Kalkar. In Kalkar muss aus lauter Not eine Turnhalle für Flüchtlinge hergerichtet werden. Nächste Woche geht sie in Betrieb. Und das ist noch nicht alles.

Der Rat der Stadt Kalkar hat am Donnerstagabend der Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) auf dem Gelände des Freizeitparks Wunderland zugestimmt. Dort können im kommenden Jahr bis zu 600 Flüchtlinge untergebracht werden. Betrieben wird die Einrichtung vom Land Nordrhein-Westfalen. Die Kalkarer Ratsmitglieder stehen der Großunterkunft einhellig sehr kritisch gegenüber, sehen aber angesichts der völligen Überforderung der Kleinstadt mit der Unterbringung von Flüchtlingen keine andere Möglichkeit. Im Rat wurde auch diskutiert, ob es nicht makaber sei, Flüchtlingskinder vor den Toren eines Freizeitparks unterzubringen.

Britta Schulz, Bürgermeisterin in Kalkar, hat für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes auf dem Gelände des Wunderland Kalkar gestimmt. Dies würde die Stadt bei der Flüchtlingsunterbringung entlasten.
Britta Schulz, Bürgermeisterin in Kalkar, hat für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes auf dem Gelände des Wunderland Kalkar gestimmt. Dies würde die Stadt bei der Flüchtlingsunterbringung entlasten. © NRZ | Andreas Gebbink

Die erste Turnhalle geht am 20. November in Betrieb

Die Mitarbeiter der Stadt Kalkar wissen derzeit nicht mehr weiter. Stefan Urselmans vom Ordnungsamt stellte die enormen Flüchtlingszahlen vor. Im September seien 18 Personen pro Woche gekommen, im Oktober 30 pro Woche und in den ersten beiden Novemberwochen 53 – im Schnitt seien es 25 Flüchtlinge pro Woche. Derzeit werde die Turnhalle der Begegnungsstätte für 60 Personen hergerichtet. Sie soll am 20. November in Betrieb genommen werden. Es wäre wiederum die erste Turnhalle im Nordkreis Kleve, die für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt wird.

Die Stadt versucht auch, die Wisseler Mühle für eine Unterbringung zu erwerben. Gespräche laufen bereits. Auf dem Wohnmobilstellplatz werden Container für bis zu 60 Personen aufgestellt, die allerdings erst Mitte Januar zur Verfügung stehen. Wo die noch im Dezember erwarteten Flüchtlinge untergebracht werden, ist noch unklar. Auch die alte Grundschule in Kalkar ist im Gespräch. Sie könnte übergangsweise genutzt werden.

Hausmeister Dirk Engels bessert die Turnhalle in Altkalkar aus. Hier soll eine Küche entstehen. 
Hausmeister Dirk Engels bessert die Turnhalle in Altkalkar aus. Hier soll eine Küche entstehen.  © NRZ | Andreas Gebbink

SPD lehnt Massenunterkunft ab

Vor diesem Hintergrund und der akuten Notwendigkeit, die Menschen nicht nur zu versorgen, sondern auch in Kindertagesstätten und Schulen unterzubringen, stimmten die Ratsmitglieder mit 23 zu fünf Stimmen für eine Landeseinrichtung. Das Land wird sich dann komplett um die Flüchtlinge kümmern – so die Theorie.

Die SPD-Fraktion sprach sich klar gegen eine Einrichtung auf dem Wunderland-Gelände aus. Die Fraktionsvorsitzende Manuela Bühner-Lankhorst, die selbst in einer ZUE gearbeitet hat, hält diese Form der Unterbringung für völlig ungeeignet. In Bonn sei eine ZUE von 480 auf 330 Flüchtlinge verkleinert worden, weil das Gewaltschutzkonzept nicht mehr gewährleistet werden konnte. Ähnliche Gefahren sieht sie auch auf Kalkar zukommen: „Die Polizeiwache ist nicht immer besetzt und auch die Polizei in Kleve hat zu wenig Personal für eine solche Einrichtung“, so Bühner-Lankhorst.

