Kleve. Robinson – seit 50 Jahren Abenteuer mit Säge und Lagerfeuer. Jedes Kind kann hier frei spielen. Wie die Wildnis entstand und was sie heute ist.

Halb Kleve ist mit dem Sand gebaut, der hier abgegraben wurde, sagt man. Die riesige Sandgrube wurde dann nach dem Krieg mit Bauschutt verfüllt. Da findet man auch heute noch Bordsteinkanten und Ziegel, wenn man genug gräbt. Und hier wird reichlich gegraben. Es ist der Robinsonspielplatz an der Nimweger Straße, Ecke Brabanter Straße, umgeben von hohen, wild überwucherten Hängen mit Bäumen und Büschen. Dass er das ganze Jahr geöffnet ist, auch außerhalb der Ferien, dafür haben die Kinder selbst gesorgt.

Die Kinder schalteten sogar den Bundespräsidenten ein

Jahre dauerte ihr Einsatz dafür. Sie schalteten sogar den Bundespräsidenten ein. Vor genau 50 Jahren wurde dann der Robinsonspielplatz als feste Einrichtung der Stadt Kleve gegründet. Damals wie heute geht es hier um kindliche Freiheit. Um Toben und Schaufeln, um Sägen und Hämmern.

Robinson Spielplatz Kleve
Robinson Spielplatz Kleve © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Die rund 8000 Quadratmeter bespielbare Fläche waren Ende der 60er noch etwas mehr Urwald als heute. Aber unverändert können Kids Holzbretter, Pappe, Seile, Zollstock, Spaten, Laubharke und Schaufeln bei den Betreuern ausleihen. Für drei verrostete Nägel bekommt man einen neuen – da lohnt sich das Suchen, da liegt nichts herum.

Anfangs verlieh ein Rentner sein Werkzeug an die Kinder

Tatsächlich hatte das Jugendamt der Stadt von sich aus schon Ende in den 60er Jahren den Robinson-Abenteuerspielplatz als Angebot in den Sommermonaten geöffnet. Die Kinder wollten aber auch nach den Ferien wiederkommen. Es machte sie traurig, dass immer wieder das Personal wechselte, weil es nur ABM, (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) für ein paar Monate gab. Sobald sie jemanden lieb gewonnen hatten, mussten sie wieder Abschied nehmen. Es gab keine kontinuierliche Bezugsperson, nur eine Blockhütte aus Telegrafenmasten, aus der heraus ein Rentner sein Werkzeug an die Kinder verlieh.

Regeln einsehen, Probleme bewältigen, Entscheidungen treffen

Herrliche Wildnis mit viel Platz zum Hütten bauen, Verstecken und auch eine Fläche zum Fußballspielen gibt es auf dem Robinson-Spielplatz Kleve
Herrliche Wildnis mit viel Platz zum Hütten bauen, Verstecken und auch eine Fläche zum Fußballspielen gibt es auf dem Robinson-Spielplatz Kleve © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Bis Sozialpädagoge Helmut van Bebber und Praktikantin (Erzieherin) Birgit Janhsen mit Kindern und Eltern den Kampf als Initiative begannen. Ein festes Haus sollte her mit fest angestelltem Personal, damit auch im kühleren Monaten Betreuung möglich würde. Birgit Janhsen beschrieb, was die Kinder auf dem „Robi“ erleben: Regeln einsehen, Probleme bewältigen, Entscheidungen treffen, akzeptiert werden und akzeptieren“.

NRW-Ministerpräsident Johannes Rau schrieb: „Ich drücke euch die Daumen“

Im Oktober 1984 schrieben Klever Kinder an den Bundespräsidenten „Wir haben ein Problem“, und sie schilderten, dass das Jugendamt sie „alleine“ lasse. „Wir wissen nach der Schule nicht, wo wir hin sollen. Können Sie nicht einmal mit den Leuten vom Amt reden?“ fragte zum Beispiel Holger. Bundespräsident Richard von Weizsäcker ließ zurückschreiben, dass Kleve mit einem Abenteuerspielplatz schon einen Vorsprung gegenüber anderen Städten habe, er kein Geld geben könne, aber mit der Stadt reden wolle. Parallel antwortete NRW-Ministerpräsident Johannes Rau dem jungen Marco. Er wusste, dass Kleve einen Hausbau plane. „Ich drücke euch die Daumen“.

Politiker mussten sich harten Diskussionen stellen

Wer graben will, darf graben, zeigt Thomas Lübeck.
Wer graben will, darf graben, zeigt Thomas Lübeck. © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Eltern boten Hilfe beim Hausbau an, Politiker mussten sich den Bürgerversammlungen harten Diskussionen stellen. Die Stadt wollte nicht mit einer Initiative verhandeln, erst musste ein Verein gegründet werden. Die politischen Debatten ums liebe Geld beschäftigten viele Ausschüsse, der erste Spatenstich für ein 200.000 D-Mark-Haus wurde immer wieder verschoben. Vor genau 50 Jahren aber hat’s geklappt.

