Kleve. .

Wenn es um die Treue zum Nationalsozialismus ging, dann waren auch Klever vor 80 Jahren ganz vorne dabei. Bereits kurz nach der Machtergreifung 1933 wurden große Nazi-Aufmärsche in der Stadt organisiert und jüdische Mitbürger durch die Straßen gehetzt. „Das nationalsozialistische Denken beherrschte die Gesellschaft“, sagt in Klever Historikerin Helga Ullrich-Scheyda. Kleve machte da keine Ausnahme.

Im Gegenteil. Schon 1934 gab es nur noch einen jüdischen Jugendlichen, der auf eine öffentliche Klever Schule ging. Alle anderen hatten die Schulen bereits verlassen – dabei gab es erst 1938 ein offizielles Verbot für Juden, eine deutsche Schule zu besuchen. „Viele haben Kleve schon schnell verlassen. Zuerst waren es die Niederländer, dann die jungen Menschen und Leute, die wenig Kontakte in Kleve hatten“, erzählte Helga Ullrich-Scheyda in einem Vortrag über die Geschichte der Klever Juden im VHS-Haus.

Die Klever Stadtführerin hat sich intensiv mit der Geschichte der Juden auseinandersetzt und zahlreiche historische Akten gelesen. Anhand von Adressbüchern und Einwohnerkarten der Stadtverwaltung sowie den Papieren der Gestapo zeichnete sie ein detailliertes Bild über das Schicksal der Juden in Kleve: Wie haben sie in Kleve gelebt? Was ist mit ihnen geschehen? Wer hat sich an ihrem Besitz bereichert? Und wie ging Ausgrenzung und schließlich die Deportation der 144 Klever Juden vonstatten? Hier liefert Ullrich-Scheyda neue, wissenschaftlich aufgearbeitete Erkenntnisse.

So kann die Historikerin aufzeigen, dass bereits kurz nach 1933 die Konzentration der Klever Juden innerhalb der Stadt begann. Anhand der Einwohnerkarten lassen sich häufige Wohnungswechsel feststellen. Zwei Häuser waren besondere Zufluchtsorte: Das Haus von Bernhard Gonsenheimer (Kavarinerstraße 42) und das Haus von Gustav Rothschild (Emmericher Straße 34, heute Bahnhofstraße). Ullrich-Scheyda geht davon aus, dass sich die jüdischen Bewohner Kleve untereinander gut kannten und in den schweren Stunden einander halfen.

Ab dem 18. November 1941 wurden alle Juden im so genannten „Judenhaus“ (Heute Restaurant Stevens am Spoykanal) an der Klosterstraße 1 konzentriert. Von hier aus wurden sie in die osteuropäischen Konzentrationslager deportiert. Nachweislich haben sechs Familien und eine Einzelperson in dem Haus gelebt.

Es gab vier Deportationen aus Kleve. Der erste Transport betraf die zwei Familien Gonsenheimer und Leffmann am 27. Oktober 1941. Sie wurden ins Konzentrationslager nach Lodz gebracht. Die Organisation wurden vom Grenzkommissariat und dem Landrat als Ortspolizeibehörde vorgenommen. Die zweite Deportation startet im Dezember 1941 nach Riga. 1942 und 1943 folgten zuletzt Transporte nach Theresienstadt. Davon betroffen waren auch die Eheleute Neugeboren und Dorothea Ballizany, eine stark sehbehinderte und gebrechliche alte Frau.

Älteste Familie seit 1730 hier

Helga Ullrich-Scheyda suchte Familiengeschichten. Sie berichtet unter anderem über Cosmans, die älteste jüdische Familie in Kleve. Sie lebten spätestens seit 1730 hier und brauchten damals noch eine Konzession, um sich als „Schutzjuden“ im preußischen Kleve niederlassen zu dürfen. Anna Neugeboren, geb. Cosman, verließ dann 1943 als letzte Jüdin 1943 die Stadt.

Die Klever Juden wurden, wie anderorts auch, systematisch ausgegrenzt, erniedrigt und ihres Besitzes beraubt. Nach dem Novemberpogrom mussten viele alteingesessene Geschäftsleute aus Kleve ihre Immobilien an die vormaligen Pächter verkaufen. Häufig zu einem Spottpreis.

Helga Ullrich-Scheyda recherchierte, dass die Gonsenheimers 1939 ihr Haus an Doher verkauften, Carl Rosenberg im gleichen Jahr sein Geschäft an Walter Bender. „Als letzte verkauften Neubeborens ihr Wohn- und Geschäftshaus an der Großen Straße 90 im April 1940 an Duttenhöfer“, erzählt Helga Ullrich-Scheyda. Das Haus der Familien Leffmann habe sich die Stadt angeeignet und dort städtische Kriegsämter untergebracht.

Nötigung und Zwangsverkäufe

Bereits 1933 wurde Max Meyer als Geschäftsführer des Kinos an der Herzogbrücke entlassen und als Teilhaber des Unternehmens ausgeschlossen. „Hiervon profitierte die Lichtspieltheater GmbH Rudolf Hammer“, so Ullrich-Scheyda. Das Tabakwarengeschäft Rose ging am 20. März 1937 an Anton Grauten über. Die jüdische Familie verließ danach Kleve, ebenso wie die Familien Spatz, Sucher und Hertz.

Die Klever Historikerin ist sich sicher, dass bei der Arisierung das Spektrum von Beschlagnahmung, Nötigung und Zwangsverkäufen reichte. Im November 1938 gab es nur noch ein Geschäft in jüdischer Hand: das Textilhaus der Familie Leffmann.