Kreis Wesel. Das 9-Euro-Ticket gibt es jetzt seit mehr als anderthalb Monaten – die Hälfte der Zeit ist damit rum. Wie kommt das Angebot im Kreis Wesel an?

Wer mit Bus und Bahn von Moers nach Wesel und zurück unterwegs ist, zahlt dafür normalerweise 12,20 Euro. So viel kosten zwei Fahrkarten der Preisstufe B, die man für diesen Abschnitt benötigt. Genauso teuer ist die Strecke beispielsweise zwischen Hamminkeln-Mehrhoog und Dinslaken. Viel Geld für wenige Kilometer – und der Preis ist ganz sicher einer der Gründe, warum viele Menschen nicht vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.

Das beweist der Erfolg des 9-Euro-Tickets, von dem bundesweit alleine im Juni 21 Millionen verkauft worden sind. Auch die Niag, als größer Verkehrsanbieter im Kreis Wesel, zieht bisher eine ausgesprochen positive Bilanz zu den Verkaufszahlen. Rund 64.000 supergünstige Tickets (Stand: 17. Juli) wurden bisher direkt von der Niag (in den Kreisen Wesel und Kleve sowie in Teilen von Duisburg) verkauft, wie das Unternehmen auf Anfrage der Redaktion mitteilte.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer noch deutlich höher liegen, denn erfasst wurden nur die Verkäufe in den Kundencentern und Vorverkaufsstellen der Niag, in den Bussen und der eigenen App. Wer sein Ticket in einem der Bahnhöfe im Kreis Wesel oder über einen anderen Anbieter mit seinem Smartphone gekauft hat, taucht in dieser Statistik also nicht auf.

9-Euro-Ticket im Kreis Wesel: Niag sieht einen positiven Effekt

„Wir sehen einen positiven Effekt“, sagt Niag-Sprecher Michael Block. Insbesondere an den Wochenenden und in den Abendstunden seien höhere Fahrgastzahlen festzustellen. „Ein abschließender oder gar repräsentativer Trend ist derzeit allerdings nicht ablesbar, da wegen der aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie unsere Verkehrszählungen nur eingeschränkt stattfinden können“, so Block weiter.

Gut gefüllte Busse hat auch Lukas Aster, der verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Kreistag, registriert. Zum Beispiel zwischen Moers und Duisburg oder zwischen Wesel und Xanten am Wochenende. Das ist aus seiner Sicht gleichzeitig eines der zentralen Probleme im Kreis Wesel – das Nahverkehrsangebot ist auf eine dauerhaft hohe Nachfrage gar nicht eingestellt. „Wir fahren hier im Kreis weiterhin im Vier-Minus-Bereich, der Nahverkehrsplan ist unterfinanziert“, sagt Aster.

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Der Politiker hält das 9-Euro-Ticket zwar rein von den Zahlen her ebenfalls für einen Erfolg, fordert aber zwei Dinge, die daraus folgen sollen: Es muss dauerhaft ein günstigeres Ticket-Angebot geben – außerdem braucht es einen Ausbau des Nahverkehrs, gerade im ländlichen Raum. „Dafür brauchen wir aber erhöhte Regionalisierungsmittel von Bund und Land. Es muss mehr Geld in den ÖPNV gesteckt werden, sonst gelingt die Verkehrswende auf dem Land nicht“, meint Aster. Denn was bringt ein günstiges und vereinfachtes Ticketsystem, wenn in Sonsbeck oder Schermbeck kaum mal ein Bus fährt?

Forderungen nach Nachfolge-Lösung werden lautet

„Damit wir im ländlichen Raum ein solches Ticket dauerhaft richtig nutzen können, brauchen wir ein entsprechendes Angebot“, findet auch Marcus Abram, Verkehrspolitiker der CDU im Kreis. Er befürchtet, dass davon ansonsten vor allem die Ballungsräume profitieren – und das Land buchstäblich auf der Strecke bleibt. Dass es eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket geben muss, betont auch der Christdemokrat.

Diskutiert werden derzeit verschiedene Modelle: Vom 365-Euro-Ticket für ein Jahr bis hin zum 69-Euro-Monatsabo, Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht jetzt die Länder bei der Tarif-Frage am Zug. Skeptisch hat sich etwa der Landkreistag geäußert, der stattdessen mehr Geld für den Ausbau des Nahverkehrs fordert.

Und was sagt die Niag dazu? „Ein weiteres Angebot für ein günstiges und über den Verkehrsverbund hinausgehendes Ticket ist sicher ein guter Ansatz, um den Umstieg auf den ÖPNV voranzubringen und damit das Klima stärker zu schützen“, meint Sprecher Michael Block. Wichtig sei es zugleich, die von den Aufgabenträgern vorgegebenen Taktungen und etwaige Lückenschlüsse in den Blick zu nehmen, um die Verbindungen besser zu machen. Umsonst gibt es das alles nicht.