Kleve. Ein 17-Jähriger und ein 19-Jähriger spannten ein Segel auf die Eisenbahnbahn-Draisine und ließen sich treiben - mit überraschendem Ergebnis.
Ganz schön windig. Eigentlich bestes Segelwetter. Auch auf der Schiene. Schiene? Ja, zwei junge Männer, Fabian Scholten und Richard Germer, haben den Versuch gestartet, sich mit Windkraft über die Schienen der Draisine zwischen Kleve und Kranenburg treiben zu lassen. Ob das gelingt?
Freunde warnten, der Wind hier auf dem Land reiche bestimmt nicht aus
So wirklich glaubten Fabian Scholten (17) und Richard Germer (19) selbst nicht daran. Aber sie wollten es probieren. Sie fragten Freunde, ob die beim Schleppen und Segelsetzen helfen, doch die trauten der Sache nicht: „Du kommst doch nicht vorwärts. Das ist doch Quatsch. Der Wind hier auf dem Land reicht nicht aus,“ zitiert Fabian Scholten die Antworten. „Richard und ich waren die einzigen, die sich dann wirklich aufgemacht haben“, das 250 Kilogramm schwere Gefährt allein durch ein bisschen Niederrhein-Wind antreiben zu lassen. Somit gibt es auch kein Foto, auf dem beide zusammen auf ihrem Gefährt sitzen, sie fotografierten sich halt gegenseitig. Nur Fabians Vater sprach den Experimentierern Mut zu. Er ist der Geschäftsführer der Grenzland-Draisine-Gesellschaft und gab ihnen die Erlaubnis. „Er hat gesagt: Jungs macht das gerne“, erzählt der 17-Jährige.
Die Evangelische Jugend Kleve lieh den beiden Experimentierern das Segel aus
Die beiden jungen Männer haben vorher ausgerechnet, wie der Wind steht. „Wir kommen ja vom Segeln“, da lernt man das. „Ich bin aktiv in der Klever Segelgemeinschaft KSG. Wir beide kommen aber von der Evangelischen Jugend Kleve, der Effa. Da gibt es das Projekt Exodus,“ berichtet er. Auf dem Jugendsegelkutter Exodus lernten sich Fabian Scholten und Richard Germer einst bei einer Ferienfreizeit kennen. „Dank der Effa war unser Projekt überhaupt erst umsetzbar. Von dort haben wir das Segel ausgeliehen.“ Fast fünf Quadratmeter groß spannten sie es über der Drasine vor dem Wind auf.
Mit Formel errechnet: Reibung zu Windstärke
Mit einer simplen Rechen-Formel, so sagt Fabian Scholten, hatten die Segler überschlagen, wie viel Geschwindigkeit man mit dem Segel aufbaut, „das haben wir dann versucht zu übertragen. Wir haben die Formel quasi gegeneinander gesetzt – also Reibungen gegen die Schienen zu Windstärke – und haben dann kalkuliert, dass wohl drei Windstärken reichen müssten, um vorwärts zu kommen“, sagt der Schüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, an dem er naturwissenschaftliche Kurse belegt. Sein Freund aus Nieukerk besucht in Geldern das Kolleg mit Fachrichtung Ingenieurwissenschaften. Und trotzdem: „Eigentlich haben wir es nicht wirklich geglaubt, denn es hätte ja sein können, dass die Draisinen bremst oder Blätter auf der Schienen liegen und so weiter.“
Dann kam der Tag Ende Dezember, „als wir tatsächlich dort standen, uns wirklich auf die Draisine gesetzt haben, das Segel aufbauten. Ich hatte die letzten Schnüre festgemacht, da nahm Richard die Füße vom Boden und plötzlich fing der Wagen an zu fahren. Das war ein unglaubliches Erfolgserlebnis! Das war in dem Moment einfach unfassbar. So eine schwere Draisine kriegt man nicht einfach getragen und dann mit dem Gewicht plötzlich in Schwung zu kommen – das ist echt super.“ Als sie da rollten und immer schneller rollten, kam ein Fahrradfahrer auf der parallelen Radschnellstrecke vorbei, fotografierte das kuriose Treiben und setzte es auf Facebook.
Der Fahrradtacho zeigte beim Schienen-Segeln 20 Stundenkilometer an
Das WDR-Fernsehen bekam Wind davon und bat das Duo und Wiederholung. Für das Fernsehteam der Aktuellen Stunde setzten sich Fabian Scholten und Richard Germer kurz vor Silvester noch mal auf das Schienen-Fahrrad, ohne die Pedale zu bedienen. „Diesmal hatten wir bis zu 5 oder sogar 6 Windstärken. Das war tatsächlich schnell.“ Sie ließen auf dieser Segeltour den Fahrradtacho mitlaufen und kamen auf großartige 20 Stundenkilometer. „Echt beeindruckend, finde ich“, sagt Fabian Scholten. So schnell fährt die Draisine, die bekanntlich keine Gangschaltung hat, üblicherweise nicht.
„Wir haben uns schon versprochen: Wir warten auf einen winterlichen Tag mit viel Wind, dann wollen wir das noch mal ausprobieren“, auch gern mit Freunden „oder wenn sich sonst noch jemand meldet zum Mitkommen.“ Jetzt, da es geklappt hat, gibt es mehrere junge Leute, die eine solche Fahrt cool fänden.
Nur im Winter möglich
„Die Evangelische Jugend würde uns jedenfalls so einen Segel wieder ausleihen“, weiß Fabian Scholten. „Für alle anderen ist das nur schwerlich nachzumachen. Die Grenzlandreisen bietet das Angebot natürlich noch nicht an“, lacht er. Während des Betriebs der Draisinen sollte man auf keinen Fall schienen-segeln, um keine langsameren Fahrgäste auf einer Draisine vor sich aus dem Fahrradsattel zu schubsen. Das geht nur im Winter, wenn keine Draisinen touristisch unterwegs sind.
Was er aus dem Unternehmen lernt? Fabian Scholten antwortet spontan: „Wenn man eine verrückte Idee hat, muss man einfach durchziehen und sich nicht aufhalten lassen.“
Mit der Evangelischen Jugend Effawaren Fabian Scholten und Richard Germer bisher auf dem Jugendsegelkutter Exodus (maximal zwölf Leute Besatzung) unterwegs in Nord- und Ostsee bis 30 Meilen vor der Küste in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden. Die nächste Jugendferienreise geht nach England. Anmeldung für Freizeiten unter https://www.effa-segeln.de/?page_id=54.
Auf der Grenzland-Draisine beginnt am 1. April wieder die reguläre Saison. Die Reservierung sind über das Buchungssystem Tel. 02826/9179900 und per Email an info@grenzland-draisine.eu möglich. Kosten: 13 € (Montag bis Donnerstag) bzw. 16 € (Freitag bis Sonntag & Feiertage). Es gibt außerdem spezielle Themen-Fahrten und touristische Kombi-Angebote.