Kleve. Cannabis soll legalisiert werden. Barbara Kortland, Leiterin der Beratungsstellen für Suchtfragen der Caritas Kleve, sieht darin eine Chance.
Die neue Bundesregierung plant die Cannabis-Legalisierung in Deutschland. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: „Wir führen eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“ Soweit die Theorie, die Praxis lässt derweil auf sich warten. „Wann das neue Gesetz in Kraft tritt, ist noch völlig unklar“, sagt Barbara Kortland. Die 43-Jährige leitet beim Caritasverband Kleve die Beratungsstellen für Suchtfragen in Kleve, Goch, Emmerich am Rhein, Rees und Kevelaer. Im Auftrag des Kreises Kleve macht sich ihr Team – bestehend aus neun Beraterinnen und Beratern und einer Verwaltungsfachkraft, die ebenfalls eng mit den Mitarbeitenden des Kontaktcafés und der Fachstelle für Suchtprophylaxe zusammenarbeiten – für Aufklärung, Beratung und Prävention stark.
„Cannabis spielt in der Suchtberatung eine große Rolle“
„Cannabis spielt in der Suchtberatung eine große Rolle“, weiß Barbara Kortland, selbst Suchtberaterin, und ergänzt: „Nach Alkohol stellt die Droge bei uns die zweithäufigste Diagnose dar.“ In Zahlen: 2021 suchten insgesamt 690 Klienten und Klientinnen die Caritas-Suchtberatungsstellen auf – 200 (29 Prozent) davon
mit Fragen oder Problemen zum Thema Cannabis.
Die Suchtberaterin sieht das geplante Gesetz aber auch als eine Art Chance
Wobei sich der Cannabis-Klient noch einmal von den anderen unterscheidet. Er ist größtenteils männlich (160) und zwischen 18 und 25 Jahre (73) alt. Ob und welche Auswirkungen die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland auf die Arbeit der Suchtberatung vor Ort hat, kann Barbara Kortland zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Auch weil Cannabis in einer grenznahen Region eine andere Akzeptanz und Verbreitung hat als in anderen Städten und Gemeinden Deutschlands. Die Suchtberaterin sieht das geplante Gesetz aber auch als eine Art Chance: „Der 21 Jahre alte Sohn, der Zuhause einen Joint raucht, tut bislang etwas Verbotenes während seine Eltern ganz legal ein Glas Wein trinken.“ Tatsache ist aber: In beiden Fällen handelt es sich um ein Rauschmittel. Sowohl Cannabis als auch Alkohol sind für den menschlichen Körper giftig.
Durchschnittlich erfolgt der erste Konsum von Cannabis mit etwa 16 Jahren
„In der Familie wird jedoch suggeriert, dass das eine mehr und das andere weniger schlimm ist. Diese Konflikte würden mit dem neuen Gesetz wegfallen.“ Wie der Deutsche Caritasverband bereits Ende Dezember 2021 in einem Eckpunkte-Papier zur Cannabis-Legalisierung veröffentlicht hat, ist auch für Barbara Kortland der Jugendschutz zwingend zu beachten. „Durchschnittlich erfolgt der erste Konsum von Cannabis mit etwa 16 Jahren. Das bedeutet auch, dass viele Konsumierende deutlich jünger sind. Ersten Studien zufolge ist ein früherer Einstieg mit höheren Risiken verbunden. Eine These ist zum Beispiel, dass das Gehirn in einer empfindlichen Entwicklungsphase durch den Konsum geprägt wird. Daher sollte eine kontrollierte Abgabe erst ab dem 21. Lebensjahr erfolgen. Das ist ganz wichtig.“
Cannabis kann Psychosen auslösen
Auch legen Studien den Schluss nahe, dass starker Cannabiskonsum Psychosen auslösen kann. „Unklar ist jedoch wann, also in welchem Entwicklungsabschnitt, in welcher Lebensphase, in welchem Setting dies geschehen kann“, erklärt die Leiterin der Caritas-Suchtberatung. Sie plädiert ebenfalls dafür, dass Cannabis ausschließlich von lizensierten Verkaufsstellen – zum Beispiel Apotheken – ausgehändigt wird. „Zu Wirkung, Konsum und Risiken können wiederum wir als Beratungsstelle aufklären“, ergänzt Barbara Kortland.
Die Deutsche Caritas fordert zudem einen in Deutschland kontrollierten Anbau unter Berücksichtigung von maximal zulässigen THC-Gehalten, ein Werbeverbot für Cannabisprodukte und eine wissenschaftliche Begleitstudie. Auch bestehe struktureller Handlungsbedarf. „Wie beim Alkohol müssen natürlich auch die Regelungen für den Straßenverkehr angepasst werden“, sagt Barbara Kortland.
Mehr Infos beim Caritasverband Kleve, Barbara Kortland, Hoffmannallee 66 - 68, 02821/7209-900, Mail an b.kortland@caritas-kleve.de