Kleve/Düsseldorf. Politische Sensation: Silke Gorißen steht überraschend auf der Kabinettsliste der NRW-Regierung. Welches Amt die Klever Politikerin antritt.

Als die Kabinettsliste der neuen nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch Mittag durchsickerte, stand darin ein Name, mit dem niemand gerechnet hatte: Silke Gorißen, erst vor zwei Jahren im Kreis Kleve zur Landrätin gewählt, wird im neuen Kabinett Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz!

podcast-image

Name war nicht einmal Insidern bekannt

Einige Namen waren im Vorfeld der Regierungsbildung genannt worden, doch der der 51 Jahre alten CDU-Politikerin aus Bedburg-Hau war nicht einmal Insidern bekannt. Gorißen hatte sich in ihrer bisherigen Laufbahn auch nicht mit landwirtschaftlichen Themen profiliert. Sie folgt auf Ursula Heinen-Esser, die Anfang April nach dem Urlaubsskandal zurückgetreten war.

Silke Gorissen (CDU) ist jetzt Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Silke Gorissen (CDU) ist jetzt Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. © dpa | Marius Becker

Das neue Kabinett der schwarz-grünen Landesregierung wurde Mittwochmittag vereidigt. Die CDU stellt acht Minister, darunter vier Frauen. Silke Gorißen war für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen. Bei der Vorstellung des neuen Kabinetts attestierte Ministerpräsident Wüst Silke Gorißen „Kompetenz, Durchsetzungsstärke und einen klaren Kompass“. Er sagte über seine neue Ministerin: „Sie ist eine ausgewiesene Verwaltungsmanagerin mit umfassender kommunalpolitischer Erfahrung im ländlichen Raum. Sie kennt den ländlichen Raum, und sie genießt das Vertrauen des ländlichen Raums.“

Erstaunlicher Karrieresprung

Die Ernennung zur Landwirtschaftsministerin ist für Gorißen ein erstaunlicher Karrieresprung. Sie war einige Zeit in ihrem Heimatort Bedburg-Hau in der Kommunalpolitik aktiv, scheiterte jedoch beim Versuch, Bürgermeisterin zu werden. Als die CDU einen Nachfolger für den Landrat Wolfgang Spreen suchte, setzte sich Gorißen in der CDU gegen Dominik Feyen durch und gewann in der Stichwahl gegen den unabhängigen Kandidaten Peter Driessen.

Die Personalie löst auch im Kreis Kleve ein politisches Erdbeben aus, denn die Stelle des Landrats muss nun neu besetzt werden. Auf jeden Fall ist eine Neuwahl erforderlich, das heißt, nach der Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahl werden die Bürger des Kreises Kleve zum vierten Mal innerhalb von drei Jahre zu den Urnen gerufen. Die Parteien müssen dafür wie schon vor zwei Jahren Kandidaten aufstellen.

Bis auf weiteres führt ab sofort Zandra Boxnick, bisher Allgemeine Vertreterin der Landrätin, die Verwaltungsgeschäfte weiter. Die vom Kreistag gewählten Stellvertreter werden nach Möglichkeit die repräsentativen Termine wahrnehmen.

Wille: „Schlüsselrolle für die Landesregierung“

Als der Klever Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Volkhard Wille am Morgen als einer der ersten die neue Kabinettsliste in Händen hielt, glaubte er zunächst, einem Scherz aufgesessen zu sein. „Ich hielt die Liste für einen Fake“, so Wille zur NRZ. Als er dann die Bestätigung erhalten hatte, gratulierte er sofort und wünschte Gorißen viel Glück für ihre Arbeit. „Da schien sie noch unter akuter Erfolgserschrockenheit zu leiden“, so der Eindruck von Wille.

Seiner Einschätzung hat die Kleverin einen der wichtigsten Ministerposten im neuen Kabinett. Wille: „Die Themen ihres Ministerium sind nicht nur für den Kreis Kleve von Bedeutung, sie spielen auch eine Schlüsselrolle für die Landesregierung. Die Arbeit im Dreieck Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Verbraucherschutz wird spannend.“

Gebing: „Positive Überraschung“

Der Klever Bürgermeister Wolfgang Gebing (CDU) wurde von der Personalie kalt erwischt: Er hatte sich den Livestream der Ernennung angeschaut, aber nur um in Erfahrung zu bringen, ob die Kultusministerin, die zu einer Pressekonferenz nach Kleve eingeladen war, im Amt blieb. Blieb sie aber nicht.

Dann fiel der Name Gorißen. „Das war eine absolute Überraschung“, sagt Gebing. „Und zwar eine positive Überraschung. Gebing und Gorißen, beide Anwälte, kennen sich seit über 20 Jahren. Er zeigte sich überzeugt, dass seine Parteifreundin ihre neue Aufgabe meistert. „Sie ist offen, zugänglich und nicht abgehoben“, so Gebing, und das sage nicht nur er, sondern sei auch der Tenor in der Whatsapp-Gruppe der Bürgermeister des Kreises.

Abitur in Kleve, Studium in Bonn

Silke Gorißen stammt aus Kleve. Sie machte 1991 am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Abitur und studierte anschließend in Bonn Jura. Bis zum Oktober 2020 war sie als selbstständige Rechtsanwältin in Kleve tätig. Schon während ihrer Schulzeit trat sie der Jungen Union bei. Von 2009 bis 2014 saß sie für die CDU im Kreistag.

Ehemann ist Richter am Landgericht

Gorißen ist mit dem Richter Winfried van der Grinten verheiratet, das Paar hat einen Sohn. Er war im Zuge der neuen Aufgabe seiner Frau als Landrätin vom Oberlandesgericht Düsseldorf zum Landgericht Kleve gewechselt.

Es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass in Politiker aus dem Kreis Kleve ein Ministeramt in Düsseldorf bekleidete. Von 2005-2010 war Helmut Linssen (CDU) aus Geldern Finanzminister im Kabinett von Jürgen Rüttgers.