Kleve. Mobilitätskonzept für Kleve: Verkehrsausschuss und Verwaltung erhoben gegenseitig Vorwürfe. Warum zwei Jahre aus Sicht der Politik vertan wurden.
Die meisten Mitglieder im Verkehrsausschuss waren sehr ungehalten, als ihnen nun das Mobilitätskonzept für Kleve vorgelegt wurde. Über zwei Jahre waren ihre Anträge zu Einzelmaßnahmen immer wieder aufgeschoben worden mit dem Hinweis, man müsse genau dieses Konzept des BSV (Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.–Ing. Reinhold Baier GmbH) als handlungsorientierte Grundlage für die künftigen Entwicklungen im Bereich der Stadt- und Verkehrsplanung Kleves erst mal abwarten. Nun ist es da und bringe überhaupt keine Antworten.
„873 Puzzleteile, die wir zusammenfügen müssen. Was steckt hinter den Maßnahmen? So kann man mit diesem Ausschuss nicht umgehen“, empörte sich Peter Brückner von der SPD. Unter den 873 Punkten sei vieles auch aufgebauscht, weil zusammenkopiert und mehrfach genannt.
Die Verwaltung solle mit dem Gutachterbüro noch ernsthafte Gespräche führen
Er erwartete, dass die Verwaltung mit dem Gutachterbüro „noch ernsthafte Gespräche“ zu führen habe. Und auch die Verwaltung habe die bereits im Februar genannten Bedenken der Fraktionen nicht im aktuellen Abstimmungspapier übernommen. „Wir wollen keinen Kleinkrieg auf der Straße, nicht ein Gegeneinander der Verkehrsmittel. Es gibt gute Gründe, ein Auto benutzen zu müssen.“ Das Büro Baier habe aber vom „verstaubten Radverkehrskonzept aus 2010 die Patina nicht entfernt, sondern es einfach übernommen“. Zum Beispiel fehlten gute Umstiege am Bahnhof von Bus auf Zug auf Rad. Das Gutachten sei relativ schnell aus dem Punkt ÖPNV ausgestiegen.
Für die Grünen vermisste Gabor Klung eine Priorisierung im Gutachten: Welche Maßnahmen sind wichtig? Längst hätte man die leerstehende Rathaustiefgarage zu einer Radgarage machen können, erinnerte er.
Bürgerworkshop sei nicht mehr gewesen als bunte Punkte an eine Tafel zu kleben
Technischer Beigeordneter Jürgen Rauer sagte, es sei sicher spannend, „wie wir und Sie nun Prioritäten setzen“. Und vom Radverkehrskonzept sei ja bereits ein großer Teil umgesetzt, zum Beispiel Fahrradstraßen und Radfahren entgegen der Einbahnrichtung.
Detlev Koken, Grüne, hinterfragte wo denn der versprochene für die Politik zu diesem Thema bleibe. Wolfgang Linsen, Sachkundiger Bürger für die Offenen Klever, beschrieb, dass der „angebliche Bürgerworkshop nichts anderes war als bunte Punkte an eine Tafel zu kleben“ aufgrund einer Präsentation ohne Diskussion und das sei über ein Jahr her. Nichts davon sei in das Gutachten eingeflossen.
Beigeordneter: Stadtverordnete nehmen ihre Stellung nicht ausreichend wahr
Beigeordneter Jürgen Rauer gab der Politik zurück: „Es liegt doch an Ihnen, was der Kämmerer als Summe X jedes Jahr einsetzt.“ Das war zu viel für Jannik Berbalk, der als sachkundiger Bürger (Fridays for Future) für die SPD im Ausschuss sitzt. So viel Zeit sei unnütz verstrichen, schimpfte er. Seit 2020 habe man immer wieder Anträge zurückgestellt mit dem Verweis auf dieses Konzept. „und jetzt heißt es plötzlich, wir sollen das entscheiden? Ich fühle mich nicht mitgenommen.“ Rauer entgegnete: „Trotzdem Sie sind der Auftraggeber“ und unterstellte, dass „die Stadtverordneten ihre Stellung nicht ausreichend wahrnehmen“.
Bürgermeister Wolfgang Gebing trat seiner Verwaltung zur Seite: Der Haushalt ist das wesentliche Steuerungselement für den Rat. „Sie geben Handlungsaufträge, die wir erfüllen müssen.“ Abhängig sei das jedoch auch von dem Personal im technischen Bereich – Stellen seien über Jahre ausgeschrieben und unbesetzt. Die Stadt überlege jetzt, duale Studiengänge einzuführen – auch das sei schwierig, weil die nächste TH weit entfernt sei.
Der Enthusiasmus ist in Enttäuschung umgeschlagen
Rauer ergänzte, man müsse den Personalressourcen-Bedarf prüfen und den Stand der Fördermittel. Er erinnerte, dass allein die Neuordnung der Straßenverkehrsordnung einiges im Radverkehrskonzept geändert habe. Daniel Rütter, FDP, sagte: „Wir alle hatten einen anderen Erwartungshorizont an das Konzept. Der Enthusiasmus ist in Enttäuschung umgeschlagen. Es ist nicht die Fachexpertise, die uns schlauer gemacht hätte.“ Georg Hiob, CDU, fand „den Weg sperrig und anstrengend lang“. Er hoffe darauf, dass sich nun die anderen Parteien nicht in Kleinst-Anträgen verlieren. Genau das aber kündigte Jannik Berbalk an.
Trotzdem musste der Ausschuss mit Ja stimmen
Weil ein schneller Beschluss des Konzeptes nötig ist, um Förderanträge zu stellen, stimmte der ungehaltene Ausschuss trotzdem einstimmig zu bei einer Enthaltung – von Jannik Berbalk. Der machte nach dem Ausschuss seiner Frustration mit einem langen Schreiben Luft. Er zweifele, ob „der Bürgermeister als auch die Verwaltung sich im Klaren darüber sind, welches Desaster hier angerichtet wurde.“