Kamp-Lintfort/ Kreis Wesel. Vor allem während der Brut- und Setzzeit sind Jäger im Kreisgebiet im Einsatz, um Wild vor dem Mähtod zu bewahren. Ein Besuch in Kamp-Lintfort.
Der Tag wird um 6 Uhr grad noch wach, sie sind es schon: Karl-Heinz Göckler und Johannes Lehmbruck schauen konzentriert auf den Joystick, nehmen auf dem Display die letzten Einstellungen vor. Kurz darauf surrt es über ihren Köpfen und eine Drohne samt Wärmebildkamera steigt über dem Feld in Saalhoff in Kamp-Lintfort an diesem Morgen gen Himmel. Johannes Buchholz und Heinrich Lehmbruck schnappen sich derweil eine Plastikkiste und laufen mit Hund Anni am Fel-desrand entlang. Sie machen sich auf die Suche nach jungen Tieren – etwa Fasan, Rebhuhn, Rehkitz – um sie vor dem Mähtod zu retten.
Warum das so früh morgens sein muss? Dann seien die Wärmesignaturen der Tiere wegen des Temperaturunterschieds noch gut zu erkennen, erläutert Lehmbruck. Der Wildwarner an der Mähmaschine der Landwirte funktioniere gut bei Hasen, nicht aber bei Rehkitzen. Sie werden am Boden abgelegt, gut getarnt, kauern dort, bis die Mutter zurückkommt. Aber: „Es dreht sich nicht immer nur um die Kitze“, betont Heinrich Lehmbruck vom Hegering Kamp-Lintfort/ Neukirchen-Vluyn. Auch anderes Wild profitiere von der Arbeit der Männer. Auf dem Flugplatz in Saalhoff lebten noch zwei Rebhuhnpaare, das sei gut, „denn von ihnen gibt es nicht mehr so viele“.
Der Jäger zückt das Funkgerät: „Da ist etwas, es leuchtet ganz ganz schwach“, geben ihm sein Bruder und Göckler durch. Johannes Buchholz biegt dort, wo die Drohe fliegt, in das hohe Gras. An der angezeigten Stelle angekommen, ist aber nichts zu finden. „Könnte auch eine alte Wärmesignatur gewesen sein“, sagt Lehmbruck. Ehemalige Liegestellen sehe man mit der Kamera noch sehr lange. Noch weitere dieser Punkte wird die Drohen an diesem Morgen anzeigen. „Wie sieht der Akku aus?“, fragt Lehmbruck per Funk. „Noch 50 Prozent“, wird gemeldet. Ein Wettlauf gegen die Zeit. Und gegen das Wetter. „Ich glaube, wir bekommen gleich noch Regen, vermutet der Jäger.
Rehkitzrettung im Kreis Wesel: Viel ehrenamtliche Arbeit
Die vier Männer aus dem Jagdrevier Saalhoff/ Niederkamp machen das an diesem Morgen alles ehrenamtlich, vor der Arbeit. Dahinter steckt nicht nur das frühe Aufstehen, sondern viel Absprache und Koordination. Vor allem bedarf es aber der Zusammenarbeit mit den Landwirten. Sie melden sich vorab bei den Jägern und geben Bescheid, welche Flächen gemäht werden sollen. Das funktioniere hier sehr gut, betont Lehmbruck. Er verweist dabei auch auf vernetzte Wildackerstreifen an den Feldern, diese geben den Tieren Raum, um sich zurückzuziehen. Auch entstanden dank der Zusammenarbeit zwischen Jägern und Landwirten. „Viel ist Naturschutz“, sagt Lehmbruck. Kaum einer kenne die Natur so gut wie die Landwirte und die Jäger.
Zu sehen sind diese Wildackerstreifen auch am nicht weit entfernten Flugplatz, der nächsten Station an diesem Morgen. Er habe mit dem Tower gesprochen, sagt Johannes Lehmbruck. Vor 10 Uhr könnten sie dort hin, danach müssen sie angemeldet sein. Noch haben Jäger, Drohne und Tiere hier aber ihre Ruhe – auf dem Flugplatz sind vor allem rennende Hasen zu beobachten. Insgesamt fünf Drohnen-Piloten gibt es unter den Jägern auf dieser Rheinseite. Karl-Heinz Göckler verweist auf die Seite beim Luftfahrtbundesamt. Dort habe er die Fragen gelernt und sich dann zur Prüfung angemeldet.
Als die Drohne ein weiteres Feld entlang fliegt, setzt der befürchtete Regen ein. Nun gilt es die Technik zu schützen – 6.500 Euro ist diese nämlich wert. Zuvor begutachten sie noch eine letzte Verdachtsstelle – ebenfalls bleibt diese leer. Sie müssen an diesem Tag abbrechen, sich über den weiteren Fortgang besprechen. Können sie nicht fliegen, werden schon mal Jagdhunde wie Anni eingesetzt –auch eine Variante, aber langwieriger. An diesem Tag ist das nicht mehr notwendig, der Landwirt verschiebt die Mahd um einen Tag.
Trotzdem: Jeder Versuch, den Mähtod zu verhindern, ist es ihnen wert – auch zu dieser frühen Tageszeit. „Wir sind als Jäger dem Wild verpflichtet“, sagt Lehmbruck.
So läuft die Rehkitzrettung im Kreis Wesel
Im gesamten Kreisgebiet sind derzeit Jäger sowie andere Ehrenamtliche unterwegs, um Tiere vor dem Mähtod zu bewahren. In Alpen-Veen hat eine Gruppe um Mark Behlinger in der vergangenen Woche an nur einem Tag fünf Rehkitze gefunden, zudem noch Enten und Fasane. Die Kitze seien mit Kisten abgedeckt worden, um die Stellen für den Landwirt zu markieren, danach seien sie dann wieder entfernt worden. Die Rettung mache für ihn einfach Sinn: „Man sieht, dass sich das frühe Aufstehen lohnt“, sagt Behlinger.
Bislang sechs Rehkitze in diesem Jahr hat die Gruppe um Tobias Rösel, die im Bereich Hünxe und Dinslaken im Einsatz ist, gefunden. Aus dem Hegering heraus habe sich ein eigener Verein gegründet – auch mit Mitgliedern der Feuerwehr samt Freunden und Partnern. Rösel verweist im Gebiet rund um Hünxe auf die im Gegensatz etwa zu Hamminkeln deutlich geringere Grünfläche, auf der sich Kitze niederlassen. Dafür gebe es dort auch das Potenzial, Hirschkälber zu finden.
Vor allem gehe es um die für die Landwirte abgesuchte Fläche, betont Björn Alexander. Im Raum Hamminkeln sind so bislang bis zu 850 Hektar abgesucht und dabei 45 Rehkitze gefunden worden, sagt der Jäger. Knapp 15 Drohnen nutzen die Jäger und Tierfreunde für die Kitzrettung im Kreisgebiet.