Weeze. Das Festival San Hejmo in Weeze verbindet Musik und Street Art. So kam ein ukrainischer Sprayer her und so erklären mehrere Künstler ihre Werke.
Das Festival am Flughafen Weeze mit deutschen Musikstars und internationalen Graffiti-Künstlern geht in die zweite Runde: San Hejmo erwartet am Freitag und Samstag, 18. und 19. August, 50.000 Menschen an zwei Tagen, diesmal mit Camping Angebot. „25.000 am Tag, das ist ja überschaubar“, nimmt es das Team von San Hejmo gelassen. Denn es sind dieselben Macher, die vier Wochen zuvor 225.000 Besucher beim Parookaville gehandelt haben. Es ist aber mehr als ein Musikfest, es ist eine gigantische Open Air Galerie mit namhaften Künstlern. Einige waren bereit, ihre Werke zu erklären.
Eine riesige Galerie mit gigantischen Werken
Beim San Hejmo, was übersetzt heilige Heimat bedeutet, geht es um Urban Art, um Handgemachtes, relaxed, zum Genießen. So ist auch die Kunst ringsrum: Eine riesige Galerie mit gigantischen Werken beispielsweise von Thomas Baumgärtel, dem Bananensprayer.
Stefan Dicks, Creative Director fürs Festival – und Bruder von Bernd Dicks, dem sonstigen Frontmann aus dem Macher-Team – hat sich in der Szene umgetan und fürs Urban Art Lineup Spannendes entdeckt. Die Street Art sei eine weitere Facette der Kultur, mit ihr wolle „das Festival erreichen, dass man dem Alltag entfliehen kann, sich ausleben und inspirieren lassen kann“, beschreibt er.
Sasha Korban aus der Ukraine wurde seit Anfang des Krieges bekannt
An den Türmen im Gelände wurden Graffiti und Malereien angebracht, die Künstler direkt aus ihren Galerien zugeschickt hatten. 60 Art-Pieces sind es, insgesamt 130 Kunstelemente und davon 54 in der Open Art Gallery.
Sechs Murals, drei Stockwerke hoch, wurden von den Hebebühnen aus gesprayt. Eines davon stammt von Sasha Korban aus der Ukraine. Stefan Dicks erzählt: „Bei der Recherche haben wir sehr schnell Sasha entdeckt, der damals Anfang des Krieges sehr bekannt geworden ist durch ein Motiv einer zerrissenen Ukraine-Flagge, die wieder zusammengenäht wird. Das Motiv ist sehr präsent gewesen. Wir haben sofort Kontakt zu Sasha aufgenommen. Er hatte gleich Lust, am Festival teilzunehmen.“
Seine Ausreise wurde aber nur mit triftigem Grund gestattet. „Wir haben Sasha eine offizielle Einladung geschickt, die reichte aus. Als Botschafter trägt er jetzt die ukrainische Kultur zu uns,“ sagt der kreative Direktor.
Vom Bergarbeiter zum Urban Artist
Sasha Korban stammt aus der Region Donezk, Ukraine. Von 2006 bis 2011 arbeitete er als Bergarbeiter. Mit Street Art hat er sich erstmals 2002 beschäftigt, seine Karriere als Urban Artist begann aber erst 2009 und veränderte sein komplettes Leben. Seine Kunstwerke stellen Figuren und Porträts in verschiedenen Techniken und Stilen wie Realismus, Pop Art und expressiven Konzeptualismus dar. Er lebt und arbeitet in Kiew.
Insgesamt wurden 7000 Sprühdosen vermalt, zählt Stefan Dicks auf. Um wetterfest zu sein, werden die Kunstwerke mit einer Lasur versiegelt und für die Folgejahre erhalten. Auch in diesem Jahr sind ein paar der Werke aus 2022 noch einmal in der Öffentlichkeit zu sehen. Auch für die Künstler sei eine Open Air Galerie ist etwas Besonderes, sagen die Dicks‘.
Katze und Maus spielen Karten
Die deutsch-pakistanische Graffiti-Künstlerin Jasmin Siddiqui alias Hera kehrt nach San Hejmo zurück. Sie verbindet in ihren großflächigen Murals berührende Motive – häufig von Mädchen und Frauen – mit unverkennbarer Typographie und eindringlichen Botschaften. Im vorigen Jahr war ein Wolf ihr Motiv, diesmal Katze und Maus.
