine für den Rücklauf, erläutert Andreas Johann, Vertriebsleiter für Fernwärme, Strom und Gas bei den Stadtwerken Dinslaken. Da müsse man schon genau hinschauen, wo dieser Aufwand Sinn macht.

Schon jetzt versorgen Stadtwärme Kamp-Lintfort und Enni Teile von Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn mit Fernwärme aus dem Asdonkshof. Sie entsteht bei der Müllverbrennung und wird klimaneutral gewertet. Es wäre durchaus möglich, auch Rheinberg zu versorgen, sagt Peter Bollig, Geschäftsführer der Kreis-Weser Abfallgesellschaft. Eine Wärmegesellschaft hatte der Rheinberger Rat bereits beschlossen, gegründet ist sie indes noch nicht – beerdigt aber auch nicht. Bislang scheitert das Projekt an Wirtschaftlichkeitsfragen und liegt auf Eis. Technisch, so Bollig, sei es gut machbar: Die Fernwärme könnte entlang einer Bahntrasse zum Bahnhof Rheinberg fließen, die entsprechenden Grundstücke gehören der KWA. Alternativen könnten etwa Abwasserwärmepumpen sein.

Im ländlichen Raum gibt es bessere Lösungsansätze

Fernwärme, erläutert Bollig, mache für ältere Mehrfamilienhäuser Sinn, die aktuell noch mit Gas, Öl oder gar Kohle geheizt würden. Neubaugebiete haben ohnehin vorgeschriebene hohe Energiestandards und häufig auch festgeschriebene Heizsysteme wie etwa verpflichtende Photovoltaik oder den Anschluss an Nahwärme. Grundsätzlich sei das Fernwärmenetz, das der Asdonkshof versorgt, aber ausbaufähig, Rheinberg und eventuell Alpen kämen in Frage, auch in Richtung Dinslaken und Moers gebe es noch Potenzial. Den ländlichen Raum mit Fernwärme versorgen zu wollen, sei aber nicht rentabel. Zu teuer sind die Leitungen. „Hier bieten sich andere Möglichkeiten an. Mikronetze beispielsweise, von Landwirten mit ihrer Biogasanlage versorgt. Hier stellt sich allerdings die Frage der Versorgungssicherheit – wie lange kann der Betrieb garantiert werden?“ 2013 gab es mal eine Initiative „Wallacher machen Wärme“ für ein Nahwärmenetz – es hätte aber zu wenig Anschlüsse gegeben und zu lange Leitungen benötigt.

Selbst klassische Reihenhaussiedlungen und Einfamilienhausgegenden mit Fernwärme versorgen zu wollen, ist herausfordernd. Es würde sich nur dann lohnen, wenn tatsächlich jedes Haus angeschlossen würde. „Eine Fernwärmeleitung und die Gasleitung parallel in einem Gebiet instand zu halten, wäre zu kostspielig“, sagt Britta Bethe.

Noch ist es lukrativ, Gas zu verkaufen – entsprechend fehlt die Motivation, sagen Kritiker

Perspektiven gibt es im Kreis Wesel, aber eben auch noch viele offene Fragen, die nicht zuletzt die kommunale Wärmeplanung klären muss. Weil Gas in wenigen Jahren durch die CO2-Abgabe exorbitant teuer wird, müssen Alternativen her. Allerdings vermuten Kritiker, dass hinter den vermeintlich großen Hürden hin zu klimaneutralen Heizsystemen auch das Interesse derjenigen Akteure steckt, die derzeit noch viel Geld am Handel mit Gas verdienen.

Oder auch solchen, die von der Wartung der Heizungen leben. Innovative technische Lösungen gibt es bereits – Interimssysteme bis die Fernwärmeleitung tatsächlich kommt beispielsweise oder für ländliche Gebiete ein sogenanntes kaltes Wärmenetz, hier wird kühleres Wasser weitergeleitet und am Ende per Wärmepumpe für die Häuser aufbereitet. Wohin der Weg im Kreis Wesel geht, müssen die kommenden Jahre jetzt zeigen.