Kleve/Kranenburg. Drei Männer aus Kleve und Kranenburg stehen vor Gericht. Warum eine Familie nun im Zeugenschutzprogramm ist und der Ehemann nicht weiß, wo.

Beim Anblick der drei Männer aus Kleve und Kranenburg denkt man nicht gleich an organisiertes Verbrechen. Bei ihren Lebensläufen auch nicht. Aber Beziehungen ins kriminelle Milieu vor ein paar Jahren setzten sich offenbar so fort, dass jetzt eine Haftstrafe bis zu 15 Jahren im Raum steht.

Die Angeklagten in Handschellen und neun Begleiter – mehrere Anwälte sowie vier Personenschützer – plus vier Justizbeamte kamen in den großen Sitzungssaal des Landgerichtes auf der Schwanenburg. Den Auftakt fand der Prozess am Mittwoch hier, die Fortsetzung am Montag am Oberlandesgericht in Düsseldorf. Es geht um europaweiten Drogenhandel von Mai bis August 2021. Weil einer der Angeklagten, der 40-jährige A., geständig und aussagewillig ist, wurden schon kurz nach seiner Festnahme seine Frau und seine Kinder ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. „Ich weiß bis heute nicht, wo sie sind“, sagt er.

Irische Zollbehörden fanden 88 Kilogramm Heroin in einer präparierten Baumaschine

Sein jüngerer Bruder B. (34 Jahre) verweigerte an diesem Tag die Aussage. Das werde sich an Folgetagen aber ändern, kündigte der Anwalt an. Ein weiterer Verwandter, Angeklagter C, 36 Jahre, beschrieb zumindest seine Lebensumstände. Alle drei hatten eine unauffällige Jugend, eine gute Schulbildung, meist abgeschlossene Berufsausbildungen. Die kriminelle Karriere fand vorerst eine Zäsur, als irische Zollbehörden 88 Kilogramm Heroin in einer präparierten Baumaschine fanden. Die Ermittlungen führten zurück zu einer Halle in Goch. Die hatten die drei Klever und Kranenburger angemietet.

Angeklagter A war der Erste gewesen, der vor eineinhalb Jahren erst sogar freundschaftliche Beziehung zu einem großen britischen Drogenhändler in den Niederlanden aufbaute. Der Kontakt kam wohl über einen Mann zustande, mit dem A. vor einigen Jahren sechs Sprengstoffexplosionen an Geldautomaten verübt hatte und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in Haft und anschließend in Drogen-Entziehungstherapie kam. die habe ihn geläutert, versicherte er vor Gericht.

Die Männer aus Kleve und Kranenburg waren zunächst als Handwerker gefragt

Die drei Kleve-Kranenburger waren zunächst beim Briten als Handwerker gefragt. Der eine ist Schweißer, der zweite Maler und Lackierer, der dritte Elektriker. Sie bauten Hohlräume in Fahrzeuge ein, in denen zunächst angeblich große Geldmengen transportiert werden sollten. Oder sie fuhren jene Transporter. Bald schon wurde klar, dass es auch um Kokain und Heroin ginge. Doch da hatten die drei Deutschen zu viel und zu viele Personen gesehen. „Aussteigen sei keine Option“, hatten ihnen die Bosse klar gemacht, schilderte A. vor Gericht. Neben dem englischen Boss aus den Niederlanden stehe ein türkischer Drogenhändler und eine Stufe darüber dessen türkischer Onkel in der Hierarchie. Sie seien mit Menschenleben nicht zimperlich, hat Angeklagter A. Sorge. Vorsitzender Richter am Landgericht, Winfried van der Grinten, hielt A. vor, dass er seine Verwandten mit ins gefährliche Geschäft gezogen habe, die bis dahin durch etwas kleinere Delikte aufgefallen waren.

Eine passende Halle wurde in Goch gefunden, dort wurden Fahrzeuge präpariert

Anfangs liefen die Transport-Geschäfte über Arnheim und eine niederländische Kleinstadt. Dann wurde auf deutschem Boden eine Halle gesucht und in Goch gefunden. Die mietete der 34-jährige B. an. Darin wurden im Verlauf eines halben Jahres insgesamt drei Stapler-Fahrzeuge präpariert. In den großen Gegengewichten wurde ein Hohlraum mit Kokain oder wahlweise Heroin gefüllt und verschraubt. Das Ganze umlackiert, ging dann auf Schiffsreise nach England. Mal waren „honig-melonen-große Bälle“ darin, verpackt, dass man deren Inhalt als Heroin oder Kokain nur ahnen konnte, sagte A. aus. Beim letzten Transport war die Tüten-Verpackung durchsichtig. „Bräunliche Farbe, das war Heroin. Da haben wir einen Schreck bekommen“, sagte A. Der Schreck darüber, dass es wirklich um „tonnenweise Drogen“ gehe.

Erst hätten ihm die ermittelnden Beamten das Ausmaß des Coups nicht geglaubt

Polizei und Zoll hatten die Täter offenbar schon länger observiert. Am besagten 9. Dezember 2021 wurden der 40-Jährige und seine Familie früh morgens geweckt, indem die Polizei seine Tür aufbrach. Weil ihm der Brite als „Big Boss“ und der Türke mehrfach gedroht hätten – u.a. unter Vorzeigen von Waffen, auch mit Vorführen bedrohlicher Gewaltvideos –, bat A. für Frau und Kinder um Zeugenschutz. Er sei zur Aussage bereit. Erst hätten ihm die ermittelnden Beamten das Ausmaß des Coups nicht geglaubt. Bis er sie zu einem Versteck im Wald mit 10 Kilo Heroin führte.

A. ist bereit, nicht nur gegen die Hauptdrahtzieher auszusagen. Vorsitzender Richter von der Grinten nannte ihm auch 17 Namen von Menschen, meist aus dem Kreis Kleve, die mit Drogen und auch mit Waffen handeln, Amphetamine herstellen, Zutaten zur Drogenherstellung liefern. Zu jedem konnte A. Angaben machen. Nach acht Stunden Verhandlung war der Prozess in Kleve noch nicht beendet. Er wird Montag in Düsseldorf fortgesetzt.