Kleve.
Virtuose Musik und emotionaler Gesang im Klever Coffeehouse im Rahmen der Jiddischen Kulturtage
Irgendwann im Laufe des Abends erzählte Gitarrist Mike Horowitz eine Anekdote, deren schlüpfriger Inhalt wegen des relativ hohen Geräuschpegels im Coffeehouse vermutlich ein wenig unterging. „Im Musiker-Slang bekommen die Instrumente merkwürdige Spitznamen, so bezeichnen wir die Gitarre als ‘Axe’“: die Axt. Daraus bastelte Horowitz den Song „Kiss My Axe“, der mit der englischen Bezeichnung für ein gewisses menschliches Körperteil experimentierte.
Humor zählte ebenso wie der sehnsuchtsgetränkte rumänische Musikstil „Doina“ oder die südosteuropäische Tanzversion „Bulgar“ zum kurzweiligen Programm des Monique Lansdorp Klezmer-String Trios, das am vergangenen Freitag im Coffeehouse zu hören war.
Jiddische Klänge in
ehemaliger Schuhfabrik
Diese gemeinsam von der Volkshochschule Kleve und den Klever Jazzfreunden organisierte Auftakt-Veranstaltung anlässlich der „Jüdischen Kulturtage 2011“ fand ein sehr großes Publikum – im ehemaligen Hochlager der „elefanten“-Schuhfabrik passte kein Blatt Papier mehr zwischen die Menschen. Für Thomas Ruffmann, VHS-Dozent und selbst Klezmermusikant, ein Zeichen für die Wertschätzung und die Begeisterung osteuropäisch-jiddischer Musik.
Europäische Klezmersongs, Suiten aus verschiedenen Tanzstilen, Musik der Zigeuner, Schnipsel aus nationalen Volksmusiken und selbst gebaute musikalische Brücken zum Jazz und zu eigenen musikalischen Wurzeln verrührten Monique Lansdorp (Geige), Jet Stevens (Kontrabass) und Mike Horowitz (Gitarre) zu einem lebendigen Klezmer-Cocktail, der ganz ohne Bläsereinsatz auskam. Dafür präsentierte das Trio die Sängerin Rolinha Kross, die durch ihre Herkunft (jüdisch-tschechische Mutter, surinamischer Vater) einen passenden Background für flotte und melancholische „Kross“-Oversongs mitbrachte. Vom Jazz angehauchter Zigeunerklezmer und jiddische Traditionsmusik aus Bessarabien, Serbien oder der Bukovina entzündeten ein flammendes Klang-Inferno, dem sich kaum jemand entziehen konnte. Und wollte. Beim Instrumental über einen Rotwein trinkenden Rabbi blieb keine Hand ungeklatscht.
In der Tradition fahrender Klezmer-Musikanten spielte das Trio die „Sterne vom Himmel“, wie es sich Thomas Ruffmann wünschte, der eingangs von der hürdenreichen Anfahrt der Musiker erzählte. „Ihr Auto war auf der Autobahn zusammengebrochen wie einst die Pferdekarren.“ Eindeutig zu lang waren die Pausen zwischen den Sets, die den unvermeidlichen Kneipenlärm gewaltig ansteigen ließen.Von „Bessarabian Joc“ - Monique Lansdorp spielte dabei die selten zu hörende Trompetengeige – bis zur jiddischen Version von „Bei mir bistu shein“ (bekannt durch Zarah Leander) reichte das wohlschmeckende musikalische Menü. Songs voller Sehnsucht nach der wahren Heimat und lustig-ironische Lieder aus dem jiddischen Alltag, kombiniert mit der gewaltigen Stimme von Rolinha Kross, untermalten das Motto in bunten Farben: „A gants yiddisher un gants tsigaynerisher swing“.