Kreis Kleve. Wegen eines Unfalls auf der Bahnstrecke zwischen Kleve und Kempen müssen die Bahnfahrer nun auf Busse umsteigen. Fazit: In den Bussen wird’s eng und die Fahrt dauert eine Dreiviertelstunde länger als mit dem Zug.

Verkehrsverlagerung ist eine gute Sache, wenn nicht sogar das Mobilitätskonzept der Zukunft. Ein Detail ist dabei wichtig: Von der Straße auf die Schiene muss es heißen, und nicht von der Schiene auf die Straße. Letzteres wird zurzeit auf der Strecke zwischen Kleve und Kempen praktiziert. Erst war’s die Großbaustelle (bis Geldern), wegen des Unfalls kam dann die Verlängerung bis Kempen dazu. Weil die Aufräumarbeiten voraussichtlich bis Ende August dauern, dürfen die Fahrgäste der Nordwestbahn den Niederrhein jetzt unfreiwillig per Bus erkunden, die NRZ stieg ein und machte mit.

105 Minuten holprige Reise

Eines vorweg: Es gibt Schlimmeres als Busfahren, nach einem langen Arbeitstag aber auch weiß Gott Angenehmeres. Die Reise startet also am Klever Bus-Bahnhof, an jenem Bahnhof, an dem am Wochenende kaum ein Fahrgast über die Planänderung informiert war, Hinweisschilder suchte man vergeblich, Infos im Internet erhielt man nur auf den zweiten Blick.

Trotzdem: Die Lage ist entspannt, der Gelenkbus wartet schon, freie Platzwahl – der pure Luxus wie sich später herausstellen sollte. Weiter geht es in Richtung Bedburg-Hau mit der schmerzlichen Erkenntnis, dass die schlechte Beschaffenheit der Straßen in keinem anderen Verkehrsmittel, außer vielleicht im Planwagen, so ungebremst zu spüren ist wie im Bus. Da reißt einen jedes Schlagloch aus der Träumerei, jede Unebenheit erschwert die Unterhaltung.

Bushaltestelle ist ein Schotterplatz

Weil auf den Straßen wenig los ist, sind wir früh am Bedburg-Hauer Bahnhof, dessen Bushaltestelle eigentlich nur ein Schotterplatz ist, aber immerhin, und das ist an den Bahnhöfen im Kreis Kleve ein seltenes Bild, steht hier eine Dixi-Toilette.

Bis Kevelaer ist die Fahrt nett, man nickt den neu Zugestiegenen zu, und anders als in der Bahn, wo eine Beschallung durch nervtötende Handyklingeltöne und laute Hip-Hop-Musik, die aus den Kopfhörern Jugendlicher dröhnt, schon normal geworden ist, läuft im Hintergrund leise Joe Cockers „Summer in the City.“ Man genießt also die Fahrt auf der B9 zwischen Wiesen und Feldern und ehe man sich versieht, stellt man fest, dass der Bus mittlerweile völlig überfüllt ist. Ausländische Fahrgäste, die vom Weezer Airport kommen, fragen sich verzweifelt durch, wo sie denn jetzt umsteigen müssten. Die Koffer stehen im Gang, ein Mann mit Rollator bahnt sich seinen Weg und lässt sich erschöpft auf seinem Gefährt nieder. Der Rest steht. Bis Kempen.

Die Stimmung kippt, es wird gemeckert, der eine beschwert sich über die schlechte Luft, der andere über den Ellenbogen des Nachbars in seiner Hüfte: „Können Sie nicht aufpassen? „Wie denn, Idiot!“. Aus der hinteren Ecke das immer wiederkehrende „Mama, wie lange noch? Ich kann nicht mehr stehen“. Ein Busfahrer, der sich im Ton vergreift, ist nur die Zugabe.

"Im Bus brauchen Sie kein Ticket"

Fahrer Johannes Paulus vom Gocher Unternehmen Leineweber, mit dem ich einige Tage später unterwegs bin, ist da anders. Geduldig erklärt er, wo’s lang geht und hat noch eine Info parat, die überrascht. „Im Bus brauchen Sie kein Ticket. Den Ersatzverkehr nutzen Sie umsonst.“ Auch hier fragt man sich, warum eine solch wichtige Information im Vorhinein nicht besser kommuniziert wird.

105 Minuten dauert die holprige Reise, mit dem Zug wäre es knapp eine Stunde gewesen. Einen Vorteil hat’s in jedem Fall. Am Ende gibt es immer was zu erzählen.