Kinder werden in ZUE in der Praxis nicht gut beschult – nur betreut

Angesichts der unterschiedlichen Nationalitäten, die in einer ZUE untergebracht sind, seien Konflikte vorprogrammiert. In Weeze, wo zwei große ZUE betrieben werden, gebe es seit zweieinhalb Jahren kein Beschwerdemanagement mehr. Dieses sei eigentlich vorgeschrieben. Auch gebe es keine Schulzusage für die Kinder, sondern mehr oder weniger nur eine Beschäftigung.

Der Rat der Stadt Kalkar stimmte am Donnerstagabend für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes auf dem Gelände des Wunderland Kalkar.
Der Rat der Stadt Kalkar stimmte am Donnerstagabend für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes auf dem Gelände des Wunderland Kalkar. © NRZ | Andreas Gebbink

Ratskollege Kai-Uwe Ekers (SPD) findet es makaber, Flüchtlingskinder in Sichtweite eines Freizeitparks unterbringen zu wollen, zu dem sie keinen Zugang hätten. Der Kreis Kleve verfüge über zahlreiche Immobilien, die für Flüchtlinge genutzt werden könnten. Zum Beispiel den Fingerhutshof. Doch der Kreis wolle diese Gebäude nicht öffnen. „Vielleicht müssen wir der Bezirksregierung zeigen, dass wir am Limit sind“, sagte Ekers. „Es ist keine Schande, das auch mal zu sagen.“

Flüchtlinge heizen in Altkalkar mit geöffnetem Ofen

Bürgermeisterin Britta Schulz betonte, dass sich niemand in Kalkar eine ZUE wünsche: „Es ist eine Notwendigkeit. Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Mehr geht nicht.“ Schon jetzt habe die Stadt keine Hausmeister mehr, die sich um die bestehenden Einrichtungen kümmern könnten. Die Toiletten in der Einrichtung in Altkalkar seien schon zweimal verstopft gewesen – und niemand könne sich darum kümmern. In den Unterkünften werde mit offenem Ofen und eingeschalteter Herdplatte geheizt. „Alle Flüchtlinge brauchen Kita- und Schulplätze. Diesen Herausforderungen sind wir nicht gewachsen“, so Schulz.

Das Forum, die CDU (außer Carsten Naß), die FBK, Boris Gulan (FDP) und die Grünen stimmten schließlich für die Errichtung einer ZUE im Wunderland.

Das sagt der Wunderland-Geschäftsführer

Wunderland-Geschäftsführer Marten Foppen sagte der NRZ, dass er ein Gespräch mit der Bezirksregierung geführt habe und dass man sich gemeinsam das Gelände angesehen habe. Wo letztlich die ZUE aufgebaut wird, stehe noch nicht fest. „Uns stehen 55 Hektar zur Verfügung, da gibt es mehrere Möglichkeiten“, so Foppen. Wichtig sei für ihn: „Wir sind ein Freizeitpark und wir bleiben auch ein Freizeitpark. Die Unterbringung von Flüchtlingen darf niemals unserem Kerngeschäft im Wege stehen.“

Ob er mit dem Land NRW letztlich einen Vertrag schließen wird, ist noch offen. Dies hängt für ihn auch von den Umständen ab. Auch über finanzielle Aspekte sei mit dem Land noch nicht gesprochen worden. Klar sei aber für ihn auch, dass er der Stadt angesichts der enormen Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage helfen möchte.

Ob es makaber sei, Flüchtlingskinder in der Nähe eines Freizeitparks unterzubringen, wollte Foppen nicht kommentieren. Er sagte nur: „Es wird sicherlich so sein, dass wir diesen Kindern auch eine Möglichkeit geben werden, eine schöne Zeit zu haben.“

>> Was bedeutet eine ZUE in Hönnepel?

Das Land NRW übernimmt alle Kosten für eine Landeseinrichtung und es werden keine weitere Asylbewerber mehr der Stadt Kalkar zugewiesen.

Die ZUE könnte auf dem Zirkusplatz vor dem Freizeitpark errichtet werden. Einen genauen Standort gibt es noch nicht.

Ob es eine zusätzliche Busverbindung nach Kalkar geben wird, ist noch nicht geklärt. Die Ausgestaltung der ZUE wird zwischen dem Wunderland Kalkar und dem Land NRW erfolgen.