Kreis Kleve. Laut Gesetz müssen die Haltestellen seit Anfang 2022 barrierefrei sein. Doch davon sind die Kommunen weit entfernt. Das sind die Gründe.

Schon eine einzelne Stufe kann für viele Menschen das Ende aller Bewegungsfreiheit bedeuten. Damit sind sie von Angeboten ausgeschlossen, die eigentlich für alle ohne fremde Hilfe verfügbar sein sollten – zum Beispiel von der Nutzung von Linienbussen. Eine Recherche der NRZ ergab: Hunderte von Haltestellen genügen nicht modernen Ansprüchen, es besteht noch großer Nachholbedarf beim barrierefreien Umbau.

Laut Informationen des Kreises Kleve sind derzeit etwa 20 Prozent der rund 1.000 Haltestellen (je beide Fahrtrichtungen) barrierefrei im gesamten Kreisgebiet ausgebaut. Für die noch anstehenden Umbauten in den Kommunen Kleve, Goch, Kalkar, Kranenburg und Bedburg-Hau werden Gesamtkosten von rund 13 Millionen Euro veranschlagt.

„Teilhabe sichern“

Andreas Fateh, Kreisgruppengeschäftsführer vom Wohlfahrtsverband Der Paritätische im Kreis Kleve erklärt, warum diese Maßnahmen so wichtig sind: „Barrierefreiheit sichert die Teilhabe von vielen Personengruppen.“ Dies betreffe für den öffentlichen Nahverkehr dann nicht nur zehntausende schwerbehinderte Menschen im Kreis Kleve, sondern beispielsweise auch Senioren oder Familien mit Kleinkindern und Kinderwagen. Er beschreibt das Thema als sehr wichtig, da es einen zentralen Teil in der gesellschaftlichen Inklusion ausmache.

Aus diesem Grund wurde im Personenbeförderungsgesetz des Bundes verankert, dass bis zum 1. Januar 2022 alle Bushaltestellen barrierefrei sein müssen. Für die Umsetzung des Gesetzes sind dabei die Kommunen selbst zuständig.

Die NRZ hat in einzelnen Kommunen des Nordkreises nachgehört, inwieweit das Bundesgesetz bereits umgesetzt wurde und welche Kosten dabei entstanden sind beziehungsweise noch entstehen werden. Das Ergebnis: Der Ausbau ist noch nicht abgeschlossen, auch wenn das Gesetz es seit einem halben Jahr vorsieht.

Kleve erreicht eine Quote von 32 Prozent

In der Stadt Kleve müssen insgesamt 79 von 149 Haltestellen barrierefrei umgebaut werden. Derzeit sind davon 25 bereits vollständig ausgebaut. Das entspricht einer Quote von 32 Prozent. 54 Haltestellen fehlen also noch, wobei die Stadtverwaltung nicht einschätzen kann, wann der Umbau vollständig abgeschlossen sein wird. Zum einen, da die Umgestaltung mit einem hohen Aufwand verbunden sei und auch die „explodierenden Baupreise“ in der Folge des Ukraine-Krieges die Planung erschwerten. Zum anderen sei „das Umsetzungsjahr im Koalitionsvertrag der Bundesregierung bereits auf 2026 festgelegt“ worden.

Barrierefreie Bushaltestellen müssen eigentlich seit dem 1. Januar 2022 überall der Standard sein. In Kleve müssen noch einige Haltestellen so umgebaut werden wie an der Hochschule oder am Koekkoek Platz.
Barrierefreie Bushaltestellen müssen eigentlich seit dem 1. Januar 2022 überall der Standard sein. In Kleve müssen noch einige Haltestellen so umgebaut werden wie an der Hochschule oder am Koekkoek Platz. © NRZ | Tobias Harmeling

Kleve kostet der Umbau einer Haltestelle etwa 70.000 Euro, was bei 79 Umbauten zu Kosten von rund 5,5 Millionen Euro führt. Der Umbau wird allerdings zum Großteil vom VRR gefördert. 70 Haltestellen werden nicht umgebaut, da diese im Nahverkehrsplan entsprechende Kriterien wie beispielsweise eine ausreichende Frequentierung nicht erfüllt haben und deshalb nicht priorisiert sind. Der Kreis Kleve hatte solch eine Rangordnung für das gesamte Kreisgebiet vollzogen; daran orientieren sich die Kommunen.

Goch: „Wir reagieren, wenn Handlungsbedarf besteht“

In Goch hat man schon 2009 mit dem Ausbau der Bushaltestellen begonnen und seitdem mittlerweile 115 neue Haltestellen gebaut, mit einem Kostenumfang von zwei Millionen Euro, der mit Landesfördergeldern finanziert wurde. Darüber hinaus wurde auch der zentrale Busbahnhof in Goch 2009 modernisiert und erfüllt die Vorschriften im Bezug auf die Barrierefreiheit. Dieser Umbau habe weitere 900.000 Euro gekostet, so ein Sprecher der Stadt Goch. Zur Frage, ob die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes bereits erfüllt seien, heißt es seitens der Stadt: „Wir prüfen natürlich fortwährend unsere Haltestellen in Bezug auf die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes und werden reagieren, wenn Handlungsbedarf besteht.“

Kalkar bekommt „ÖPNV-Verknüpfungspunkt“

Für die Stadt Kalkar haben sich aus der Liste des Kreis Kleves 40 von 137 Haltestellen ergeben, die modernisiert werden müssen oder schon modernisiert wurden. 2017 wurden bereits 16 dieser Haltestellen für 270.000 Euro umgebaut. Für die 24 weiteren Haltestellen sind laut Stadt gerade Förderanträge eingereicht worden. Mit dem beantragten Geld sollen 18 Haltestellen einzeln für etwa 604.000 Euro umgebaut werden. Die übrigen sechs Haltestellen werden zu einem „ÖPNV-Verknüpfungspunkt“ zusammengefasst, da sie im Bereich des Schulzentrums liegen. Hierfür werden voraussichtlich 1.547.000 Euro für ausgegeben. Die Baumaßnahmen sind für das Jahr 2023 geplant.

In Kranenburg müssen dem Nahverkehrsplan zufolge 48 von 158 Haltestellen erneuert werden. Dabei liegen 37 Umbauten in der Hand der Gemeinde, die dafür etwa 1,21 Millionen Euro veranschlagt. Knapp eine Millionen Euro der Kosten sollen dabei durch Fördergelder getragen werden.

Bedburg-Hau hat die Maßnahmen zur Erfüllung des Personenbeförderungsgesetzes bezüglich der Barrierefreiheit bereits umgesetzt und zwischen 2009 und 2011 rund eine Millionen Euro (davon knapp 800.000 Euro Förderung) in den Ausbau investiert. Insgesamt gibt es 84 Bushaltestellen im Gemeindegebiet.