„In meinem Bild geht es um die Musik, die andere besänftigt. Andere, die sich vielleicht auch feindlich gegenüberstehen. Man sieht ein großes Gesicht und auf dessen Kopf spielen Vögel Gitarre und Bass. Und noch ein weiterer Vogel spielt ein anderes Instrument. Dann gibt es noch irgendeinen Charakter, der Musik macht. Und alle diese Musiker, die begleiten die beiden Charaktere in der Mitte: Katze und Maus, die wiederum gerade sehr vertieft in ein Kartenspiel sind. Die spielen gegeneinander und trotzdem ist es eine sehr vereinende Situation. Also Unity. Obwohl die Gegner im Kartenspiel sind, spielen sie ja miteinander.“
Ihr Titel dazu heißt „Inside my mind, there was music, that turned foes to friends.“ Das passe zu einem Musikfestival, weil Musik eine vereinende Kraft habe, sagt sie. doch sie sieht auch eine soziopolitische Botschaft, „da ich eben nicht vergessen habe, dass es auf der Welt, gerade während wir jetzt hier feiern, andere Fronten gibt, an denen Menschen sich feindlich gegenüberstehen.“
Heras Kunstwerke sind überall auf der Welt auf Fassaden zu sehen, in Sao Paulo, Moskau, Miami, Kathmandu, Paris, Melbourne und anderswo.
Frauen müssen eine Meinung haben dürfen
Politische Aussage verbindet auch Amanda Arrou-tea alias Mandi Oh mit ihrem Gemlde 2023 fürs Urban Art Festival in Weeze. Das Gesicht einer Frau, halb unter Wasser. „Es geht für mich darum, dass die Stimme der Frauen gehört wird. Dass sie nicht ignoriert werden, dass die Frauen eine Meinung haben dürfen und auch über alles reden dürfen. In jedem Bereich des Lebens“, erklärt sie dazu. Amanda Arrou-tea alias Mandi Oh stammt aus dem spanischen Baskenland. Sie studierte bildende Künste in Spanien, Frankreich und Mexiko. Seit ihrer Kindheit sind Meerjungfrauen-Motive ihre Leidenschaft. Die teils hyperrealistischen Werke – häufig von Frauen im oder unter Wasser – der Wahl-Berlinerin zieren heute bereits Fassaden und Leinwände in ganz Europa.
Heimat kann auch eine Person sein – mein Sohn
Eine besondere Faszination durch die weiß-blaue Schlichtheit übt das Werk von Jaqueline de Montaigne aus. Die Portugiesin ist zum ersten Mal beim San Hejmo. Am Mittwoch legt sie letzte Hand an, dann muss sie schnell zum Flugzeug - Termine.
Ihr Wandgemälde bezieht sie ganz wörtlich auf das Thema des Festivals, Heimat. „Mein erster Gedanke war, dass Heimat eine Person und nicht ein Ort sein kann. Es ist also ein Porträt meines älteren Sohnes, der eigentlich elektronische Musikfestivals liebt. Also dachte ich, das wäre ein guter Ort dafür.“ Die Farben und die Muster im Hintergrund wählte sie, weil sie „für den Süden Portugals und die Tradition“ stehen. Die Schwalbe im Motiv assoziiert sie mit „Familie, Zuflucht und der ständigen Rückkehr nach Hause“. Jaqueline de Montaigne ist eine autodidaktische Künstlerin (zuletzt in Peru, Brasilien, England, Italien und Portugal zu sehen), sie ist eigentlich studierte Medizinethikerin.
Es gibt noch Karten
Es gibt noch Karten für das Festival mit Urban Art und einem Staraufgebot. Im musikalischen Part treten über 50 Musiker*innen auf, darunter Cro, Marteria, Rin, Sido, Alligatoah, Wanda, Provinz, Alle Farben, Sportfreunde Stiller, Von Wegen Lisbeth, Apache 207, Die Fantastischen Vier und mehr. Kostenloser Eintritt über den Kulturpass (Angebot der Bundesregierung für 18-Jährige). Karten gibt es ausschließlich online. Man kann aber sogar noch vor der Eingangstür stehend übers Handy den Einlass buchen.