Thomas Lübeck, Sozialpädagoge: „Der Platz gibt Freiheiten auch für mich.“
Thomas Lübeck, Sozialpädagoge: „Der Platz gibt Freiheiten auch für mich.“ © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Betreuer war „schockverliebt in den Robinsonspielplatz“

Wie verlässlich die Betreuung seither ist, sieht man am Sozialpädagogen Thomas Lübeck. Vor 25 Jahren lernte er den Platz in seiner Ausbildung kennen, seit drei Jahren leitet er ihn mit Patrick Schwake. „Ich habe mich sofort schockverliebt in den Robinsonspielplatz. Genau das, was ich mit Kindern machen möchte. Es gibt endlos viele Möglichkeiten – das gilt für die Kinder und auch für mich. Das hier ist bezahlte Selbstverwirklichung“, lächelt er.

Die Kinder sollen sich selbst eine Beschäftigung suchen

„Die Kinder sollen sich selbst eine Beschäftigung suchen. Wir haben nur die Ohren auf, um sie zu unterstützen bei ihren Bauprojekten. Wir bringen ihnen auch bei, mit Feuer umzugehen. Gute Ideen werden multipliziert,“ so sieht der Vater zweier erwachsener Kinder (16 und 21), die natürlich ihre Jugend auch auf dem Robinson-Abenteuerspielplatz verbrachten, seine Aufgabe. „Passiert ist erstaunlich wenig.“ Mal ein blauer Daumen. „Manche lernen besser durch Fühlen“, so Lübeck.

Betreuerteam Sozialpädagoge Patrick Schwake mit den Praktikantinnen Andrea Willemsen, Larissa Evers auf dem Robinson-Abenteuerspielplatz in Kleve
Betreuerteam Sozialpädagoge Patrick Schwake mit den Praktikantinnen Andrea Willemsen, Larissa Evers auf dem Robinson-Abenteuerspielplatz in Kleve © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

„Es gibt nur wenige kommerzielle Geräte hier, eine Tischtennisplatte, ein Kicker“ und ein Fußballfeld. Aber hauptsächlich geht es um Erde und Wasser, Matschen und Sägen, Staudamm und Hütten bauen, über dem Lagerfeuer kochen, in den kühleren Monaten Basteln im Robi-Haus und Schulaufgaben machen. „Um den Platz in Gänze zu erschließen, braucht man Jahre. Im Sommer ist hier Dschungel, im Winter hat man den Blick fast bis zum Aussichtsturm“, beschreibt Thomas Lübeck.

Wahlweise Action oder Ruhe

„Man kann zusammen Action machen oder auch seine Ruhe haben in seiner Märchenburg aus Decken und Colakisten.“

Die Besucherstruktur hat sich in den letzten Jahren geändert. „Jahrelang war es sehr altersgemischt. Das ergab ein gutes soziales Lernen“, sagt Thomas Lübeck. Mit 14 Jahren muss man schweren Herzens den städtischen Spielplatz verlassen (laut Gesetz). „Inzwischen sind fast ausschließlich Grundschulkinder hier,“ seit die Älteren in Ganztags-Schulen den Nachmittag verbringen.

Aushang am Eingang des Robinson-Spielplatzes Kleve
Aushang am Eingang des Robinson-Spielplatzes Kleve © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

„Die Ängste der Eltern verhindern vieles, was Kinder wachsen lassen würde“

Einzugsgebiet für den Robinsonspielplatz ist nicht nur die Oberstadt, sondern ganz Kleve und darüber hinaus. Ein Geschwisterpaar kam wochenlang mit dem Zug aus Geldern, zu Fuß ab Bahnhof Kleve die Nimweger Straße hoch, um hier zu spielen. Die meisten Kinder aber werden mit dem Eltern-Taxi gebracht. „Die Ängste der Eltern verhindern vieles, was Kinder wachsen lassen würde“, ist Thomas Lübeck überzeugt. Er würde sich wünschen, dass die Eltern den Kindern zutrauen, den Weg zum Robinsonspielplatz auch alleine zu bewältigen. Am Eingang des Platzes hängt der schöne Spruch „Kinder, die nichts dürfen, werden Erwachsene, die nichts können“.

Je nach Wetter sind auf dem Robinsonspielplatz außerhalb der Ferien 10 bis 50 Kinder aktiv. Der Besuch ist kostenlos, ohne Anmeldung. Eltern füllen einen Erlaubnis-Zettel aus.

Öffnungszeiten in Schulzeiten Oktober bis März 14 – 18 Uhr, in den hellen Monaten bis 19 Uhr. Für Ferienzeiten (geöffnet 10 bis 17:30 Uhr) muss man sich vorher im Internet anmelden: oder

Ein Praktikumsplatz ist ab nächsten August zu vergeben.