Kleve/Kranenburg. Martina Naß hat sich zur Waldführerin ausbilden lassen. Sie bietet mehrstündige Spaziergänge durch den Reichswald an. Die NRZ lief mit.

Der Wald-Spaziergang mit Martina Naß hat gerade erst begonnen, da bleibt die 54-Jährige auch schon wieder stehen. Sie orientiert sich kurz. „Da ist er ja!“ hat sie schnell gefunden, was sie gesucht hat. Das müsse man sich unbedingt ansehen, sagt sie, geht ein klein wenig vom Weg ab und streicht einer Buche behutsam über ihren Stamm. „Der Baum hat Wimmerwuchs“, erklärt sie eine Art wellige Bänderung. Bei Schreinern seien diese Strukturen beliebt, weil sie eine besonders schöne Maserung hätten, weiß Naß. Die gebürtige Xantenerin lebt seit vielen Jahren in Schottheide, ganz nah am Reichswald. Im vergangenen Jahr hat sie sich zur Waldführerin ausbilden lassen und bietet nun Führungen an.

<p/> Martina Naß zeigt den Wimmerwuchs bei einer Buche.

Martina Naß zeigt den Wimmerwuchs bei einer Buche. © Claudia Gronewald

Ausgebildet in der „Waldakademie“ in der Eifel

Der Wald, sagt sie, habe sie schon immer interessiert. Die sportliche Frau reitet, hat hier für mehrere gelaufene Marathons trainiert oder fährt mit dem Fahrrad durch das Naherholungsgebiet direkt vor ihrer Haustür. „Ich war schon als Kind viel im Wald unterwegs, erinnert sie sich. Viel über ihn gewusst habe sie aber eigentlich nicht.

Irgendwann wurde sie auf den Förster, passionierten Waldschützer und erfolgreichen Buchautor Peter Wohlleben aufmerksam, der in seiner „Waldakademie“ in der Eifel eine mehrere Monate dauernde Ausbildung zum Waldführer oder zur Waldführerin anbietet. „Dort habe ich sehr viel gelernt“, erzählt Martina Naß.

Mit dem Förster arbeiteten ein Biologe und eine Kräuterexpertin zusammen

Mit dem Förster arbeiteten ein Biologe und eine Kräuterexpertin zusammen. Naß erfuhr Wichtiges über Insekten und die Tiere des Waldes, aber auch über rechtliche Fragen. Das sei geballtes Waldwissen gewesen. „Ich habe auch gelernt, wie man ein Baumbestimmungsbuch benutzt“, sagt Naß, die im Hauptberuf als Postzustellerin tätig ist. „Ich will mit meinem Angebot niemanden belehren“, macht sie deutlich. „Ich möchte erreichen, dass die Menschen mit offenen Augen durch den Wald gehen.“

Nächster Halt beim gut zweistündigen Spaziergang, der vom Parkplatz am Waldrand in Nähe des Wolfsbergs in Nütterden startete, ist eine sogenannte Rückegasse. Martina Naß zeigt mit einem kleinen Experiment, dass und wie Harvester, die schweren Holzernte-Maschinen, den Boden verdichten und dass Wasser dort nicht mehr gut versickern kann. Natürlich, ist sie realistisch, werde mit dem Holz des Waldes Geld verdient. Aber neben der Schönheit des Gebietes gelte es, auch das zu zeigen, findet sie.

Blick für die kleinen Lebewesen und für Eichhörnchen als „Kobolde aus dem Wald“

Martina Naß ist bei ihren Spaziergängen durch den Wald immer auch mit einer Becherlupe ausgestattet. „Gerade Kinder lieben es, die kleinen Lebewesen im Waldboden zu betrachten“, weiß sie.

Überhaupt, Kindern den Wald zu zeigen, liegt ihr sehr am Herzen. So lädt sie ein zum „Eichhörnchen-Versteckspiel“ und erzählt davon, dass die „kleinen Kobolde aus dem Wald“ ihre Verstecke für den Wintervorrat oft nicht wiederfinden und dass sie bei Regen nicht gern rausgehen.

Hier hat ein Specht im Reichswald ganze Arbeit geleistet. Am toten Stamm hat sich auch der Zunderschwamm niedergelassen.
Hier hat ein Specht im Reichswald ganze Arbeit geleistet. Am toten Stamm hat sich auch der Zunderschwamm niedergelassen. © Claudia Gronewald

Dann unterbricht sie ihre kleine Geschichte und zeigt auf einen Zwiesel. Entstanden meist durch eine Beschädigung, teilt sich der Stamm eines Baums nach oben. „Ich habe eine Schwäche für außergewöhnliche Bäume“, so die Waldführerin und zeigt gleich auch noch einen Drehwuchsbaum, der sich wohl seinen Weg ans Licht immer neu bahnen musste. Bäume seien faszinierende Lebewesen, schwärmt Naß.

Wo der Specht die Flöten hackt

Das gelte auch für Totholz zum Beispiel am Geldenberg „mit seinem wunderschönen alten Buchenbestand“, wo man den Wald in weiten Teilen sich selbst überlässt. Naß zeigt einen abgestorbenen Stamm voller Spechtflöten. Dort haben die Vögel Löcher in den Baum gehackt, um an Nahrung zu kommen – und schaffen gleichzeitig Nistplätze für andere. Auch das, ist sie überzeugt, sei reizvoll zu sehen. Begeistern will sie aber auch für Pilze und zeigt den holzartigen Zunderschwamm. Oder geht mit ihren Gästen durch die Waldgalerie, die die Waldjugend Kleve seit vielen Jahren anlegt.

„Der Forst macht gute Arbeit“, findet sie viel Lob für das Umdenken im Umgang mit der grünen Lunge am Niederrhein. „Mit Blick auf den Klimawandel gilt das für viele Bereiche“, sagt sie. Beispielsweise verzichte man auf die Anpflanzung von Fichten. Mit dem Regionalforstamt Niederrhein arbeitet sie gut zusammen. Dort werden ihre Führungen „ganz unproblematisch“ genehmigt.

Kindern zeigt sie das „Baumtelefon“

Martina Naß hat viele sehr schöne Ideen für ihren Besuch im Wald. Dazu gehört, Kindern das „Baumtelefon“ zu zeigen oder ihre Begleiter aufzufordern „dem Wald zuzuhören“ und ein Geräuschprotokoll vom Wind in den Wipfeln, den Vogelstimmen oder auch einem vorbei ziehenden Flugzeug zu verfassen. „Das ist etwas Wundervolles“, sagt sie und wünscht sich, ihre Faszination weitergeben zu können. „Macht die Augen auf und guckt euch den Wald wirklich an“, appelliert sie an Spaziergänger, Radler oder Reiter. „Hier gibt es so viel zu entdecken.“

Wer sich beim Entdecken unterstützen lassen möchte, kann bei Martina Naß eine Führung unter Tel. 0160/1107401 buchen. Eine Gruppe sollte nicht größer als zehn Personen sein. Bei ihrem Angebot richtet sich die Waldführerin nach den Wünschen der Teilnehmenden.